Stärke bis zu 8,8 gemessen Heftiges Erdbeben löst Tsunami-Alarm am Pazifik aus


Eines der bislang weltweit stärksten Erdbeben versetzt zahlreiche Länder in Alarmzustand. Es gibt Verletzte, Überschwemmungen und Evakuierungen. Die erste Bilanz fällt aber nicht allzu bitter aus.
Ein schweres Erdbeben vor der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands hat Tsunami-Warnungen für Millionen Menschen im Pazifik-Raum ausgelöst. Zahlreiche Länder wie Japan, China und die Philippinen warnten die Einwohner vor teils meterhohen Flutwellen als Folge des Erdbebens. Auch Hawaii und die US-Westküste und Lateinamerika waren alarmiert. Auf Kamtschatka war von Verletzten und Schäden die Rede.
In einigen Ländern wurden die Warnungen nach einigen Stunden aufgehoben oder heruntergestuft. Auch Russland hob die Tsunami-Warnung wieder auf. Bei einem Tsunami bauen sich Wellen mitunter in Stufen auf. Hinweise auf größere Schäden gab es nicht. In der russischen Hafenstadt Sewero-Kurilsk auf der Kurilen-Inselgruppe kam es allerdings zu schweren Überschwemmungen.
Mit 8,8 war das Hauptbeben laut der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 - und wurde seit Beginn der Messungen überhaupt nur von fünf Beben übertroffen.
Es ereignete sich in der Nacht um kurz vor 1.30 Uhr deutscher Zeit vor der fernöstlichen russischen Halbinsel Kamtschatka. Nach russischen Angaben hatte dieses Beben eine Stärke von 8,7. Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam gab die Stärke mit 8,8 an.
Viele Nachbeben
Laut der Russischen Akademie der Wissenschaften war es das heftigste Erdbeben auf Kamtschatka seit 1952. Das Zentrum des Bebens lag den Angaben zufolge in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der nur dünn besiedelten Küste Kamtschatkas, und relativ tief unter dem Meeresboden.
Seither kam es laut USGS zu Dutzenden Nachbeben vor Kamtschatka, viele davon hatten Stärken von über 5. Die zwei stärksten Nachbeben hatten demnach die Stärken 6,9 und 6,3.
Verletzte und Überschwemmungen in Russland
Von der russischen Halbinsel Kamtschatka meldeten Behörden mehrere Verletzte. Die Patienten erhielten in Krankenhäusern die erforderliche Hilfe, sagte der regionale Gesundheitsminister Oleg Melnikow. Verletztenzahlen nannte er nicht. Die Menschen hätten sich bei der Flucht verletzt, darunter ein Mann bei einem Sprung aus einem Fenster. Eine Frau sei in einem Gebäude des neuen Flughafens verletzt worden.

In der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut russischen Medien verängstigte Menschen barfuß ins Freie. Kleiderschränke stürzten um, Autos rutschten über wackelnde Straßen. Der Gouverneur der Region Kamtschatka, Wladimir Solodow, veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal auch ein Video seines Besuchs in einem bei dem Beben teils zerstörten Kindergarten. Dort stürzte die Fassade ein. Es habe keine Verletzten gegeben.
Solodow zeigte auch ein Video von Ärzten, die in einem Operationsaal trotz schwerer Erschütterungen ihre Arbeit fortsetzten. „Solcher Mut verdient die höchste Wertschätzung“, sagte er. Solodow warnte vor der Gefahr von Nachbeben und mahnte zur Vorsicht.
Auf den Kurilen habe es vier Tsunami-Wellen gegeben, sagte Alexander Owsjannikow, Verwaltungschef im Kreis Sewero-Kurilsk auf der Insel Paramuschir. Das Wasser drang demnach 200 Meter ins Landesinnere ein. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf Einsatzkräfte, dass die größte Welle bis zu fünf Meter hoch gewesen sei.
Nach Angaben des Zivilschutzes wurden der Hafen der Stadt Sewero-Kurilsk und ein Fischereiunternehmen dort teilweise überflutet. Verletzte und bedeutende Zerstörungen gebe es nicht, sagte der Gouverneur der Region Sachalin, Waleri Limarenko, im Staatsfernsehen.
Moskau zieht am Ende erleichtert Bilanz
Im Wesentlichen hätten die Gebäude dem Beben standgehalten, teilte der russische Zivilschutz mit. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, dass sich die erdbebensichere Bauweise auf Kamtschatka bewährt habe. Es gebe keine Opfer. Die Frühwarnsysteme hätten ordnungsgemäß funktioniert. Wo es Tsunami-Gefahr gegeben habe, seien die Menschen rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden, darunter auch 60 Urlauber an einem Strand.
Russische Experten hatten darauf hingewiesen, dass auf der für ihre seismologischen Aktivitäten berühmten Halbinsel seit langem ein solch schweres Erdbeben erwartet worden sei. Entsprechend seien die Vorbereitungen gewesen.
Höhere Flutwellen vor Japans Küsten - Fukushima-Ruine evakuiert
An Japans Pazifikküste traf eine mehr als einen Meter hohe Flutwelle ein. In einem Hafen der nordöstlichen Präfektur Iwate sei eine 1,30 Meter hohe Welle registriert worden, berichteten lokale Medien. An der Küste anderer Präfekturen wurden Flutwellen von bis zu 80 Zentimetern beobachtet.
Die Behörden hatten Warnungen vor einem bis zu drei Meter hohen Tsunami ausgegeben. Der Norden Japans liegt dem Erdbebengebiet geografisch mit am nächsten. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen.
Der Betreiber der japanischen Atomruine Fukushima Daiichi forderte wegen der Tsunami-Warnung alle Arbeiter zur Evakuierung auf. Der Konzern Tokyo Electric Power (Tepco) bestätigte der „Japan Times“, dass sich alle auf höher gelegenen Gebieten in Sicherheit gebracht haben.

In dem Atomkraftwerk im Nordosten des Inselreichs war es am 11. März 2011 infolge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis zu mehreren Kernschmelzen gekommen, nachdem die Kühlsysteme ausgefallen waren.
In Japan beeinträchtigte die Tsunami-Warnung auch den Verkehr - und das während der Hochsaison ausländischer Touristen. Der Straßen-, Bahn- und Flugverkehr sei teils unterbrochen, Fabriken mussten ihren Betrieb einstellen, meldete die japanische Wirtschaftszeitung „Nikkei“.
USA von Hawaii über Alaska bis Kalifornien im Alarmzustand
Auf dem zu den USA gehörenden Archipel Hawaii kamen mittlerweile erste Flutwellen an, die höchste erreichte laut dem Sender CNN 1,50 Meter. Für die Inselgruppe im Pazifik, die Tausende Kilometer vom Erdbebengebiet entfernt liegt, galt zeitweise eine ausgesprochene Tsunami-Warnung des staatlichen Tsunami-Warnzentrums. Strände allen voran auf der größten Insel Hawaii - auch Big Island genannt - waren dort zuvor evakuiert worden.
Alle Häfen wurden für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Flüge von und nach Maui seien für den Dienstagabend (Ortszeit) gestrichen worden, sagte Gouverneur Josh Green in einer Pressekonferenz. Etwa 200 Menschen hätten in einem Terminal Zuflucht gefunden. Die Flughäfen seien bislang nicht von Schäden betroffen.
Entlang der US-Westküste wie etwa in Kalifornien warnten Behörden vor den Wellen und riefen Bewohner einiger Küstenorte auf, sich in höhergelegene Gebiete zu begeben. Alaska stellte sich ebenfalls auf höhere Wellen ein, auch für die kanadische Westküstenprovinz British Columbia galt besondere Vorsicht in Küstennähe.
Auch Warnungen in anderen Weltregionen
Mehrere Länder Lateinamerikas mit Küsten am Pazifik gaben ebenfalls Warnungen vor Flutwellen heraus, darunter etwa Mexiko, Guatemala, Ecuador, Peru und Chile.
China und die Philippinen hoben am Nachmittag (Ortszeit) die Tsunami-Warnungen wieder auf. Indonesien meldete derweil kleinere Tsunamiwellen. Laut der indonesischen Behörde für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik (BMKG) erreichten sie aber eine Höhe von maximal 0,2 Metern. Zuvor hatten Tsunami-Warnungen für mehrere östliche Provinzen wie etwa Nordsulawesi gegolten. In besonders gefährdeten Küstenregionen wurden vorsorglich Schulen geschlossen und Evakuierungen eingeleitet.
Bei einem Tsunami muss die erste Welle nicht die heftigste sein. Das baut sich mitunter in Stufen auf. Falls es also zunächst unter einem Meter bleibt, ist damit noch keine Entwarnung verbunden, worauf auch die Behörden unermüdlich hinweisen.
In Asien kommen Erinnerungen an Tsunami von 2004 hoch
In der südostasiatischen Region riefen die Tsunami-Warnungen bei sicher nicht wenigen Menschen schlimme Erinnerungen wach: Am 26. Dezember 2004 hatte ein gewaltiges unterseeisches der Stärke 9,1 vor der Küste von Sumatra eine riesige Flutwelle ausgelöst. Neben Indonesien gab es damals auch zahlreiche Opfer in anderen Ländern, von Thailand über Indien bis Tansania. Etwa 230.000 Menschen kamen ums Leben.