Nach Finanzkollaps „Erstunken und erlogen“: Heftige Kritik an Ludwigsburg


Meister und Pokalsieger HB Ludwigsburg steht vor dem Aus. Bei der Konkurrenz ruft das nicht nur Mitgefühl hervor. Sorgen um den deutschen Frauen-Handball machen sich breit.
Der finanzielle Kollaps des Double-Gewinners HB Ludwigsburg hat in der Bundesliga zum Teil heftige Kritik ausgelöst. „Ich muss klar sagen, dass das im Vorjahr eine erstunkene und erlogene Meisterschaft war“, sagte Geschäftsführer Maik Schenk vom Thüringer HC der Deutschen Presse-Agentur. Sein Kollege Peter Prior vom Buxtehuder SV fürchtet einen Rückschlag für den gesamten deutschen Frauen-Handball.
„Die Höhe der Forderungen kann nicht innerhalb kurzer Zeit entstanden sein, da wurde klar über den Verhältnissen gelebt“, sagte Schenk. „Natürlich möchte ich mein Bedauern ausdrücken. Aber ich möchte auch klarstellen, dass es sich um Betrug und Täuschung gegenüber allen anderen Mannschaften handelt.“
Nach seiner Ansicht leide durch den zu befürchtenden Ausfall von mehr als 20 Saisonspielen das gesamte Produkt. „Das wird eine Riesenherausforderung für die Liga“, sagte Schenk. „Alles, was vor vier Wochen auf der Liga-Tagung besprochen wurde, kann man nicht mehr verwenden. Bezüglich des Spielplans und des Modus müssen neue Ideen in den Raum geworfen werden.“
Prior fürchtet „herben Rückschlag“
Die Liga müsse schnell einen Weg finden, „wie die Saison mit nur elf Teams am sinnvollsten gespielt werden kann“, sage Buxtehude-Boss Prior - auch wenn die Ludwigsburger einen Liga-Start noch nicht vollends abgeschrieben haben. „Für den Frauen-Handball in Deutschland und die Bundesliga ist die Insolvenz und der sich abzeichnende Rückzug der HBL ein herber Rückschlag - gerade jetzt, wo die Zuschauerzahlen steigen, die Weiterentwicklungs-Strategie fruchtet und erstmals ein Namenssponsor für die Liga gefunden wurde.“
Die Liga erklärte in einem Schreiben, dass „anhand der bestehenden Faktenlage“, derzeit noch keine Entscheidung getroffen werden könne. Sie müsse die weitere Entwicklung abwarten, hieß es.
Romina Heßler, Geschäftsführerin der HSG Bensheim/Auerbach, ist vor allem wegen der anstehenden Heim-WM im Winter besorgt. „Das sollte eigentlich ein Moment der Euphorie und Aufbruchstimmung sein - und ausgerechnet jetzt zeigt sich, wie fragil die Realität in vielen Vereinen tatsächlich ist“, sagte sie. „Es fehlt nicht am sportlichen Potenzial, sondern an finanzieller Planbarkeit, professionellen Rahmenbedingungen und echter Wertschätzung. Wenn wir es mit einer Heim-WM im Rücken nicht schaffen, nachhaltige Veränderungen anzustoßen – wann dann?“
Kritik an den Strukturen
Heßler sieht im Fall Ludwigsburg „einen Weckruf für Verbände, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“. Es brauche daher „tragfähige Strukturen, verlässliche Förderung und ein Umfeld, in dem sich Spielerinnen und Vereine langfristig entwickeln können – nicht trotz, sondern wegen der Bedingungen im deutschen System“, erklärte sie.
Die HB Ludwigsburg hatte vor zwei Wochen den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Am Montag hatten die Verantwortlichen die Mannschaft darüber informiert, dass die Finanzierung der kommenden Bundesliga-Spielzeit nicht gesichert sei. Die Spielerinnen - darunter viele Nationalspielerinnen - sind nun nicht mehr an ihre Verträge gebunden.