Handball-Bundesliga Machtkampf in Berlin: Kretzschmar hört am Saisonende auf

Jordan Raza und Michael Rossmann, dpa
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Von Jordan Raza und Michael Rossmann, dpa
| 02.09.2025 12:49 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Stefan Kretzschmar hört am Saisonende bei den Füchsen auf. (Archivbild) Foto: Jan Woitas/dpa
Stefan Kretzschmar hört am Saisonende bei den Füchsen auf. (Archivbild) Foto: Jan Woitas/dpa
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Für Stefan Kretzschmar ist nach der Saison Schluss als Füchse-Sportvorstand. Es ist die Folge eines Konflikts mit Bob Hanning. Was bedeutet das für den Meistertrainer Jaron Siewert?

Handball-Ikone Stefan Kretzschmar sorgt mit einer unerwarteten Zukunftsentscheidung für ein Personalbeben beim deutschen Meister Füchse Berlin und verschärft den Konflikt mit Vereinsboss Bob Hanning. Kretzschmar wird seinen Vertrag als Sportvorstand nicht verlängern und den Hauptstadt-Club nach Saisonende verlassen. 

„Öffentliche Diskussionen um die strategische Ausrichtung tun dem Verein nicht gut. Um den medialen Druck zu nehmen und den Fokus auf unsere ambitionierten Ziele in dieser Saison zu lenken, gebe ich meine Entscheidung heute bekannt. Bis Juni 2026 werde ich mit voller Leidenschaft arbeiten und kämpfen, um diese Ziele zu erreichen“, schrieb Kretzschmar auf Instagram.

Hanning war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Auch in der knappen Pressemitteilung der Berliner äußerte er sich nicht zum Personalknall. „Die Füchse Berlin wurden von dieser Entscheidung überrascht und nehmen sie mit großem Bedauern zur Kenntnis“, teilten die Füchse lediglich mit. Die Gesellschafter würden nun unternehmerisch entscheiden, wie die Zukunft des Vereins vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bestmöglich zu gestalten sei.

Zwei Alpha-Tiere treffen aufeinander

Die machtbewussten Hanning und Kretzschmar galten nie als beste Freunde. Dennoch arbeiteten sie bei den Füchsen professionell zusammen und stellten den Erfolg des Vereins konsequent in den Vordergrund. Unterschiedliche Auffassungen gab es trotzdem. 

Ihre Beziehung war mal besser: Stefan Kretzschmar (l) und Bob Hanning. (Archivbild) Foto: Andreas Gora/dpa
Ihre Beziehung war mal besser: Stefan Kretzschmar (l) und Bob Hanning. (Archivbild) Foto: Andreas Gora/dpa

Für Hanning war nicht verhandelbar, Spitzenleistung und die Förderung junger Talente als untrennbare Einheit zu betrachten. Kretzschmar hingegen hätte gern noch stärker in die Qualität und Tiefe des Kaders investiert.

In den vergangenen Tagen war es zwischen dem ehemaligen Nationalspieler und Hanning zu einem offenen Machtkampf gekommen, der hinter den Kulissen für hitzige Debatten und Unruhe sorgte. Kretzschmar hatte wenig Verständnis dafür, dass sich Hanning nicht klar zu ihm und Trainer Jaron Siewert positionierte und die Zukunft der beiden offen ließ. „Es ist ein Zustand, wo man natürlich gerade in der Luft hängt. Es ist für alle Beteiligten eine angespannte Situation“, hatte Kretzschmar der dpa gesagt.

Hanning: „Es wäre keine Unruhe entstanden, wenn...“

Hanning hingegen hatte wiederholt betont, im Herbst in aller Ruhe eine Entscheidung treffen zu wollen. Dass die Personalpolitik in Berlin, nicht zuletzt durch Kretzschmars Äußerungen, öffentlich breit diskutiert wurde, missfiel dem 57-Jährigen deutlich. „Es wäre gar keine Unruhe entstanden, wenn man nicht Unruhe entstehen lassen wollte“, sagte Hanning am Sonntag bei Dyn. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beschrieb der ehemalige DHB-Vizepräsident manche Aussagen Kretzschmars als grenzwertig. 

Kretzschmar holte ihn nach Berlin: Mathias Gidsel. (Archivbild) Foto: Frank Molter/dpa
Kretzschmar holte ihn nach Berlin: Mathias Gidsel. (Archivbild) Foto: Frank Molter/dpa

Auch bei vielen Experten sorgte die Hängepartie für Verwunderung. Schließlich blickt der Hauptstadt-Club auf die beste Saison seiner Vereinsgeschichte zurück. Erstmals wurde der deutsche Meistertitel geholt und das Finale der Champions League erreicht. Es mache zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn, das stimmige Konzept zu verändern, hatte Kretzschmar gesagt. Nun sorgt er wenige Tage vor dem Bundesliga-Topspiel gegen den SC Magdeburg an diesem Samstag selbst für die Veränderung - und weitere Unruhe. 

Für die Zeit in Berlin ist Kretzschmar dankbar. „Diese Erfolge sind das Ergebnis von harter Arbeit, einer Vision, einer phänomenalen Mannschaft, einem großartigen Trainerteam und unseren leidenschaftlichen Fans. Für mich war es ein riesiges Privileg und ein besonderer Höhepunkt meiner Karriere, in meiner Heimatstadt Berlin mit den Füchsen die erste Deutsche Meisterschaft feiern zu dürfen“, schrieb Kretzschmar weiter. 

Was macht Meistertrainer Siewert? 

Unklar ist, was Kretzschmars Entscheidung für die Zukunft von Meistertrainer Jaron Siewert bedeutet. Der Vertrag des 31-Jährigen läuft ebenfalls im Sommer aus. „Natürlich beschäftigt einen das“, hatte Siewert gesagt. Seit 2020 trainiert der gebürtige Berliner die Füchse. 

Seit 2020 bei den Füchsen: Jaron Siewert (l.) und Stefan Kretzschmar. (Archivbild) Foto: Sebastian Räppold/Sportfoto Matthias Koch/dpa
Seit 2020 bei den Füchsen: Jaron Siewert (l.) und Stefan Kretzschmar. (Archivbild) Foto: Sebastian Räppold/Sportfoto Matthias Koch/dpa

Noch am Wochenende hatte Siewert angedeutet, beim Bundesligisten weitermachen zu wollen. „Ich fühle mich hier extrem wohl, meine Familie fühlt sich hier extrem wohl“, sagte der Handball-Coach. 

Über den Sommer hatte es immer wieder Spekulationen um einen neuen Trainer gegeben. Präsident Frank Steffel heizte die Gerüchte selbst an und sagte der „Sport Bild“: „Die Frage für ihn ist doch: Wann ist für ihn der beste Zeitpunkt, etwas Neues zu machen?“ In der Handball-Szene hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der ehemalige Flensburg-Coach Nicolej Krickau auf Siewert folgen könnte. 

Hanning plant Rückzug

Für Hanning geht es darum, den Verein, den er groß gemacht hat, zukunftssicher aufzustellen. Schließlich will der 57-Jährige sein Amt in drei Jahren auf- und den Verein bestmöglich übergeben. Hannings Nachfolger soll der langjährige Füchse-Kapitän Paul Drux werden. Dieser hatte seine Karriere vergangene Saison aufgrund einer Verletzung vorzeitig beenden müssen.

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