Drei-Parteien-Bündnis Österreichs Kanzler: Koalition mit Anti-Streit-Rezept

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Von dpa
| 26.10.2025 05:02 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
In Österreich streitet die Dreier-Koalition trotz aller großen inhaltlichen Unterschiede - zumindest bisher - kaum. Foto: Eva Manhart
In Österreich streitet die Dreier-Koalition trotz aller großen inhaltlichen Unterschiede - zumindest bisher - kaum. Foto: Eva Manhart
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Die politischen Unterschiede sind groß. Dennoch sind Konservative, Sozialdemokraten und Liberale in Österreich in ihrem neuartigen Bündnis ziemlich geräuscharm unterwegs. Warum?

Die Dreier-Koalition in Österreich hat nach Überzeugung von Kanzler Christian Stocker (ÖVP) ein bisher funktionierendes Anti-Streit-Rezept. „Wir gönnen einander Erfolge“, sagt der Regierungschef im Interview mit der dpa. Die Unterschiede zwischen der konservativen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos seien zum Beispiel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik sehr deutlich. „Wir haben aber gesagt, das halten wir jeweils aus, solange es dem Land grundsätzlich hilft - auch wenn es ideologisch vielleicht nicht die erste Wahl ist.“

In den ersten sieben Monaten seit Amtsantritt hat die Regierung unter anderem auf Drängen der ÖVP einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik beschlossen, auf Initiative der SPÖ Maßnahmen bei den Mietpreisen ergriffen und wegen der Neos Akzente in der Bildungspolitik gesetzt. Geprägt ist die Arbeit der Dreier-Koalition vor allem von einem erheblichen Budgetloch.

Stocker: „Stimmung im Land ist nicht gut“

Der Zuspruch der Bevölkerung hält sich laut Umfragen in Grenzen, die rechte FPÖ führt deutlich. „Die Stimmung im Land ist nicht gut. Sie steht aber nur bedingt mit der Realität im Einklang“, sagt der 65-jährige Regierungschef. Es dominiere in der öffentlichen Wahrnehmung der Blick auf alles, was fehle und was nicht gut sei. „Mein Anliegen ist, dass wir diese Geschichte so erzählen, dass auch Optimismus und Zuversicht entstehen kann. Die Österreicher sehen das Glas oft ganz leer“, sagt Stocker. 

Eine wesentliche Rolle für das Eintrüben der Stimmung spiele die rechte FPÖ. „Die Unzufriedenheit wird von der FPÖ bedient und zur Empörung gesteigert, dann wird Empörung zur Wut gesteigert.“ Das Ergebnis sei eine Spaltung der Gesellschaft. „Dabei hat uns der politische Ausgleich groß gemacht“.

FPÖ wird geprägt von ihren jeweiligen Vorsitzenden

Einen Vergleich der FPÖ mit der AfD hält der österreichische Regierungschef aber nur für bedingt zulässig. Schon die Geschichte beider Parteien sei völlig anders. Die FPÖ gehöre in der Alpenrepublik seit 70 Jahren zu den etablierten Parteien. „Die FPÖ war immer Teil des demokratischen Systems in Österreich.“ Ihre Ausrichtung werde aber maßgeblich von den jeweiligen Vorsitzenden bestimmt. Die Partei unter Heinz-Christian Strache sei eine andere gewesen als unter Herbert Kickl. „Kickl hat die Partei auf Bundesebene auf Krawall gebürstet.“

Eine Bandmauer gegenüber den Rechtspopulisten existiert in der Alpenrepublik nicht. „In Österreich haben wir uns dafür entschieden, über eine Zusammenarbeit von Fall zu Fall, von Ebene zu Ebene zu befinden“, sagt Stocker. Er verweist darauf, dass die FPÖ in mehreren Bundesländern in Koalitionen sei und in der Steiermark sogar den Landeshauptmann (Anm.: Ministerpräsidenten) stelle.

„Grenzkontrollen derzeit leider nötig“

Für ihn sei in der Migrationspolitik der Unterschied zwischen ÖVP und FPÖ klar. „Die FPÖ verspricht das Unmögliche, nämlich null Asylanträge anzunehmen. Wir wollen – wie inzwischen viele in Europa - die illegale Migration gegen Null bringen. Das ist ganz legitim.“ Niemand verstehe, wenn Migranten sich Länder in Europa nach dem besten Sozialsystem aussuchen könnten. „Wir sind nicht verpflichtet, jeden, der seinen Lebensunterhalt von anderen bezahlt wissen will, in Österreich aufzunehmen“, so Stocker.

Die deutschen Grenzkontrollen seien derzeit leider nötig. Auch Österreich kontrolliere einen Teil seiner Grenzen. Die Zahl der Aufgriffe von Migranten sei deutlich zurückgegangen. Außerdem könnten die Kontrollen Migrationsrouten verändern, aber das löse das Problem nicht, sagt Stocker. „Wir brauchen die Verfahren an der Außengrenze und einen robusteren Schutz unserer Außengrenzen.“

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