Fußball

Elfmeterschießen: Einst heimlich, jetzt gefeiert

Niklas Homes und den Agenturen
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Von Niklas Homes und den Agenturen
| 19.06.2020 10:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Steht es auch nach der Verlängerung noch unentschieden, folgt im Fußball das Elfmeterschießen. Und das nun schon seit 50 Jahren. Zuvor wurde per Los oder Münze entschieden. Die revolutionäre Elfer-Idee stammt aus Deutschland.

Berlin - Ob im Elfmeter-Krimi bei der WM 1982 gegen Frankreich, in der Nervenschlacht bei der Heim-WM 2006 gegen Argentinien oder zuletzt bei der Euro 2016 gegen Italien – die deutsche Fußball-Nationalmannschaft entschied die Dramen vom Punkt oft für sich. Vor allem einer verfolgte die Penalty-Krimis mit Stolz und Genugtuung: ihr Erfinder Karl Wald aus dem oberbayerischen Penzberg.

Karl Wald, der Erfinder des Elfmeterschießens. 1970 veränderte der ehemalige Schiedsrichter mit seiner Idee den Fußball. 2011 verstarb er, doch seine Erfindung reicht weit über seinen Tod hinaus. DPA-Bild: Schrader
Karl Wald, der Erfinder des Elfmeterschießens. 1970 veränderte der ehemalige Schiedsrichter mit seiner Idee den Fußball. 2011 verstarb er, doch seine Erfindung reicht weit über seinen Tod hinaus. DPA-Bild: Schrader
2011 starb der frühere Amateur-Schiedsrichter im Alter von 95 Jahren, doch seine Erfindung reicht weit über seinen Tod hinaus. Denn Karl Wald entwickelte in den 1960er-Jahren das Elfmeterschießen und revolutionierte so das Fußballspiel. Das Elferschießen erfolgt nach Spielen, die nach regulärer Spielzeit und Verlängerung unentschieden stehen.

Der Elfmeter-Samstag von Lastrup

Jetzt am Samstag werden in Lastrup (Kreis Cloppenburg) sogar Partien nur durchs Elfmeterschießen ohne vorangegangenes Spiel ausgetragen. Einfach weil es in Corona-Zeiten die einzige sportliche Möglichkeit ist, um den Bezirkspokal im Weser-Ems-Bereich auszuspielen.

Mit dem SV Hage, BW Borssum (beide Herren), der SG TiMoNo (Damen und B-Juniorinnen), der SpVg Aurich (B-Juniorinnen) und dem SV Leybucht (C-Juniorinnen) treten auch fünf ostfriesische Vereine bei den Krimis aus elf Metern an.

Entscheidungen per Los oder Münze

Bevor die revolutionäre Elfmeterschießen-Idee von Karl Wald übernommen wurde, sind Spiele nach der Verlängerung jahrzehntelang per Los oder Münzwurf entschieden worden. „Das ist sportlicher Betrug, das ist glatter Blödsinn“, sagte der 1916 in Frankfurt am Main geborene und gelernte Friseur Karl Wald einmal.

Und so ließ er das erdachte Format mit je fünf Elferschützen pro Team in Bayern in den 1960er Jahren testen – heimlich bei Freundschaftsspielen.

Muffensausen bei heimlichen Tests

„Das war für ihn schon ein Ritt auf der Kanonenkugel, nicht ganz ungefährlich“, erinnert sich Karl Walds Enkel Thorsten Schacht heute. Sein Großvater habe „ganz schön Muffensausen“ gehabt, dass ihn irgendjemand vom DFB bei seinen heimlichen Tests erwischen könnte.

„Schließlich wäre seine Schiedsrichter-Lizenz wohl weg gewesen“, meint Schacht. Doch bei den Zuschauern stieß die neue Regel auf Begeisterung. „Die Leute wollen den Ball im Netz sehen“, sagte Karl Wald. Die Fans hätten sich in den 16-Meter-Raum gedrängt und hätten mitgefiebert, gejubelt mit den Siegern, gelitten mit den Verlieren, erinnert sich auch Schacht aus Erzählungen seines Großvaters.

Der Kampf gegen den Widerstand

Zunächst musste Karl Wald, der 1936 seine Referee-Lizenz erworben und selbst in der Oberliga-Süd gepfiffen hat, jedoch gegen heftigen Widerstand kämpfen. Die Führung des Bayerischen Fußball-Verbandes wollte seinen Vorschlag beim Verbandstag 1970 blockieren.

„Meine Kameraden, ich bitte Sie, geben Sie dem Antrag grünes Licht, nach dem Motto, der Erfolg rechtfertigt alles, vielen Dank“, rief er den Delegierten damals zu. Als sich die Mehrheit schließlich pro Elfmeterschießen aussprach, war der Durchbruch am 30. Mai 1970 geschafft – vor fast genau 50 Jahren.

Deutschland als Macht vom Punkt

Wenig später übernahmen der Deutsche Fußball-Bund (DFB), bald auch der Europa- (UEFA) und der Weltverband FIFA die Neuheit – und die Fußball-Dramen nahmen ihren Lauf. Als erstes großes Turnier wurde die EM 1976 durch einen Elfmeter-Krimi entschieden. Uli Hoeneß schoss in den Nachthimmel von Belgrad, die CSSR wurde dank Antonín Panenka Europameister. Danach aber wurde die deutsche Auswahl eine regelrechte Macht in der Entscheidung vom Punkt: Im WM-Halbfinale 1990 und EM-Halbfinale 1996 jeweils gegen England oder dem Viertelfinale bei der Heim-WM 2006 gegen Argentinien feierte die DFB-Elf große Siege.

Der FC Bayern erlitt eine seiner schlimmsten Niederlagen im Champions-League-Finale 2012 „dahoam“ gegen Chelsea, und auch 2016 wurde der Sieger der europäischen Königsklasse vom Punkt ermittelt: Real Madrid schlug den Stadtrivalen Atlético. Im selben Jahr gewannen die Bayern im DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund ebenfalls im Elfmeterschießen.

Besondere Würdigung für den Erfinder

Karl Wald selbst soll „seine“ Elfmeterkrimis recht ruhig und gelassen vor dem Bildschirm verfolgt haben. Dennoch überkam den Initiator der Regel immer wieder eine angenehme Genugtuung. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich Recht hatte“, sagte Wald einmal. Für ihn sei es eine Bestätigung gewesen, dass sein damals vorgeschlagene Regel-Novum noch heute gleichermaßen angewandt wird.

In seinem Wohnort Penzberg hat man ihm dafür eine besondere Ehre zu Teil werden lassen: Seit 2014 heißt die Straße hin zum Stadion „Karl-Wald-Straße“. Das Museum in der Kleinstadt widmet seinem berühmten Bürger bis Oktober eine Sonderausstellung.

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