Kriminalität
Ostfriesischer Rechtsanwalt wegen Strafvereitelung angeklagt

Ein ostfriesischer Strafverteidiger und sein Mandant sollen einen Zeugen dazu gebracht haben, vor Gericht zu lügen. Das könnte sie jetzt selbst vor den Richter bringen.
Aurich - Die Auricher Staatsanwaltschaft hat vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Aurich Anklage gegen einen 61-jährigen Anwalt aus Ostfriesland und seinen 63 Jahre alten Mandanten erhoben. Das teilt Daja Rogga, Pressesprecherin der Strafverfolger, mit. Vorgeworfen wird den beiden Männern demnach gemeinschaftliche Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage. Dem Anwalt wird außerdem eine Strafvereitelung zur Last gelegt. Der Anwalt hat nach Roggas Angaben den 63-Jährigen im vergangenen Jahr in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Aurich vertreten. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, in seinem Wohnhaus einen Zeugen mit einem Schreckschussrevolver bedroht zu haben. Der 63-Jährige wurde allerdings freigesprochen – laut Staatsanwaltschaft, weil der Anwalt und der Mann das Opfer dazu gebracht haben, vor Gericht zu lügen.
„Plangemäß sagte der Zeuge vor dem Amtsgericht aus, dass er sich an die Tat nicht mehr erinnern könne, da er zuvor Alkohol und Medikamente zu sich genommen habe, und dass der damalige Angeschuldigte ihn nicht bedroht habe“, so Rogga. Wie genau es der Anwalt und sein Mandant fertig gebracht haben sollen, den Mann zu beeinflussen, sagt Rogga auf Nachfrage nicht. „Sie haben mit ihm gesprochen“, so die Staatsanwältin. Auf die Frage, ob die beiden mit Gewalt gedroht hätten, sagt sie: „Von Gewalt ist nicht die Rede.“ Recherchen der Redaktion zufolge kennen sich der Zeuge und der beschuldigte 63-Jährige unter anderem, weil der Zeuge Handwerksarbeiten für den Mann ausgeführt hatte. Der Streit, der zu der Bedrohung mit der Schreckschusswaffe geführt haben soll, hatte sich daran entzündet, dass der Zeuge Geld vom 63-Jährigen verlangt hatte.
Anwalt streitet die Vorwürfe ab
Der damalige Zeuge habe inzwischen gestanden, bei der Gerichtsverhandlung gelogen zu haben, so Rogga. Er wurde wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe von 1350 Euro verurteilt. Aber wie sind die Ermittler dem Mann auf die Schliche gekommen? „Im Zuge von anderen Ermittlungen war der Verdacht aufgekommen, dass es sich um eine Falschaussage gehandelt haben könnte“, erklärt die Staatsanwältin. Daraufhin habe der Mann gegenüber den Ermittlern bestätigt, am Auricher Amtsgericht nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
Stefan Büürma, Pressesprecher des Landgerichts Aurich, bestätigt auf Nachfrage, dass die Klage gegen den Rechtsanwalt und dessen Angeklagten eingegangen ist. „Die Angelegenheit liegt der Kammer zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vor“, so der Gerichtssprecher. Wann eine Entscheidung gefällt werde, könne zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Dass die Staatsanwaltschaft die Vergehen vor der Großen Strafkammer angeklagt hat, ist ungewöhnlich. Die Kammer ist erstinstanzlich eigentlich nur für besonders schwere Straftaten und immer dann, wenn mehr als vier Jahre Gefängnisstrafe zu erwarten sind, zuständig. Allerdings gibt es Ausnahmen: „Aus unserer Sicht liegt ein besonders bedeutsames Verfahren vor“, sagt Rogga. Auch in diesem Fall werde Klage am Landgericht erhoben.
Der beschuldigte Anwalt sagt auf Nachfrage der Redaktion: „Die Vorwürfe sind völlig absurd.“ Er habe den Zeugen nicht beeinflusst. Er bestätigt zwar, dass es ein Gespräch zwischen dem 63-Jährigen, ihm und dem Zeugen gegeben habe. „Dabei ging es allerdings nicht darum, Einfluss auf irgendwelche Aussagen zu nehmen, sondern um das Geld, das der Mann verlangt hat“, so der Jurist. Das Gespräch sei zustande gekommen, weil auch der Zeuge einer seiner Mandanten gewesen sei – allerdings in einer anderen Sache. Er habe bei dem Termin lediglich zwischen den beiden Männern vermitteln wollen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass Anklage gegen mich erhoben würde“, sagt der Anwalt. Aufgrund des aktuell hohen Arbeitspensums habe er bisher weder bei der Staatsanwaltschaft noch bei der Polizei Stellung genommen.