Berlin (dpa)

Merz kritisiert Europapolitik von Union und Bundesregierung

| 17.07.2021 17:23 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Friedrich Merz sieht in Brüssel eine „Dynamik“ der Machtkonzentration - und kritisiert die Europapolitik der Bundesregierung. Scharfe Erwiderung kommt postwendend aus der SPD-Bundestagsfraktion.

Der CDU-Politiker Friedrich Merz fordert eine Neuausrichtung der Europapolitik seiner Partei.

Im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ warf Merz der unionsgeführten Bundesregierung eine Reihe von Fehlern vor, darunter die Entscheidung zu Corona-Hilfen der EU und die zentrale Beschaffung von Corona-Impfstoff durch Brüssel.

„Rückblickend war es ein Fehler, den Kauf von Corona-Impfstoffen in vollem Umfang der EU-Kommission zu überlassen“, sagte er. Im Corona-Hilfsfonds sieht Merz einen Schritt hin zu einer „Schuldenunion“. „Mit diesem Fonds wird die Perspektive eröffnet, dass die EU auch in normalen Zeiten eigene Schulden aufnimmt“, warnte er. „Ich sehe das als reale Gefahr.“

Allgemein sieht Merz „eine Dynamik in Brüssel, immer mehr Macht zur EU zu ziehen“. Die meisten Mitgliedstaaten wollten „kein zentralisiertes Europa“, sagte er. Deshalb sei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtig, mit dem es Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank beanstandet und sich damit über den Europäischen Gerichtshof hinweggesetzt hatte.

Die EU-Kommission hat deshalb gegen Deutschland ein Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht eingeleitet. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sei „offensichtlich von den Hardlinern in der Kommission dazu gedrängt worden“, so der frühere Unionsfraktionschef.

Zugleich kritisierte Merz, zu den Versäumnissen der letzten Jahre gehöre auch die „Verweigerung“, mehr mit dem „proeuropäischen“ französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu machen. Außerdem forderte er Mut zu mehr Einigkeit, wo diese nötig sei. „Wir müssen über die Möglichkeit reden, die Außenpolitik der EU durch Mehrheitsentscheidungen zu stärken.“

Einen weiteren Fehler Deutschlands sieht Merz darin, die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ohne europäischen Konsens zu bauen. Durch die Pipeline soll Erdgas aus Russland an der Ukraine vorbei direkt nach Deutschland transportiert werden. Die Frage spalte nun die EU, sagte Merz. Er habe darin nie nur ein wirtschaftliches Projekt gesehen: „In der Energiewirtschaft ist alles auch politisch.“

Aus der SPD-Bundestagsfraktion gab es umgehend Widerworte. Nach Steuer- und Klimapolitik sei die Europapolitik nun das nächste Feld, wo es bei der Union an klarer und glaubwürdiger Orientierung mangele, teilte Fraktionsvize Achim Post mit. „Friedrich Merz stellt mit seinen Äußerungen europapolitische Grundentscheidungen der letzten Jahre in Frage. Das ist keine Petitesse, wenn man seine prägende Rolle im Wahlkampf der CDU bedenkt.“

So habe etwa gerade Deutschland als exportorientiertes Land ein elementares Interesse daran, dass Europa mit dem Wiederaufbaufonds möglichst schnell wieder wirtschaftlich durchstarte, so Post. „Wenn es Armin Laschet mit seiner europafreundlichen Rhetorik ernst ist, dann darf er den europapolitischen Rückwärts-Kurs von Friedrich Merz nicht einfach so kommentarlos hinnehmen.“

© dpa-infocom, dpa:210717-99-419785/2

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