Krankheit

Wegen Krebs keine Haare mehr – aber trotzdem ganz viel Selbstbewusstsein

Gabriele Boschbach
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Von Gabriele Boschbach
| 28.07.2020 19:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Einige Vereine helfen krebskranken Frauen dabei, ihr ramponiertes Körperbewusstsein wiederaufzubauen. Dazu dienen Fotoshootings und spezielle Schminkseminare. Alexandra Zymla hatte sogar den Mut, sich mit ihrem Freund nackt fotografieren zu lassen.

Aurich - Fahle, trockene Haut, kaum Appetit. Haare lösen sich von der Kopfhaut - büschelweise, als Folge der Chemotherapie. Der Krebs ist ein Räuber, dringt in den Körper ein und verändert alles. Von einem Tag auf den anderen. Diese Erfahrung hat auch Alexandra Zymla gemacht. Als sie an einem Tag im März 2013 abends beim Zähneputzen unter den Arm fasste, merkte sie sofort, dass da etwas ist: „Mir ist total schwindlig geworden. Ich dachte, ich müsste sofort im Badezimmer umkippen.“ Am nächsten Tag betätigte ihr Frauenarzt nach dem Ultraschall den Verdacht: Krebs.

Im Laufe der folgenden Behandlung ist die 38-Jährige auf „Nana - Revover your smile“ aufmerksam geworden. Der Verein ist 2012 von einer jungen Frau gegründet worden, die an den Folgen des Ewing-Sarkoms gestorben ist, einer seltenen, bösartigen Form von Knochenkrebs. Das Herzstück der Vereinsarbeit: Jungen, krebskranken Frauen soll durch Fotoshootings ein Stück Selbstbewusstsein zurückgegeben werden.

Fotos mit Glatze

Die Erfahrungen, die Teilnehmerinnen mit den unterschiedlichsten Diagnosen gemacht haben, wurden in dem Buch „Jung.Schön.Krebs“ zusammengefasst. Alexandra Zymla ist darin mit vielen Aufnahmen zu sehen, die sie in schönen, berührenden Szenen zusammen mit ihrem Freund Patrick zeigen. Einige der Fotos sind Aktaufnahmen. Alle Bilder zeigen die heute 45-Jährige mit Glatze.

„Ich habe versucht, offensiv mit der Krankkeit und den Nebenwirkungen umzugehen“, sagt Alexandra Zymla in Aurich im Gespräch mit der Ostfriesen-Zeitung. Die Neusserin hat Mitte Juli ein paar Tage Urlaub in Greetsiel verbracht und bei der Gelegenheit Dorothea Seitz, eine der Autorinnen des Buches „Jung.Schön.Krebs“, in Aurich besucht. Sie habe immer mehr gelernt, sich nicht zu verstecken. So habe sie etwa im Dirndl und mit Glatze das Oktoberfest besucht. Der ein oder andere Blick habe sie gestreift, eine Frau habe sie sogar angesprochen und ihr ein Kompliment gemacht. „Sie sehen gut aus“, habe sie gesagt.

Sehr viel Kuscheln

Insgesamt habe sie Glück gehabt: Der Tumor habe brusterhaltend entfernt werden können, und zwar mit Hilfe einer damals ganz neuen Methode, bei der nur eine kleine Narbe zurückblieb. Dadurch sei die Frage, ob ihr Freund Patrick sie noch attraktiv finden würde, nie so richtig aufgekommen. Es habe sich sogar bedingt durch die Erkrankung ein positiver Effekt ergeben: eine neu entdeckte Körperlichkeit mit sehr viel Kuscheln und einem noch intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten.

Die Shootings zum Buch haben bei Alexandra Zymla nach eigenen Aussagen viele positive Erkenntnisse hervorgebracht. „Sie haben mir das Selbstvertrauen gegeben mich mit Glatze in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich bin mit Mütze hingeflogen und mit Glatze wieder nach Hause gekommen“, sagt sie. Wichtig seien auch die Begegnung mit den anderen Akteurinnen gewesen. Für die Shooting sei sie von Profis geschminkt worden, später habe sie auch Kurz-Lehrgänge besucht, um bestimmte Make-up-Techniken anwenden zu können.

Nebenwirkungen kaschieren

Schminkkurse für Krebskranke werden auch von der in Köln ansässigen Organisation DKMS life angeboten. „Regulär sind wird in 320 Kliniken und medizinischen Einrichtungen vertreten“, sagte Pressesprecherin Johanna Koenen. Wegen der Corona-Pandemie arbeite man allerdings derzeit an einer Online-Version, die voraussichtlich Anfang August verfügbar sei. Die Kurs-Leiterin gebe den Teilnehmerinnen Tipps, wie Nebenwirkungen der Chemotherapie zu kaschieren seien. Außer den Haaren verlören viele Patienten ihre Augenbrauen und Wimpern. Auch die Haut verändere sich, werde pergamentartig und bedürfe spezieller Pflege. Die Teilnahme an den Kursen sei kostenfrei. Wer online teilnehmen wolle, könne sich unter www.dkmslife.de anmelden.

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