Washington (dpa)

Amnesty fordert Biden zur Schließung von Guantánamo auf

| 08.01.2022 05:44 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Demonstranten fordern während des Nato-Gipfels in Brüssel im Juni 2021 die Schließung des US-Gefangenenlagers in Guantánamo. Foto: Valentin Bianchi/AP/dpa
Demonstranten fordern während des Nato-Gipfels in Brüssel im Juni 2021 die Schließung des US-Gefangenenlagers in Guantánamo. Foto: Valentin Bianchi/AP/dpa
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Guantánamo symbolisiert für Kritiker, wie die USA im Anti-Terror-Krieg rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen haben. US-Präsident Biden hat zum Ziel erklärt, das Gefangenenlager zu schließen.

20 Jahre nach Eröffnung des US-Gefangenenlagers Guantánamo fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International US-Präsident Joe Biden zur Schließung der umstrittenen Einrichtung auf.

„Das Lager stellt ein Synonym für Willkür, Ungerechtigkeit und Folter dar. Das System Guantánamo ist nicht zu reparieren“, sagte der USA-Experte von Amnesty in Deutschland, Sumit Bhattacharyya, der Deutschen Presse-Agentur in Washington. „Das Lager selber muss geschlossen werden und Menschen, die an Folter oder an anderen illegalen Aktionen beteiligt waren, müssen vor Gericht gestellt werden. Die müssen sich für ihre Taten verantworten.“

Proteste in mehreren Städten

Anlässlich des bevorstehenden 20. Jahrestags des Lagers sind Aktionen von Amnesty in mehreren Ländern geplant. In Deutschland kam es am Samstag nach Amnesty-Angaben in Berlin, Bremen, Leipzig, Dresden, Chemnitz und Halle zu Protesten.

Die ersten Gefangenen waren am 11. Januar 2002 in das Camp auf Kuba gebracht worden, das in einem US-Militärstützpunkt liegt. Amnesty wirft den USA vor, „kontinuierlich und systematisch“ Menschenrechte in dem Lager verletzt zu haben. Die Organisation fordert, dass die noch verbliebenen 39 Gefangenen „ein faires, rechtsstaatliches Verfahren vor zivilen Gerichten“ erhalten müssten. Sollten keine Beweise für Taten vorgelegt werden können, müssten sie freigelassen werden.

Insgesamt waren fast 800 Menschen zeitweise in dem Lager auf Kuba inhaftiert. Es war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush errichtet worden, um mutmaßliche islamistische Terroristen ohne Prozess festzuhalten. Bushs Nachfolger, der Demokrat Barack Obama, wollte es schließen, scheiterte aber am Widerstand im US-Kongress. Der Republikaner Donald Trump wiederum wollte das Lager weiter offen halten. Biden - der einst Obamas Vizepräsident war - hat als Ziel die Schließung ausgegeben. Er hat nach Angaben seiner Regierung eine „umfassende Überprüfung“ des Gefangenenlagers eingeleitet.

„Schandfleck der US-Geschichte“

„Dass dieses Lager keinen internationalen Standards entspricht, ist seit zwei Jahrzehnten bekannt“, sagte Bhattacharyya zur Überprüfung. Der Experte fügte mit Blick auf die US-Kongresswahlen in diesem Jahr hinzu: „Es wäre sehr zu wünschen, dass Biden vor der nächsten Wahl im November ernst macht und endlich das Lager schließt, damit dieser Schandfleck der US-amerikanischen Geschichte endlich getilgt ist.“ Bidens bisherige Bemühungen dafür seien allerdings „eher halbherzig“.

Ein Engagement der neuen Bundesregierung für die Schließung Guantánamos wäre „begrüßenswert“, sagte Bhattacharyya. „Die Bundesregierung könnte natürlich die US-amerikanische Regierung darauf hinweisen, dass das Lager unrechtmäßig ist. Man könnte eventuell auch - falls die US-Amerikaner das wollen - Menschen aufnehmen, die aus dem Lager kommen, die erwiesenermaßen unschuldig sind, damit zumindest an der Stelle der Gordische Knoten gelöst wird.“ Die USA hatten in der Vergangenheit Schwierigkeiten, Aufnahmeländer für freigelassene Häftlinge aus Guantánamo zu finden.

Prinzip der Rechtsstaatlichkeit aufgegeben

Bhattacharyya sagte, von Guantánamo sei von vornherein ein verheerendes Signal ausgegangen. „Das Lager Guantanamo hat in die Welt das Signal geschickt, dass Staaten, die sich wie die USA selbst als Vorkämpferinnen für Menschenrechte sehen, in bestimmten Situationen bereit sind, grundlegende Prinzipien wie das der Rechtsstaatlichkeit aufzugeben. Ein viel stärkeres Zeichen wäre gewesen zu sagen: Die USA begegnen schweren Verbrechen wie den Anschlägen vom 11. September mit rechtsstaatlichen Standards. Und wir rücken von diesem Prinzip auch nicht ab.“

© dpa-infocom, dpa:220108-99-631853/5

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