Was Sie heute wissen müssen

Rekord, Rekord | Anstieg der Armut | Wagemutiger Schwimmer

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 24.01.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

So trübe wie das Wetter am vergangenen Wochenende, so trübe sind auch die Corona-Zahlen in Ostfriesland. Allein im Landkreis Aurich wurden am Sonntag über 1000 aktuell Infizierte gezählt. Das ist ein Rekord, die Inzidenz beträgt 426. Noch deutlich höher ist mit 613, dem bisherigen Allzeit-Hoch, die Inzidenz in der Stadt Emden, wie Kristina Groeneveld schreibt, die die Zahlen zusammengetragen hat.

Je näher die Bundestags-Diskussionen um eine Impfpflicht rücken, desto schärfer wird die Debatte. Einer der prominentesten Gegner der von Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) geforderten Impfpflicht ist Reinhard Berner. Der Dresdner Kinderklinikdirektor ist Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. „Der Effekt wäre nach meiner Einschätzung begrenzt, man erreicht die Bequemen und die Zauderer, aber überzeugt nicht die Gegner. Auch die Umsetzung wäre extrem schwierig; die Debatten darüber beginnen ja bereits. Dafür würden die hitzigen Diskussionen in Familien, Freundeskreisen oder Belegschaften noch weiter verschärft“, sagt er im Interview mit unserem Berliner Korrespondenten Tobias Schmidt.

Gegen eine Impfpflicht richtet sich auch der Offene Brief, der 575 Mediziner aus dem gesamten Bundesgebiet unterzeichnet haben und der von dem Wittmunder Zahnarzt Dr. Stephan Gebelein initiiert wurde. Nach einer Art Schneeballsystem kamen die Unterschriften zusammen. Und ähnlich wie bei den Impfskeptiker-Demonstrationen finden sich hier besorgte Mediziner neben ausgewiesenen Querdenkern und AfD-Leuten. Daran ändert auch der letzte Satz der Erklärung nichts: „Die Unterzeichner sind keine Impfgegner und distanzieren sich von radikalem Gedankengut.“ Andreas Ellinger hat den Brief bekommen und nachrecherchiert und eine ganze Reihe von Unterzeichnern gefunden, die nicht zu den Initiatoren der Aktion passen und das durchaus ehrenwerte Ansinnen diskreditieren.

Eine Art Impfpflicht gilt ab 15. März für alle Beschäftigten im medizinischen Bereich. Ärzte, Pflegekräfte und sonstige Mitarbeiter müssen von ihren Arbeitgebern gemeldet werden. Dann sollen die Gesundheitsämter Informationsgespräche mit ihnen führen – und im Einzelfall entscheiden, wer ein Praxis-Betretungsverbot und damit ein Berufsverbot bekomme und wer nicht. Das beträfe dann auch den ungeimpften Wittmunder Zahnarzt Dr. Gebelein, Initiator des Offenen Briefs. Ob er sich impfen ließe, falls er sonst seine Praxis schließen muss, hat ihn Andreas Ellinger gefragt. „Ich weiß es nicht, ob ich die Existenz dafür aufs Spiel setze“, antwortete Gebelein. Im Landkreis Bautzen, ganz im sächsischen Osten, wird in der Debatte mit gezinkten Karten gespielt. Im Stellenmarkt finden sich über 100 Stellengesuche von angeblichen Pflegekräften und medizinischen Mitarbeitern, die als Ungeimpfte neue Jobs haben möchten. Angeblich. Denn, wie Andreas Rausch, ein Reporter des RBB, durch einfaches Nachtelefonieren herausgefunden hat, sind die Anzeigen ziemlich plump gefälscht. Interessant, dass gerade die, die seriöse Medienberichterstattung als angebliche Fake-News ablehnen, eben solche produzieren.

„Schluss mit dem Maßnahmen-Wahnsinn“ forderte Samstag per Transparent ein Teilnehmer des Coronaskeptiker-Spaziergangs in Emden. Rund 300 Menschen hatten sich dort getroffen und zogen, begleitet von Staatsschutz und Polizei, durch die Innenstadt. Gordon Päschel war dabei. Auch in Rhauderfehn demonstrierten gestern wieder „Spaziergänger“ bei einer nicht angemeldeten Demo. Die Polizei sorgte dafür, dass Abstandsregeln und Maskenpflicht eingehalten wurden. Reporterin Astrid Fertig, die mit Teilnehmern sprechen wollte, blitzte bei den meisten ab. „Ich spreche grundsätzlich nicht mit der Lügenpresse“, sagte ihr einer. Laut Polizei verlief die Demo „friedlich, harmonisch und störungsfrei“.

Alarm schlägt auch Stefanie Holle, Geschäftsführerin des Caritasverbands Ostfriesland - aber nicht wegen Corona. Die Expertin weist im Gespräch mit Gordon Päschel darauf hin, dass in Ostfriesland immer mehr Menschen abgehängt würden – finanziell, aber vor allem auch sozial. Bestätigung für ihre These findet sie in einem sprunghaften Anstieg des Beratungsbedarfs. Holle warnt davor, die wachsenden Probleme zu ignorieren. „Wir erleben in allen Feldern einen Anstieg der Armut. Wir dürfen nicht nur auf die Tafel gucken.“ Sie spricht von Menschen, die mit der „normalen Lebensführung“ überfordert seien. Es gehe um einfache Aufgaben wie Konto- und Haushaltsführung, Erziehung, Hygiene oder den Umgang mit Behörden. Holle fasst es unter „lebenspraktische Dinge“ zusammen. Eine der Ursachen sei, so die Caritas-Chefin, dass sich die Familien immer mehr auflösten.

Nur wenige Kilometer westlich von Emden, jenseits der Außenems, liegt die Stadt Delfzijl. Die beiden Kommunen trennt aber mehr als nur die paar Kilometer. Delfzijl ist so was wie die „Dreckschleuder“ der nördlichen Niederlande. Dort ballt sich Schwerindustrie, dank des Westwindes werden deren Abgase nach Ostfriesland geweht und auch über das Weltnaturerbe Wattenmeer. Aufmerksam beobachtet seit 2008 die Bürgerinitiative (BI) Saubere Luft Ostfriesland das Treiben jenseits der Grenze und war mit der ein oder anderen Klage in Den Haag schon erfolgreich. Gordon Päschel hat sich gestern mit den Vorstandsmitgliedern Dr. Sandra Koch und Bernd Meyerer unterhalten und sie unter anderem nach den Motiven ihres Engagements befragt. „Die unsichtbare Gefahr von nebenan“, ist sein Artikel überschrieben.

Zum Schluss noch mal etwas zum Staunen. Maren Stritzke hat sich mit Marc Philipp Kraus aus Schortens unterhalten. Der 45-Jährige will in ein paar Monaten den Ärmelkanal durchschwimmen. Wie sich der durchaus wohlproportionierte gelernte Rettungsschwimmer darauf vorbereitet und warum er diese Strapaze auf sich nimmt, lesen Sie hier.

Was heute wichtig wird:

  • Der Vorgarten ist die Visitenkarte des Hauses. Leider herrscht dort oft Langeweile: ein Platz fürs Auto, für Fahrräder oder die Mülltonnen. Wie die Frontseite mit einer Bepflanzung ansehnlich gestaltet werden kann, lässt sich Karin Lüppen von einer Gartenplanerin erklären.
  • Nach den Missbrauchs-Vorfällen in der Weeneraner Lebenshilfe-Kita, berichtet Vera Vogt, was solche Vorfälle in Kindern auslösen können und wie Eltern bemerken können, dass da etwas nicht stimmt.
  • In Leer gibt es seit einiger Zeit einen Co-Working-Space, also gut ausgestattete Büroräume, die angemietet werden können. Wer arbeitet da eigentlich? Wie geht das in Zeiten von Corona? Reporterin Nikola Nording hat nachgefragt.
  • Der Tourismus an der Nordseeküste wird neu geordnet, der bisherige Flickenteppich verschiedener Organisationen soll endlich durch einen neuen, einheitlichen Läufer ersetzt werden. „Die Konkurrenz schläft nicht“, schreibt Imke Oltmanns.
  • Sein Weggang hatte die Marcardsmoorer Gläubigen auf die Palme gebracht. Dann aber ist Pastor Martin Kaminski zurückgekehrt, auf eine halbe Stelle. Nun hat er sich einen Zweitjob gesucht: Er wird Busfahrer. Ole Cordsen berichtet.
  • Der Emder Klub zum guten Endzweck ist legendär. Mehr als 25 Jahre hat Volker Lange als Pächter dort gut betuchte Kreise verwöhnt. Jetzt wechselt der Pächter. Und nun? Was passiert mit dem „Klub“? Und wo zieht es Lange hin? Gordon Päschel kennt die Antworten.
  • Im Krummhörner Rat gibt es nach der Kommunalwahl viele neue Gesichter. Michael Hillebrand stellt zwei von davon vor, die maximal unterschiedlich sind: Er hat mit dem jüngsten und dem ältesten Ratsmitglied gesprochen.
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