Was Sie heute wissen müssen

Wie man zum Experten wird | Wie man richtig einkauft | Wie man aus dem Gefängnis frei kommt

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 16.03.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

In den vergangenen knapp drei Wochen wurde ich zum „Experten“ für Russland und die Ukraine, Mariupol und Donbass, Nato-Osterweiterung und Russlands Syrien-Krieg. Ich höre als ehemaliger Kriegsdienst-Verweigerer täglich den NDR-Podcast „Streitkräfte und Strategien“ (so selbstverständlich wie zuvor den Drosten-Corona-Podcast) und demnächst lerne ich auch noch Russisch, weil ich Putins Reden im Original verstehen will. Und morgens lasse ich mir von staatstragend dreinschauenden Welt-TV-Moderatoren das Elend der Bombardements in Kiew zeigen. Bin ich verrückt geworden? Auch wenn inzwischen offiziell von „Doomscrolling“ (exzessives Konsumieren negativer Nachrichten im Internet) als Volkskrankheit die Rede ist, fällt mir das morgendliche Aufstehen nicht schwer. Und ich gehe auch gerne zur Arbeit. Der Krieg in Europa und das Sterben in der Ukraine sind für mich weiterhin unfassbar - auch wenn ich genau weiß, dass wahr ist, was ich sehe (jedenfalls das Meiste).

Umso mehr fasziniert mich, wie meine russische TV-Kollegin Marina Owssjannikowa vorgestern in der Hauptnachrichtensendung des russischen Fernsehens die Propagandashow Putins entlarvte. Erst fragte ich mich, ob die Frau verrückt ist. Nachdem sie nun zu 226 Euro Geldstrafe (und nicht zu 15 Jahren Gefängnis) verurteilt wurde, ist klar: Putin ist angeschlagen, er kann nicht mehr machen, was er will. Und das weltweite, millionenfache Echo der Aktion von Owssjannikowa schützt die Journalistin vor der Ermordung. Denn nichts hasst Putin so sehr wie den Verrat. Wenn Sie mehr wissen wollen zu dieser Aktion oder auch über die mutige Reise der Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien, die gestern Abend nach stundenlanger Zugfahrt in Kiew eintrafen, möchte ich Ihnen unseren Liveblog ans Herz legen. Was die Nachrichtenredaktion der NOZ da brandaktuell berichtet, ist wirklich gut.

Großartig war auch, was unser Emder Lokalreporter Claus Hock und Videojournalistin Jasmin Keller (OTV) von ihrer knapp einwöchigen Recherchereise an die polnisch-ukrainische Grenze mitbrachten. Vor Ort bestückten sie einen Liveblog und schickten etliche Geschichten. Gestern dann brachten sie ein Stück, in dem sie beschrieben, welch illustre Mischung die Flüchtlingshelfer darstellen und welch großen Einsatz sie leisten.

Aber auch vor Ort ist das Engagement groß. Bis gestern Morgen waren 205.000 Euro auf den Spendenkonten unserer Aktion „Ein Herz für Ostfriesland“ eingegangen (hier geht es zur Spende per Paypal). Das Geld wird dringend gebraucht werden, wenn die Flüchtlingswelle so richtig läuft. Genaue Zahlen, wie viele Ukrainer inzwischen in Ostfriesland sind, gibt es nicht, weil viele Menschen von privaten Unterstützern hierher gebracht wurden und noch gar nicht behördlich erfasst sind. Der Landkreis Aurich bittet nun darum, die Geflüchteten zuerst in die zentrale Anlaufstelle nach Hannover zu bringen, damit sie die ihnen zustehenden Hilfen auch bekommen können.

Und auch das ist ein lobenswertes Engagement: In mehr als 450 Kinos in Deutschland wird am Sonntag der Dokumentarfilm „Klitschko“ gezeigt. Sämtliche Eintrittsgelder werden für Kinderhilfsprojekte in der Ukraine gespendet. Auch die Kinos in Emden, Aurich, Leer und Papenburg beteiligen sich.

Gestern schrieb mich ein OZ-Leser an, der angesichts von Fotos leerer Supermarkt-Regale und Sorgen von Spediteuren, die den Zusammenbruch der Lieferketten fürchteten, darum bat, dass wir keine Panik schüren. Ich schrieb zurück, dass die Sorgen leider ganz real sind. Beim Heizöl zum Beispiel, dessen Preis sich verdoppelt hat, registrieren die Händler Panikkäufe, wie Michael Kierstein aus Leer berichtet. Und auch Lebensmittelhändler beschwören die Verbraucher, jetzt keine Hamsterkäufe zum Beispiel von Speiseöl zu tätigen. Lidl zum Beispiel betont: „Die Warenversorgung in den Filialen unserer Handelssparten ist grundsätzlich sichergestellt. Lediglich bei einzelnen Produkten kann es zu Lieferverzögerungen kommen.“ Doch stünden genügend Alternativen zur Verfügung.

Juristischen Ärger hat - wieder einmal - Reporter Daniel Noglik. Naja, nicht er selber, vielmehr ärgert er sich über die Justiz. Genauer über das Landgericht Osnabrück, das einen ostfriesischen Berufsbetrüger, der selbst als Freigänger noch Straftaten verübte, vorzeitig aus dem Gefängnis in Meppen freiließ. Gegen den Willen der Gefängnisleitung und der Staatsanwaltschaft. Ein ungewöhnlicher Fall, der einen Mann betrifft, der in Ostfriesland schon mehrmals für Schlagzeilen sorgte. Über die Motive der Freilassung will das Gericht nichts sagen - und muss es wohl auch nicht. Ein interessanter Konflikt, wie ich finde.

Heute tritt für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine Impfpflicht gegen Corona in Kraft. Eine Entscheidung, die, wie ich finde, viel sinnvoller ist, als eine kaum durchzusetzende allgemeine Impfpflicht. Aber auch hier ist der Vollzug nicht einfach, sind die Behörden auf Meldungen der Arbeitgeber angewiesen. Ob die wirklich den Verlust von Mitarbeitern riskieren, wie hoch die Impfquote in den ostfriesischen Kliniken ist und was die Gesundheitsämter zu Kontrollen sagen, fasst - ebenfalls - Daniel Noglik zusammen.

Was heute wichtig wird:

  • Der Leeraner Ausschuss für Energie, Klima, Umwelt und Verkehr hat sich am Dienstag mit dem Thema der Donnerzüge beschäftigt. Die Grünen hatten einen Antrag gestellt, dass die Stadt ein Gutachten bezahlen soll. Katja Mielcarek war bei der Sitzung dabei und berichtet.
  • Die Schausteller blicken auf zwei harte Jahre zurück. Die Pandemie hat ihnen die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Nun fassen sie wieder Hoffnung. Viele Märkte und Feste können endlich wieder stattfinden. Michael Kierstein berichtet.
  • Ministerpräsident Stephan Weil und Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies informieren sich über die Sturmflutfolgen auf Wangerooge und Langeoog. Imke Oltmanns fragt nach, welche Möglichkeiten es für die Inseln gibt, die Schäden zu beheben.
  • 60 Jahre Schöpfwerk Leybuchtpolder: Nach dem Ersten Weltkrieg holten sich die Menschen mit einem Deich das Land wieder, das ihnen die Flut 1374/75 genommen hatte. Erst als das Schöpfwerk 1962 fertiggestellt wurde, waren die Menschen sicher. Nicole Böning stellt es vor.
  • Julia Lüder hat in Emden schwere Aufgaben vor sich. Sie ist die neue Innenstadt-Koordinatorin und will die Attraktivität des Delfts wie der Flaniermeilen vorantreiben. Welche konkreten Pläne hat sie? Und: Wer ist Julia Lüder eigentlich? Mona Hanssen spricht mit ihr.
  • Dem AWO-Ortsverein Pewsum schwinden die Mitglieder. Andere Ortsvereine in der Krummhörn haben sich bereits aufgelöst. Ist das ein generelles Problem von Sozialverbänden? Was sind ihre Aufgaben? Michael Hillebrand hat nachgefragt.
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