Was Sie heute wissen müssen

Hells-Angels-Wiesmoor-Connection | Karlis Pleite - Gittas Triumph | Aquademiker, Beruf mit Zukunft

Joachim Braun
|
Eine Kolumne von Joachim Braun
| 08.04.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Artikel hören:
Artikel teilen:

Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Kennen Sie Wiesmoor? Klar kennen Sie Wiesmoor: Kleine Stadt im Zentrum Ostfrieslands, aufstrebend, attraktiv für Familien, viele nette Geschäfte, Schulstandort. Und jetzt kommt noch ein weiteres Attribut dazu: Schaltzentrale der kriminellen und in Teilen Deutschlands verbotenen Motorrad-Rocker Hells Angels. Über ein verzweigtes Firmenkonstrukt wird zum Beispiel ein Bordell in Bremen betrieben, aber auch Shishabars, ein Hotel, Dönerläden und anderes mehr. Daniel Noglik hat dieses Konstrukt aufgedeckt, das laut einem Schwarzgeldexperten lehrbuchhaft dafür ist, wie man illegales Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückführen kann. Der Pate im Hintergrund all dieser Aktivitäten steht nach Ermittlungen der Bremer Wirtschaftsbehörden der unter anderem wegen Menschenhandels verurteilte ehemalige Bremer Hells-Angels-Chef Andree P.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen in Wiesmoor steht der wegen Wirtschaftsdelikten vorbestrafte Christian Rademacher-Jelten, der vorigen Herbst trotz laufenden Strafprozesses sogar als Bürgermeister-Kandidat angetreten war. Auslöser der Recherchen waren die vergangene Woche bekanntgewordenen Ermittlungen gegen eine 31-jährige Wiesmoorerin, die Geschäftsführerin einer Firma ist, die über eine Million Euro für nicht geleistete Corona-Tests abgerechnet hatte und aufflog. Inzwischen ist klar, die junge Frau ist „Strohfrau“, es geht um weit mehr als den Test-Betrug. Beteiligt waren aber auch drei Fußballer, zwei aus Wiesmoor, einer aus Aurich, die sich, offenbar gelockt von Geld und schönen Autos, hinreißen ließen, als Geschäftsführer und Gesellschafter in dem Firmenkonstrukt tätig zu sein - und damit als Betreiber des Bremer Bordells.

Kommen wir zum bundespolitischen Thema Nummer 1, dem Scheitern von Karl Lauterbach und Olaf Scholz gestern bei der Impfpflicht. Persönlich glaube ich, dass eine Impfpflicht angesichts der bürokratischen Lücken nicht funktionieren würde und deshalb unsinnig ist. Auch müssen wir uns fragen, ob es angesichts einer bisher nicht vorhandenen neuen, möglicherweise gefährlichen Virus-Variante angemessen ist, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auszuhebeln. Aber die Art und Weise, wie die Debatte und die Abstimmung im Bundestag liefen, ärgert mich dann doch. Die Union macht einen auf dicke Lippe und schießt den Entwurf aus der Regierungskoalition nur deshalb ab, weil sie in der Opposition ist. Gutes Beispiel ist unsere Abgeordnete Gitta Connemann. Jede Wette, dass sie anders argumentiert und abgestimmt hätte, wenn ihre Partei nicht die Bundestagswahl verloren hätte. Aber so ist Politik - leider. Martin Alberts hat sich mit den ostfriesischen Abgeordneten unterhalten.

Das „Karli-Gefühl“ mag auch Aurichs Bürgermeister Horst Feddermann gestern gehabt haben. In einer Sondersitzung des Stadtrats zeigte ihm gestern eine knappe Mehrheit eine lange Nase und setzte entgegen der Verwaltungs-Empfehlung durch, das Mach-mit-Museum und die Kunstschule Miraculum wie lange geplant in ein Gebäude an der Osterstraße umziehen werden. Die Verwaltung hatte wegen unkalkulierbarer Kosten gewarnt, die betroffenen Institutionen hatten den Untergang des Abendlands für Aurich vorausgesagt, und Grünen-Fraktionschefin Gila Altmann leistete Beihilfe: „Es geht darum, wie viel Wert wir unserer kommenden Generation beimessen wollen.“ Langfristig gedacht ist die Entscheidung sicher richtig.

Vorgestern im Supermarkt sah ich, wovon ich vorher gelesen hatte - und war trotzdem erstaunt und irritiert: Da wo sonst Speiseöle verkauft werden, gab’s nur noch Olivenöl (wächst ja in der Ukraine nicht) und den Hinweis „Nur eine Flasche pro Käufer“. Echt jetzt? Ist Öl das neue Klopapier? Ja, ist es, und darum hat Stephanie Tomé mal nachgefragt, welche Alternativen es zu Sonnenblumenöl gibt, das überwiegend aus der Ukraine kommt. Antwort: Rapsöl (das war allerdings auch ausverkauft). Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, wie sie hier lesen können.

Auch Mehl ist seit Kriegsbeginn in der Ukraine ziemlich begehrt. Gabriele Boschbach war zu einer Recherche bei dem Auricher Müllermeister Heiko Vosberg und schaute dem Handwerker bei seiner Arbeit über die Schulter. Vosberg berichtete ihr von der großen Nachfrage nach Mehl. Ein Pizzabäcker kaufte aus Furcht vor einem Engpass gleich 1000 Kilogramm ein. Hoffen wir mal, dass der Pizzabäcker das Mehl gut lagern kann, ansonsten freuen sich Mehlwürmer und -motten.

Acht Euro kosteten neulich beim Fischhändler meines Vertrauens das heimische Krabbenfleisch. Boah, dachte ich mir, schneller steigen ja nur die Preise für Zeitungspapier. Natürlich weiß ich, dass die meisten ostfriesischen Krabbenfischer gerade nicht rausfahren, weil der Sprit zu teuer ist. Das Land Niedersachsen hat den Fischern nun Hilfe zugesagt. Bis zu 35.000 Euro soll es geben. Die Fischer stecken in der Zwickmühle, denn auch das schlechte Wetter macht ihnen gerade zu schaffen. Die Hilfen sind zugesagt, kompliziert ist es trotzdem (das kennen wir ja aus Corona-Zeiten). Immerhin heißt es, das Ministerium setze „sich dafür ein, dass diese Hilfen so zeitnah wie möglich angeboten werden“. Michael Hillebrand und Claus Hock berichten.

Früher hießen Raumpflegerinnen noch Putzfrauen, künftig heißen Bademeister Aquademiker. Zugegeben, das klingt viel besser. Weil es akuten Fachkräftemangel gibt, haben sich nun Wiesmoor und Großefehn mit Apen (Landkreis Ammerland) und Barßel (Landkreis Cloppenburg) zusammengetan, um gemeinsam Aquademiker auszubilden. Die Vorteile liegen in der Vielfalt: „Zu unserem Verbund gehören zwei Frei- und zwei Hallenbäder. Dazu gehören jeweils unterschiedliche Pumpen und unterschiedliche Formen der Wasseraufbereitung. Wenn man drei Jahre Ausbildung in einem großen Bad macht, kennt man genau ein System, bei uns mehrere“, sagt Jens Erdwiens, Fachbereichsleiter bei der Gemeinde Großefehn. Wer darin seine Zukunft sieht, auch der Name der Bewerbungsseite, ist anregend: www.wellenreiter-azubi.de.

Das Wochenende steht bevor, das Wetter soll wechselhaft werden, mit schönen Phasen. Vielleicht wollen sie ja mal in Emden spazieren gehen. Lachen Sie nicht, das lohnt sich. Mona Hanssen hat ein paar der schönsten Parks und Grünanlagen der Stadt herausgesucht und stellt auch deren ökologischen Wert für Mensch und Umwelt vor. Eine Empfehlung!

Was heute wichtig wird:

  • Der Bundesjustizminister möchte Menschen mit extremistischer Gesinnung den Zugang zum Schöffen-Amt verwehren. Wie groß ist die Gefahr, von Nazis und Islamisten verurteilt zu werden? Tobias Rümmele hat nachgefragt.
  • Die Polizeiinspektion Leer/Emden veröffentlicht an diesem Freitag die Verkehrsunfallstatistik für das vergangene Jahr. Vera Vogt wird sich das Zahlenwerk anschauen und die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen.
  • Der Landkreis Aurich will sämtliche Kindertagesstätten von den Städten und Gemeinden übernehmen. Das Thema hat heiße Diskussionen ausgelöst. Eltern und Kita-Beschäftigte sind verunsichert. Heute äußert sich die Kreisverwaltung. Marion Luppen ist dabei.
  • Vor neun Monaten hatte Gabriele Boschbach über die heruntergekommene Kirchdorfer Straße in Aurich berichtet. Mittlerweile ist ein Veränderungsruck durch die Straße gegangen. Brandruinen wurden abgerissen, neue Händler haben sich angesiedelt. Ein Stimmungsbild.
  • Zwei schwimmende Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) sollen nach Wilhelmshaven kommen. Aber noch fehlen Leitungen, um das dort anlandende Gas ins Gasnetzwerk einzuspeisen. Die Pläne werden heute vorgestellt. Imke Oltmanns berichtet.
  • Viel Sonne und wenig Regen: Das klingt nach einem bilderbuchhaften Frühling. Ganz so freundlich war es im März dann aber doch nicht, wie die Daten der Wetterstation am Emder Flugplatz verraten. Stephanie Tomé fasst sie zusammen.
  • In den Haushaltsreden im Emder Rat sprachen zwei Fraktionen die geplante Zentralklinik an. Für ihre Beiträge bekamen sie deutlich Gegenwind von den anderen Gruppen. Mona Hanssen und Stephanie Tomé berichten.
Ähnliche Artikel