Aurich

Mit dem gefüllten Bulli in Richtung Ukraine

Heino Hermanns Karin Böhmer
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Von Heino Hermanns und Karin Böhmer
| 21.04.2022 21:17 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Flohkisten-Leiterin Jessica Rohlfs (von links) und Waltraud Bahl verluden am Donnerstag viele Kilogramm Spenden in den Transporter von Marion Oldenburger, die an diesem Wochenende an die polnisch-ukrainische Grenze fährt. Foto: Karin Böhmer
Flohkisten-Leiterin Jessica Rohlfs (von links) und Waltraud Bahl verluden am Donnerstag viele Kilogramm Spenden in den Transporter von Marion Oldenburger, die an diesem Wochenende an die polnisch-ukrainische Grenze fährt. Foto: Karin Böhmer
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Waltraud Bahl spendet mit Unterstützung von „Ein Herz für Ostfriesland“ mit ihrem Twee-Pott-Huus für die Ukraine. Einen Transporter hat sie allein gefüllt. Vor allem ein Medikament sei nun wichtig.

Aurich - Eigentlich sammelt das Twee-Pott-Huus unter dem Auricher Lambertiturm Spenden für schwerstkranke Kinder aus der Region. Chefin Waltraud Bahl führt neben dem, was in der Spendendose landet, auch einen Betrag pro Mahlzeit an das Spendenprojekt ab.

Kranken Kindern helfen will sie weiterhin, aber jetzt sammelt Bahl vor allem für das Kinderkrankenhaus in der kleinen Stadt Dubno in der Ukraine. Dubno liegt zwischen Lwiw und Kiew. Ihre Freundin Marion Oldenburger aus Ihlow ist bereits zweimal an die Grenze zur Ukraine gefahren. Nun fahre Oldenburger ein drittes Mal. Karfreitag habe sie sich dann entschlossen, tatkräftig mitzuhelfen, sagte Bahl.

„Pille danach“ wird nach Mariupol gebracht

Da momentan vom Twee-Pott-Huus kein Kind unterstützt werde, habe sie rund 900 Euro an Spenden zur Verfügung. „Erfreulicherweise gibt es in Aurich derzeit kein schwer krebskrankes Kind, dem wir einen Herzenswunsch erfüllen könnten“, so Bahl. Also seien ihre Gedanken bei den Kindern in der Ukraine. Hilfe bekommt sie von Jens Coordes (E-Center Parkkauf). Am Donnerstag hat Bahl dort einen Großeinkauf gemacht und zudem Pflaster und Babynahrung in einer Drogerie besorgt.

Dies ist nur ein Teil der Spenden, die Waltraud Bahl besorgt hat. Die 25-Kilogramm-Säcke Nudeln, die Drogerieartikel, die Medikamente und die Spenden der Kita-Eltern fehlen noch. Foto: Karin Böhmer
Dies ist nur ein Teil der Spenden, die Waltraud Bahl besorgt hat. Die 25-Kilogramm-Säcke Nudeln, die Drogerieartikel, die Medikamente und die Spenden der Kita-Eltern fehlen noch. Foto: Karin Böhmer

Die Eltern und Mitarbeiter von Bahls Kindergarten Flohkiste in Moordorf haben ebenfalls einen Kofferraum voll Spenden gesammelt. Und Bahl legt selbst Geld drauf. Ihr sei wichtig, dass medizinisches Material zu den Menschen in Not gelange, sagt sie. Sie hat deshalb bei einer Apotheke in Moordorf Fieberzäpfchen, fiebersenkenden Saft und zudem 50-mal die „Pille danach“ bestellt. Dies hat sie auf Anregung von Marion Oldenburger getan. Seit immer mehr von Vergewaltigungen durch russische Soldaten bekannt wird, hat Oldenburger möglichst viele Pillen aufgetrieben, die Frauen nach einer Vergewaltigung einnehmen können, um wenigstens eine Schwangerschaft zu verhindern. „Das ist so schrecklich“, sagt Bahl und schüttelt sich.

Babynahrung, Wasser und Medikamente

Laut Oldenburger werden diese rezeptfrei erhältlichen Medikamente, die 72 bis 120 Stunden nach einer Vergewaltigung eingenommen werden müssten, über Verbindungspersonen direkt in die Gegend bei Mariupol gebracht. Beipackzettel auf Ukrainisch und Russisch sind bereits ausgedruckt. Die Stadt in der Oblast Donezk ist gerade besonders schweren russischen Angriffen ausgesetzt und gilt als von den Russen eingenommen.

Insgesamt hat Bahl 2000 bis 2500 Euro ausgegeben, um einen Bulli des Transports zu füllen. Benötigt werden vor allem Hygieneartikel, Babynahrung im Gläschen oder als Pulver, Windeln und Medikamente, sagt sie. Auch Taschenlampen samt Batterien oder Großpackungen Nudeln wurden gekauft.

Unterstützung von „Ein Herz für Ostfriesland“

Am Freitagmorgen startet der Konvoi. Damit er sein Ziel auf jeden Fall erreicht, gibt es Unterstützung von „Ein Herz für Ostfriesland“, dem gemeinsamen Hilfswerk von Ostfriesischen Nachrichten, Ostfriesen-Zeitung und General-Anzeiger. „Ich darf alle Tankquittungen bei dem Hilfswerk einreichen“, freut sich Bahl über die unbürokratische Hilfe.

Der Konvoi fährt am Freitag ab. Bahl will weiter Geld- und Sachspenden sammeln. „Die kriegen wir auf jeden Fall irgendwie in Richtung Ukraine.“ Denn der Krieg und vor allem seine Folgen werden so schnell nicht vorbei sein. Die Ukrainer werden noch lange auf Hilfe angewiesen sein, ist Bahl sich sicher. „Und so weiß ich, dass die Sachen auf jeden Fall ankommen.“

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Spenden für ein Kinderkrankenhaus und ein Dorf

Marion Oldenburger sagt, dass bei diesem dritten Transport, auf dem sie mitfährt, besonders viele Medikamente an Bord sind. Beim letzten Konvoi habe man vor allem Durchfallmittel verteilt, weil die Geflüchteten kein sauberes Trinkwasser hatten. Nun werde auch mehr Wasser in Flaschen mitgenommen.

Die Spenden werden neben dem Krankenhaus in Dubno an ein Dorf geschickt, aus dem bereits eine Frau in Ihlow angekommen ist, und mit Unterstützung einer ukrainischen Spedition dort verteilt, wo Bedarf ist. Vier Frauen und eine Dolmetscherin sind in den vier Transportern aus Ihlow mit unterwegs. Das schaffe Vertrauen bei den ukrainischen Frauen, die auf Hilfe warteten, sagt Oldenburger. Sechs Geflüchtete werden an diesem Wochenende auf jeden Fall mit nach Aurich gebracht. Sie haben hier bereits Angehörige. Unterkünfte stünden bereit.

Helfer halten Kontakt zu allen Geflüchteten, die sie nach Deutschland bringen

Die Flüchtlingshelfer aus Ihlow wollen weitere Vertriebene mit nach Deutschland bringen und sie dort absetzen, wo sie hin wollen. Bei der letzten Fahrt hätten sie Ukrainer nach Bremen gefahren, wo diese schon Verwandte hatten, sagt Oldenburger. „Dafür machen wir dann auch Umwege.“ Die Helfer halten Kontakt zu allen, die sie nach Deutschland gebracht haben, auch wenn die Ukrainer nicht im Raum Aurich untergekommen sind, so beispielsweise nach Wolfsburg, Dresden und Lemgo. „Im Bereich Aurich können wir aber natürlich viel direkter und langfristiger helfen“, sagt Oldenburger.

Am Freitag fahren die Helfer bis Krakau, am Sonnabend folgen die Verteilung der Hilfsgüter und die Rückfahrt. Am Sonntag wollen die Ihlower dann wieder in der Heimat sein.

Bahl hat diesmal ihren Transporter nur zum Einkaufen verwendet. „Zum Mitfahren war es diesmal zu kurzfristig“, sagt sie. Beim nächsten Mal, wenn die Ihlower losfahren, werde sie den Wagen wieder füllen. Und es könne dann auch sein, dass sie und ihr Mann ihn dann selbst dahin fahren, wo die Dinge gebraucht werden.