Was Sie heute wissen müssen Kanzler als Rulemaker | Minister als Problemlöser | Verein als Gelackmeierter

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Eine Kolumne von Timo Sager
| 10.06.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Wie gestern kommt der Newsletter an diesem Morgen aus Berlin. Heute Nachmittag ist die Digitalkonferenz Republica für mich zu Ende, es geht zurück gen Ostfriesland. Gestern war Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gast. Er sprach (wie sollte es auf einer Digitalkonferenz anders sein) über die Digitalisierung. Er verkündete eine Zeitenwende – schon wieder. Den Begriff hatte er als Reaktion auf das wackelnde europäische Sicherheitsgefüge durch den Krieg in der Ukraine verwendet. Nun soll es also mit der Digitalisierung losgehen. Also diesmal wirklich. Ob es so kommt, kann man nur abwarten. Wenn es so kommt, wird es dauern. Immerhin hat Scholz einen Satz gesagt, der für ländliche Gegenden wie Ostfriesland wichtig werden könnte: Der Staat müsse „Rulemaker“ statt „Ruletaker“ sein. Mit anderen Worten: Der Staat (also wir) muss bei der Digitalisierung die Leitplanken setzen, anstatt sie gesetzt zu bekommen. Wir müssen bestimmen, was wir wollen, und es nicht dem berühmten „Markt“ und damit Amazon, Apple, Meta der Telekom oder Vodafone überlassen.

In meinen Augen sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht. Was dabei rauskommt, sieht man an Handynetzen und schnellen Internetanschlüssen in Ostfriesland. Die sind vielerorts sehr dürftig: Der Staat hat es versäumt, den Telekommunikationsunternehmen frühzeitig klare Vorgaben zum Ausbau auch in ländlichen Gebieten zu machen. Ein schönes Beispiel dafür, dass der Markt zwar den Markt regelt, sonst aber auch nichts. Ausgebaut wurde da, wo es am meisten zu verdienen gibt. Und das sind die großen Städte. Ob das aus gesamtgesellschaftlicher Sicht richtig und für uns insgesamt von Nutzen ist, ist dem Markt egal. Und darum, das musste Scholz gestern einräumen, „sehen unsere Netze aus, wie sie aussehen“.

Beim Thema Mobilitätswende darf es auf dem Land nicht wieder genauso aussehen, womit sich der Kreis zum Newsletter von gestern schließt. Ich habe heute Morgen eine SMS von Benjamin Brake zu meinem Newsletter bekommen. Er ist Abteilungsleiter für Digital- und Datenpolitik im Bundesministerium für Verkehr und Digitales – und Ostfriese. Sie könnten ihn kennen, mein Kollege Ole Cordsen hat ihn kürzlich portraitiert. Er war auch bei der Republica und lud mich auf ein Gespräch ein. Ich überrasche Sie vermutlich nicht, wenn ich Ihnen sage, dass wir in den gut 20 Minuten mit stillem Wasser auf dem Stehtisch nicht mal eben eine Lösung dafür gefunden haben, wie Digitalisierung und Mobilität der Zukunft in ländlichen Gegenden aussehen müssen und umgesetzt werden können. Immerhin waren wir uns einig, dass es sich um ein komplexes Problem handelt, das auf allen Ebenen (Bund, Land, Kommunen) dringend angegangen werden muss, und bei dem natürlich auch Medien wie wir gefragt und gefordert sind. Vielleicht schadet es nicht, dass jemand, der die Krummhörn, das Moormerland oder Friedeburg wenigstens kennt, auch an einflussreicher Stelle im Bundesministerium zu finden ist.

Apropos Lösungen suchen: Das steht jetzt bei der Werft „Fosen Yard“ in Emden an. Das Unternehmen hatte vergangene Woche Insolvenz angemeldet. Ich weiß gar nicht, mit der wievielten Zahlungsunfähigkeit eines Nordseewerke-Nachfolgers wir es hier zu tun haben – ich erinnere mich an mindestens drei. Jetzt will der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) Vertreter von Unternehmen, Politik und Gewerkschaften an einen Tisch holen, um zu beraten, wie es für die knapp 100 Beschäftigten weitergeht. Was dabei genau auf der Agenda steht, hat Heiko Müller recherchiert.

 

Die Machenschaften der Wiesmoor-Connection haben jetzt ganz konkret Folgen für den Sportverein VfB Germania Wiesmoor. Christian Rademacher-Jelten (kurz CRJ) gilt als mutmaßlicher Kopf der Gruppe, die Subventionsbetrug in Millionenhöhe begangen haben soll. Als Geschäftsführer des Sportvereins hat er einen Förderantrag beim Landessportbund Niedersachsen (LSB) gestellt. Es geht um 30.000 Euro, die der Verein bekommen hat. Die wollte der LSB zurück, weil es einen Verstoß gegen die Förderrichtlinie gegeben haben soll. Das Landgericht Aurich hat dem LSB gestern recht gegeben. Für den Verein kann das Urteil heftige Folgen haben, denn eigentlich geht es um noch mehr Geld. Marion Luppen berichtet.

Wenn sich Dinge ändern oder ändern sollen, wird es sehr schnell kompliziert. Bei uns ist schließlich alles geregelt oder reglementiert (was auch seine Vorteile haben kann). Auch, wie man zu Wohnen hat. In einem Haus natürlich. Das kann eine Wohnung beinhalten oder mehrere, ständig bewohnt sein oder ab und zu. Es darf nicht zu groß sein, aber auch nicht zu klein. Und vor allem darf es sich nicht bewegen! Ist es überhaupt ein Haus, wenn es sich bewegt oder bewegen lässt? Das alles sind Fragen, mit denen sich Menschen beschäftigen, die in ein sogenanntes Tiny House ziehen möchten. Das sind Kleinsthäuser, meistens mit nur einem Raum. Wer nachhaltig und in Sachen Energieverbrauch günstig leben möchte, kann darin eine Alternative finden. In Harlesiel gibt es eine Tiny-House-Siedlung, die allerdings nur touristisch genutzt wird. Und wenn jemand dauerhaft dort leben möchte? Wie gesagt, es ist kompliziert. Susanne Ulrich mit einer erstaunlichen Reise durch Probleme, Pläne, Paragrafen.

Was heute wichtig wird

  • Die Werkstätten für behinderte Menschen Aurich/Wittmund kürzten 2019 den Beschäftigten wegen der Enercon-Krise den Lohn – zu unrecht. Ein Beschäftigter hat erfolgreich auf Nachzahlung geklagt. Marion Luppen berichtet.
  • Er ist das Schreckgespenst jedes Buchsbaumbesitzers: der Zünsler. In diesem Jahr wütet er noch heftiger als sonst. Gabriele Boschbach mit einer Bestandsaufnahme und einer Antwort auf die Frage, wie wird man den Zünsler wieder loswird?
  • Ein einziges Mitglied des Leeraner Kreistags hat die Fraktion gewechselt – nun müssen die meisten Ausschüsse neu formiert werden. Karin Lüppen erklärt, wer nun Sitze abgeben muss und warum in vielen Fällen das Los entscheidet.
  • Wasserstoff gilt als Schlüssel zur Energiewende. Mittlerweile ist das Thema auch in Ostfriesland angekommen. In Emden soll es nun Bürgern nähergebracht werden. Gordon Päschel berichtet.
  • Bei dem Langzeitversuch in Hinte soll ausprobiert werden, ob Hühner künftig für eine weitere Legesaison am Leben bleiben können, ohne dass sie zu wenige Eier legen. Michael Hillebrand hat sich den Versuch angesehen.
  • In der Serie „Nachgezählt“ geht es diesmal um eine Mühle, die einen deutschlandweiten Rekord hält. Vera Vogt hat sich die alte Dame auf allen Ebenen angeschaut.
  • Der Krankenwagenbauer Hospimobil wollte seit Ende März schon in sein neues Domizil gezogen sein, nun wird es wegen Teilemangels eher August. Was heißt das für den Betrieb – und für B-Plast 2000, die die Halle übernehmen wollen? Ole Cordsen berichtet. 
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