Was Sie heute wissen müssen 400 Euro mehr für Energie pro Monat | Deutsche Bucht als Windfarm | TKMS profitiert vom Krieg

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 08.07.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

„Wenn Deutschland es nicht erträgt, dass Freibäder nicht geheizt sind, dann haben wir in Wirklichkeit kein Problem“, so äußerte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck Mittwochnacht in einem sehenswerten Interview mit ZDF-Talkmaster Markus Lanz (hier in der Mediathek zum Nachschauen). Ungewohnt für einen führenden Politiker teilte Habeck knapp eine Stunde lang seine Sorgen mit den Bürgern: über weiter steigende Gaspreise, ein mögliches einseitiges Gasembargo durch Putin. Und er äußerte seine Dankbarkeit für die Solidarität unserer Gesellschaft mit der überfallenen Ukraine. Mehr Offenheit geht kaum.

Das gilt wohl auch für Stefan Dohler, den Vorstandsvorsitzenden des Energieversorgers EWE. Er nannte gestern Zahlen. Zahlen, was jeden Einzelnen von uns die derzeitige Krisenlage mit überschäumenden Energiepreisen wohl kosten werde. Für einen Vier-Personen-Haushalt bis zu 400 Euro mehr - pro Monat. Erschreckende Zahlen, vor allem für jene Mitbürger, die ohnehin schon jeden Euro drei Mal herumdrehen müssen. Wohl denen, die mit der EWE entweder eine langfristige Preisbindung vereinbart haben oder Kunden der Stadtwerke Emden sind. Die nämlich wollen ihre Preise bis Ende des Jahres nicht erhöhen (obwohl sie das Gas auch von EWE beziehen). Ob das PR-Gequatsche des Kommunalunternehmens ist (das derzeit keinen Geschäftsführer hat) oder tatsächlich so sein wird, ich weiß es nicht. Politikredakteur Martin Teschke berichtet.

Eine wesentliche Voraussetzung die Abhängigkeit von russischem Gas loszuwerden ist bekanntlich der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien. Das windreiche Ostfriesland spielt bei den Planungen eine Schlüsselrolle, ebenso eine Verzehnfachung (bis 2045) der offshore erzeugten Windenergie. Was aber bedeutet das? Der Emder Lokalreporter Gordon Päschel ist dieser Frage nachgegangen. Ergebnis: Die Deutsche Bucht wird zu einer gigantischen Windfarm. Und durch Ostfriesland müssen mindestens 20 neue Übertragungsleitungen gelegt werden, um den Strom zu den Verbrauchern zu bringen. Ob das funktionieren kann? Fachleute sind skeptisch, weil Fachkräfte fehlen, Material ebenfalls und es viele Mitbewerber gibt - selbst jenseits des Dollarts, im niederländischen Eemshaven.

Die sieben Sandhaufen im Wattenmeer, genannt Ostfriesische Inseln, sind Sehnsuchtsorte, natürlich für Touristen, aber auch für ostfriesische Festlandbewohner, die dort auch gerne schöne Stunden verbringen. So wie meine Kollegin Nicole Böning. Sie hat kürzlich einen zweiwöchigen Trip gemacht und alle Inseln besucht, von Borkum bis Wangerooge, mit Leuten dort gesprochen, Fotos gemacht, Geschichten recherchiert. Nun gibt sie unseren Lesern eine Entscheidungshilfe: Welche Insel passt zu mir? Klicken Sie ruhig mal rein.

Zurück aufs Festland: Loquard ist ein kleines Dorf, das zur Gemeinde Krummhörn gehört. Im dortigen Kindergarten sollen sich schlimme Sachen abgespielt haben. Die Rede ist von „körperlichen und seelischen“ Misshandlungen mehrerer Kinder durch Betreuerinnen. Sie sollen geschlagen und in der Toilette eingesperrt worden sein, „sodass sie aus Angst nicht mehr auf die Toilette gingen, sondern lieber in die Hose machten“. Und anderes mehr. Die Geschichte hat einen Schönheitsfehler: Die Vorwürfe wurden Gemeinde und Polizei von Elternseite anonym mitgeteilt. Bürgermeisterin Hilke Looden ist auch umgehend aktiv geworden, heißt es aus dem Rathaus, aber: „Die Anschuldigungen konnten zum jetzigen Zeitpunkt weder in ihrer Tragweite eingeordnet noch belegt werden.“ Das heißt nun alles und nichts. Dadurch, dass OZ-Reporter Michael Hillebrand von der Sache erfahren und sie gestern öffentlich gemacht hat, steigt allerdings der Aufklärungsdruck.

Krisen hat er auch reichlich erlebt. Heinz Feldmann, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Leer-Wittmund feiert dieser Tage 50-jähriges Dienstjubiläum und nutzt die Gelegenheit, um in den Ruhestand zu gehen. Der frühere Wittmunder hat Lokalchefin Nikola Nording eine Menge Geschichten erzählt. Dienstliches, aber auch Privates, wie die Leidenschaft des stets korrekt gekleideten Bankers für schwarze Motorradkluft und seine Harley Davidson. Für die hat er künftig bestimmt genug Zeit. Und dass er auf Kreuzfahrten für Metal-Fans steht, hätte Feldmann sicher auch kein Außenstehender zugetraut.

Genauso wenig wie dem Leeraner Bürgermeister Claus-Peter Horst, dass er mal öffentlich „stinksauer“ wird. Gut, Menschen, die ihn näher kennen, wissen, dass er seine Emotionen nicht immer im Griff hat, öffentlich aber hält sich Horst meistens zurück, was ja in der Position durchaus klug ist. Jetzt aber schimpft er öffentlich auf die in Aurich beheimatete Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Dass erst vor kurzem entdeckt wurde, dass die Brücken des Stadtrings marode sind und die Sanierung deshalb mehrere Monate länger dauert als geplant, ärgert den Bürgermeister sehr. Denn die Verzögerungen gefährden auch Straßenbaumaßnahmen, die die Stadt unbedingt machen muss. Welche das sind, erklärt Rathaus-Reporterin Katja Mielcarek.

Ist der Rettungsdienst im Landkreis Aurich völlig überlastet? Diese Behauptung stand kürzlich in einem anonymen Schreiben aus der Belegschaft, das an Kreishaus, Politik und unsere Redaktion gegangen war. Und stimmt das? Ja, zum Teil schon, wie Ordnungsamtsleiter Marcel Schäfer gestern im Gesundheitsausschuss berichtete. „Phasenweise ist mehr als ein Drittel der Mitarbeiter ausgefallen“. Ja, auch 72-Stunden-Wochen könne es gegeben haben: „Das sind aber Einzelfälle, das passiert nicht Woche für Woche.“ Mehr als ein Viertel der Mitarbeiter fühlt sich laut einer internen Befragung „überlastet“. Auch wenn all das nicht wirklich gut klingt, diskutiert hat die Politik über diese Mitteilung nicht, berichtet Lokalchefin Marion Luppen.

Während die Emder Werft Fosen Yard in die Insolvenz gehen musste, geht es deren Nachbar, der ThyssenKrupp Marine Systems, hervorragend. Die TKMS (klingt wie ein jugendliches Detektivquartett) stellt sogar neue Leute ein. Vor allem profitiert die Spezialwerft von der großen Tragödie in der Ukraine. Das Unternehmen ist hauptsächlich auf militärische Schiffe und U-Boote spezialisiert. Die werden jetzt wieder stärker gefragt. „Vorher waren unsere Auftragsbücher schon voll“, sagt Torsten Kosin. Seit Kriegsbeginn kämen nun auch noch mehr Anfragen. Lokalreporterin Mona Hanssen hat sich umgehört.

Bleiben wir in Emden. Die Kickers sind der wichtigste Sportverein in der Region. Gerade aufgestiegen in die höchste Amateurklasse, die Vierte Liga, machen sie derzeit aber eher mit Skandälchen Schlagzeilen. Erst das Chaos um den angeblichen Sportdirektor Daniel Franziskus, das vom Vorstand mit Müh und Not ohne Trainerverlust gelöst wurde. Und nun das Hin und Her um die längst fällige Stadionsanierung, zu der der Vorstand Termine nannte, die nicht eingehalten wurden. Ganz und gar nicht professionell ist der Umgang eines Vorstandsmitglieds mit den selbst verursachten Problemen. Auf Anruf von Sportchef Matthias Herzog sagte er nur: „Mit ihnen rede ich nicht“ und legte auf. Ich würde sagen, das ist B-Klasse, nicht Regionalliga.

Was heute wichtig wird:

  • Weil künftig der Landkreis und nicht die Stadt zuständig ist: Was wird mit den Kindern ohne Kindergarten-Platz in der Stadt Leer? Katja Mielcarek hat darüber mit Landrat Matthias Groote gesprochen.
  • Der Reisepass ist abgelaufen, der Personalausweis nicht im Portemonnaie - ist der Urlaub jetzt im Eimer? Worum man sich bei der Fahrt in die Niederlande und darüber hinaus kümmern sollte, erklärt Vera Vogt.
  • Kann man aus klimabilanzieller Sicht guten Gewissens auf dem Wochenmarkt einkaufen? Wie regeln die Beschicker die Verpackungsfrage? Gabriele Boschbach hat nachgefragt.
  • Auch der Schulstart hat mit Klimaschutz zu tun. Welche Stifte sind klimafreundlich? Worauf sollte man beim Ranzen achten? Nicole Böning hat Tipps für einen klimaneutralen Schulstart zusammengetragen.
  • So lebt es sich im Thater-Haus: Zwei Entwürfe des Funnixer Architekten haben sein Dorf in Aufruhr versetzt. Die Hausherren von Haus 1 verstehen das nicht. Sie finden ihr Haus super, erzählten sie Susanne Ullrich.
  • Drachenfeste sind ein Renner, ob in Upleward oder in Norddeich. Nun soll auch Hinte eins bekommen – eigentlich. Doch die Idee steht vor dem Aus. Michael Hillebrand kennt die Hintergründe.
  • Der Stephansplatz in Emden dient jetzt als Veranstaltungsfläche für den Kultursommer. Stephanie Tomé hat nachgefragt, wie der Platz angenommen wird und welche Probleme es dort gibt.
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