OZ-Weihnachtsaktion „Ich bin heilfroh, dass es die Tafeln gibt“

Nora Kraft
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Von Nora Kraft
| 20.12.2022 18:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Immer mehr Menschen sind auf die Tafeln angewiesen. Ob in Großstädten oder kleinen Gemeinden auf dem Land. Symbolfoto: Gollnow/dpa
Immer mehr Menschen sind auf die Tafeln angewiesen. Ob in Großstädten oder kleinen Gemeinden auf dem Land. Symbolfoto: Gollnow/dpa
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Paul T. musste seinen Beruf aufgeben. Heute erhält er Hartz-IV. Im Interview spricht der Tafel-Kunde über seine Erfahrungen bei der Lebensmittelausgabe, seine Sorgen und Wünsche für die Zukunft.

Ostfriesland - Ein Leben kann sich schnell ändern. Zum Beispiel, wenn man seinen Beruf aus einem bestimmten Grund nicht mehr ausüben kann und in der Folge auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist. Paul T. hat genau das erlebt. Der heutige Hartz-IV-Empfänger war einmal beruflich selbstständig in Ostfriesland tätig. Wo genau er gearbeitet hat und warum er es heute nicht mehr kann, möchte er nicht erzählen. Sein Name soll unbekannt bleiben. Deswegen nennen wir den Mann Paul T. Seit mehreren Jahren ist T. nun schon auf das Angebot der Tafeln angewiesen. Denn dort kann er regelmäßig für einen kleinen Betrag Lebensmittel einkaufen. T. ist Stammkunde in einer selbstständigen Einrichtung in einer kleinen ostfriesischen Gemeinde, die wie die Tafeln Lebensmittel an bedürftige Menschen verteilt. Im Gespräch erzählt T. von seinen Erfahrungen, die er dort gemacht hat und wie schwierig es ist, mit wenigen hundert Euro im Monat zu leben.

Warum nehmen Sie das Angebot der Tafel wahr?

Paul T.: Ich musste meinen erlernten Beruf aufgeben und erhalte derzeit Arbeitslosengeld 2. Von dem gezahlten Hartz-IV-Satz kann niemand existieren. Schon gar nicht mehr in der jetzigen Zeit. Wer bei den gestiegenen Lebensmittelpreisen und den explodierenden Energiekosten versucht, zu überleben, ist auf eine Tafel angewiesen. Für mich gibt es zwei D-Worte, die hier jeder im Kopf haben muss: Demut und Dankbarkeit. Weil uns die Tafeln unheimlich helfen und unterstützen. Der Einkauf hier ist eine deutlich spürbare Entlastung für den Geldbeutel und die Versorgung ist in Ordnung. Hinzu kommt, dass die Leute alle sehr nett und hilfsbereit sind.

In der Ausgabe, die Sie besuchen, werden einmal wöchentlich Lebensmittel verteilt. Wie lange kommen sie mit einem solchen Einkauf hin?

T.: Die Lebensmittel reichen für eine Woche. Wir erhalten hier eine gute Grundversorgung. Ich kaufe ein paar Lebensmittel zu, aber das hält sich in Grenzen. Es ist aber auch deutlich zu spüren, dass die Spendenbereitschaft der Geschäfte nachgelassen hat. Es kommen nicht mehr so viele Waren rein. Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge aus der Ukraine zur Ausgabe kommen. Die Waren müssen natürlich so verteilt werden, dass auch der Letzte noch etwas bekommt.

Wie war das für Sie, als Sie zum ersten Mal zur Lebensmittelausgabe gingen?

T.: Es war keine große Überwindung. Ich musste mich auch nicht großartig anstellen. In meinem alten Beruf habe ich immer mit Menschen zusammengearbeitet. Von daher fiel es mir nicht schwer, dort jemanden anzusprechen. Und diese Hilfe, die von den Tafeln oder den ähnlichen kleineren Einrichtungen offeriert wird, ist etwas, was man als Hartz-IV-Empfängerin oder -Empfänger annehmen sollte. Es ist eine Erleichterung und eben auch so, dass man Kontakt zu anderen Leuten hat. Sei es zum Beispiel durch die halbe Stunde, die man zusammen vor der Tür wartet und sich unterhält. Das hat meiner Meinung nach auch eine ziemlich starke soziale Komponente.

Wie erleben sie das Miteinander unter den Kunden?

T.: Die Organisation ist gut. Im Voraus werden Nummern vergeben, dann werden wir der Reihe nach reingeholt. Streitereien gibt es deswegen keine. Vom Sehen her kennen wir uns alle hier draußen, aber die Kontakte sind eher oberflächlich. Ich bedauere jedoch, dass die Leute, die anstehen, zum Teil nicht alle die beiden D-Worte im Kopf haben. Wir müssen den Menschen, die ihre Freizeit opfern, um uns zu helfen, wirklich dankbar sein. Das fehlt mir manchmal bei denjenigen, die die Tafel in Anspruch nehmen.

In welchen Situationen beobachten Sie das?

T.: Zum Beispiel bei Schimpferein. Dann werden auch die Helfer, die uns bedienen, persönlich angegangen. Und das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich nehme die Hilfe dankbar an und ich bin heilfroh, dass es die Tafeln gibt. Die Ehrenamtlichen putzen, sie sortieren, sie machen alles fit, da kann ich mich nur vor verneigen. Das ist eine ganz tolle Sache. Sie arbeiten ja nicht nur in der Ausgabestelle, sondern auch zu Hause. Ob das die Buchführung ist oder sonst etwas. Das sind alles Sachen, die sieht niemand. Das wird nicht wahrgenommen. Die Wertschätzung fehlt mir teilweise. Niemand hier bei der Tafel kann etwas dafür, dass wir in einer Situation sind, in der wir Hartz-IV erhalten oder zu wenig Rente bekommen.

Würden Sie ohne die Tafel noch auskommen?

T.: Ohne das Angebot würde ich mich in anderen Bereichen weiter einschränken müssen. Das geht aber mit einem Grundversorgungssatz von 449 Euro im Monat nicht. Allein die Stromkosten, die angefallen sind: Bei mir hat sich der Abschlagsbetrag verdreifacht. Ich habe vorher etwas über 30 Euro bezahlt und bin jetzt bei knapp 100 Euro. Das muss ich von meinem Grundregelsatz nehmen. Das ist nicht zu bezahlen. Von daher ist die Forderung der Sozialverbände nachzuvollziehen, dass Kosten für Strom auch vom Amt übernommen werden sollten.

Fällt es Ihnen schwer, an besonderen Tagen, wie Weihnachten, mit sehr wenig Geld auskommen zu müssen?

T.: Für mich ist das nicht schwieriger als an normalen Tagen auch. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht unbedingt der große Weihnachtsfan bin (lacht). Ich habe es früher immer genossen, als mein Sohn noch klein war. Aber mittlerweile verstehe ich den Sinn und Zweck dieses Festes nicht mehr. Vor unserer Krisenzeit ist es in einer Konsumschlacht ausgeartet.

Wie ist das für Sie, in die Zeit zurückzublicken, in der Ihnen mehr Geld zur Verfügung stand? Was fehlt Ihnen heute besonders?

T.: Die Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren und mal wirklich für 14 Tage einen Tapetenwechsel zu haben. Und wenn es nur ein anderer Teil Deutschlands wäre. Das waren Möglichkeiten, die ich vorher gehabt hatte, die ich heute nicht mehr habe. Ich muss mich deutlich einschränken. Hinzu kommt die Tatsache, dass man einen fahrbaren Untersatz braucht, wenn man auf dem Land lebt, weil der Personennahverkehr zu schlecht ausgebaut ist. Ich bin auf ein Auto angewiesen. Und das muss auch irgendwie finanziert werden.

Was erhoffen Sie sich von der Zukunft?

T.: Wenn ich Träume oder Visionen aussprechen dürfte, dann wäre für mich eine Angleichung des Hartz-IV-Satzes an die Forderung der Sozialverbände das Wichtigste. Also eine Erhöhung des Grundsatzes und die Übernahme der Stromkosten. Die Größe meiner Wohnung ist nicht angemessen für mich. Mir steht eine 50 Quadratmeter große Wohnung zu. Ich habe 65 Quadratmeter. Das Amt zahlt daher die Miete nicht voll. Ich muss in jedem Monat von meinem Grundsatz nochmal knapp 50 Euro abziehen, um die Miete zahlen zu können. Davon abgesehen habe ich eine Mieterhöhung bekommen.

Rechnet man Ihre monatlichen Kosten zusammen, bleibt nicht mehr viel übrig.

T.: Da ist überhaupt keine Luft nach oben. Man ist nicht in der Lage, ein paar Euro auf die hohe Kante zu legen. Das was da ist, ist am Ende eines Monats weg.

Haben Sie Kontakt zu Ihrem Sohn? Wie geht er mit Ihrer Situation um?

T.: Ich habe Kontakt zu ihm, allerdings sehr, sehr selten. Er ist jetzt nach seinem Studium berufstätig. Er kann meine Entscheidung, meinen Beruf nicht mehr auszuüben, nicht nachvollziehen. Er sagt, das sei verschwendetes Talent.

Würden Sie in Ihrem Beruf gerne wieder tätig werden?

T.: Nicht in der Art, wie ich es vorher gemacht habe. Ich würde eher in die Erwachsenenfort- und Weiterbildung gehen.

So können Sie spenden

Jeder Euro hilft den Einrichtungen in Ostfriesland, die bedürftige Menschen mit Lebensmittel-Spenden unterstützen. Wer spenden möchte, kann dies per Überweisung unter dem Stichwort „OZ-Weihnachtsaktion 2022“ tun. Die Bankverbindung lautet: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH, IBAN DE28 2859 0075 0011 1112 01, Ostfriesische Volksbank eG.

Es kann außerdem via Paypal gespendet werden. Alle Informationen gibt es auch auf der Internetseite von „Ein Herz für Ostfriesland“.

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