Best of 2022 74-Jährige aus Ihrhove musste eineinhalb Jahre Gebühren bezahlen - zu Unrecht

Elke Wieking
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Von Elke Wieking
| 02.12.2022 13:29 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Der Stromzähler für die Photovoltaik-Anlage von Margret Kurrelvink steht nach wie vor auf Null. Foto: privat
Der Stromzähler für die Photovoltaik-Anlage von Margret Kurrelvink steht nach wie vor auf Null. Foto: privat
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Seit Juni 2021 zahlt Margret Kurrelvink im Monat mal 15, mal 16 Euro Grundgebühr für ihre Photovoltaik-Anlage, obwohl die keinen Strom verbraucht. Erst als diese Zeitung sich meldet, reagiert die EWE.

Mit der EWE hatten in diesem Jahr viele Kunden großen Ärger. Zum Beispiel: Margret Kurrelvink aus Ihrhove. Ihr Anliegen lag dieser Zeitung besonders am Herzen, weil die 74-Jährige sehr lange versuchte, mit dem Energiekonzern Kontakt aufzunehmen. Vergeblich. Darüber hatten sich auch schon viele Leser beklagt.

Ihrhove/Oldenburg - Die 74-jährige Margret Kurrelvink sagt, sie habe Jahrzehnte als Bankkauffrau gearbeitet und kenne sich mit Buch- und Kontoführung aus. Doch an der EWE sei sie gescheitert. „Ich steig‘ da nicht mehr durch“, sagt die Ihrhoverin verzweifelt und blickt auf einen kleinen Stapel Papier. Es sind Rechnungen von der EWE, auf die sie mit Telefonaten, Einschreiben, Faxen und Mails reagiert hat. Mal kontaktierte sie EWE-Netz, mal den Vertrieb des Oldenburger Energieversorgers. Doch in diesem Ping-Pong-Spiel über die Zuständigkeiten machte sie nie einen Punkt, berichtet sie dieser Zeitung.

Das und Ähnliches berichteten auch andere Kunden der Redaktion in den vergangenen Monaten immer wieder.

„Herzlichen Glückwunsch“

Alles begann, nachdem Margret Kurrelvink für ihre Photovoltaik-Anlage, die sie seit 2007 hat, einen neuen Stromzähler bekam. Es war ein sogenannter Zweirichtungszähler. Mit dem Wechsel begrüßte die EWE die verdutzte Ihrhoverin am 18. Juni 2021 mit einer Vertragsbestätigung für das „Produkt Strom business basis“. Da glaubte Margret Kurrelvink noch an ein Versehen. Denn mit der Photovoltaik-Anlage produziert Margret Kurrelvink zwar Strom, speist diesen ins EWE-Netz und bekommt dafür von dem Energieversorger Geld. Der Zähler selbst verbraucht aber keinen Strom und zeigt bis jetzt auch keinen Verbrauch an, wie Kurrelvink mit einem Photo belegt. Und den Strom, den sie in ihrem Haus verbraucht, bezieht sie ganz normal von der EWE. Diese Kilowattstunden laufen über einen anderen Zähler.

Mal wurde abgebucht, mal gab‘s eine Gutschrift

Margret Kurrelvink fing an, bei der EWE anzurufen. Denn gleichzeitig mit der Vertragsbestätigung wurden ihr, die seit 1972 - also seit 50 Jahren - Kundin der EWE ist, am 2. August 2021 das erste Mal 16 Euro Grundgebühr für den neuen Vertrag vom Konto abgebucht. Und seitdem zieht die EWE jeden Monat diese Gebühr ein: mal waren es 16, mal 15 Euro. Am 20. Januar diesen Jahres wurden sogar 76,29 Euro abgebucht. Warum, wofür? Eine Erklärung habe sie nie bekommen, sagt Kurrelvink. Am 9. Mai dieses Jahres bekam sie sogar 3,57 Euro und am 1. Juni 197,72 Euro aufs Konto zurück. Danach kündigte die EWE an, Kurrelvink 60 und 80 Euro zu überweisen. Das Geld sei aber nie gekommen, sagt die 74-Jährige. „Aber im Hintergrund muss bei der EWE wohl an meinem Fall gearbeitet worden sein.“ Allerdings, ohne sie einzubeziehen. Und die Abbuchungen der Grundgebühr liefen trotzdem weiter.

„Ich habe nie eine Antwort erhalten“

Mehrere Male schrieb Margret Kurrelvink Brandbriefe an die EWE Vertrieb GmbH. Den letzten am 1. November: „Seit dem 23. Juni 2021 erhalte ich Rechnungen für Zähler, die keinen Strom zählen.“ Inzwischen habe sie „dutzende Reklamationen“ geschrieben, so die Ihrhoverin weiter. Eine Antwort habe sie aber nie erhalten. Die Gesetzeslage sei der EWE aber bekannt: „Sie dürfen keine Grundgebühren in Rechnung stellen. Der Verbrauch ist 0, kann auch nicht anders sein, denn ich kann nicht selbst Strom bei diesem Zähler (der für die Photovoltaik-Anlage, Anmerk. d. Red.) verbrauchen.“

EWE: Haben Fehler gemacht

Auf Nachfrage erklärte EWE-Sprecher Matthias Radowski, dass im Fall Kurrelvink tatsächlich ein Fehler gemacht worden sei: „Bei Frau Kurrelfvink haben wir in der Tat einen Grundpreis erhoben, obwohl die PV-Anlage keinen Eigenverbrauch aufweist. Dieses ist und war nicht korrekt und wird, wie angekündigt, auch korrigiert. Für einen Anschluss, der keinen Verbrauch aufweist, kann auch kein Grundpreis erhoben werden.“ Man habe sich bei Margret Kurrelvink auch persönlich entschuldigt, was diese sehr erleichtert der Redaktion bestätigt.

Die EWE habe inzwischen alle Kunden identifiziert, bei denen die Photovoltaik-Anlage keinen Strom verbrauchen, so der Konzernsprecher weiter. Ihnen werde man auch die Fehler, die die EWE gemacht habe, erläutern: „Solange die Anlagen keinen Stromverbrauch haben und auch kein Verbrauch gemeldet wird, wird auch zukünftig kein Grundpreis erhoben. Wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, dass bei den Kundinnen und Kunden kein finanzieller Schaden mehr entsteht.“

Wie kommt der Vertrag zustande?

Und was ist mit dem Stromvertrag, den Margret Kurrelvink im vergangenen Jahr mit einem Mal hatte, obwohl sie keine Unterschrift leistete? Das sei kompliziert, macht EWE-Sprecher Radowski deutlich: „Der Gesetzgeber hat bestimmte Vorkehrungen getroffen, um eine Versorgung mit Strom und Gas sicherzustellen. Dieses ist die Ersatz- und die Grundversorgung. Wenn ein Energieverbrauch nicht einer bestimmten Lieferung durch den Lieferanten oder einem konkreten Liefervertrag zugeordnet werden kann, springt der Grundversorger für diese Energielieferung ein. Hierbei kommt der Vertrag bereits dadurch zustande, dass Energie verbraucht wird. Es reicht hier die konkludente Handlung (Energienutzung), eine Unterschrift ist nicht notwendig. Es handelt sich um eine gesetzlich angeordnete Notversorgung. Der Fehler unserseits war hier von einem Verbrauch – also der konkludenten Handlung – auszugehen.“ So lange aber kein Verbrauch gezählt werde, ruhe der Vertrag. Beendet sei er, wenn der Kunde den Energieversorger wechsle.

Warum gab es vorher keinen Vertrag?

Aber warum gab es den Grundvertrag vor dem Einbau der Zweirichtungszähler nicht? Dazu erklärt der EWE-Sprecher: Bei den alten Stromzählern für die Photovoltaik-Anlagen hätten die Zähler eingespeiste und verbrauchte Kilowattstunden automatisch miteinander verrechnet. „Wurden 100 Kilowatt eingespeist und zwei Kilowatt verbraucht, zählte der Zähler 98 Kilowattstunden.“ Dann habe aber die Netzagentur verfügt, dass Einspeisung und Verbrauch getrennt gezählt werden müssten. Deshalb seien die Zweirichtungszähler eingebaut worden. Und weil die EWE in der Region Ersatz- und Grundversorger sei - also schon Strom und Gas liefert, bevor sich ein Kunde bei einem Energielieferanten meldet - komme automatisch ein Vertrag zustande.

Margret Kurrelvink hofft jedenfalls, dass ihr Fall jetzt geklärt ist und sie in absehbarer Zeit die noch ausstehenden Grundgebühren zurückbekommt.

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