Was Sie heute wissen müssen Horst Milde ist tot | Solaranlagen auf Denkmälern | Urlaub im Felsenpinguin

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 30.03.2023 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

30 Stunden kreißte der Berg und gebar eine Maus - oder doch nicht? Die Ampelbeschlüsse nach den Krisengesprächen im Koalitionsausschuss stießen gestern auf geteiltes Echo. Eigentlich äußerten alle Nichtbeteiligten Kritik. Naturschutzverbände ebenso wie die Opposition. Aber so läuft eben das politische Spiel. In Zeiten der notwendigen Veränderung sowieso. Das gilt auch für jene Ostfriesen, die von Martin Alberts und Petra Herterich nach ihrer Einschätzung befragt wurden. Am Ende wird es die Zeit zeigen, wer Recht hat. Ein Richtig und ein Falsch gibt es nicht.

Die Spediteure sind sauer wegen der angekündigten Erhöhung der Lkw-Maut. „Am Ende landen die Kosten bei den Verbrauchern und der Industrie“, sagt der Emder Spediteur Volkmar Jürgen Janssen. Die Hauseigentümer sind sauer wegen der geforderten klimafreundlichen Heizungsumstellung. „Wir sind ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht“, sagte Thomas Exner, technischer Vorstand des Bauvereins Leer. Und die Umweltschützer sowieso. „Da sind schon problematische Sachen dabei, sagt Rolf Runge, Vorstandsmitglied beim BUND Ostfriesland. Aber lesen Sie selbst.

Für weit mehr Aufsehen sorgte in Leer gestern Nachmittag eine traurige Nachricht: Horst Milde, einer der einflussreichsten und verdienstvollsten Politiker der Stadt, ist an seinem Wohnsitz in Oldenburg gestorben, im gesegneten Alter von 89 Jahren. Der in Schlesien geborene SPD-Politiker war Bürgermeister von Leer und Oberbürgermeister von Oldenburg gewesen, Präsident des des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Niedersächsischen Landtags, Mitbegründer des Kinderschutzbunds in Leer und vieles mehr. Nikola Nording würdigt in einem Nachruf Mildes Wirken.

Apropos Landesregierung und Bürokratie. Erst vorige Woche hatten wir berichtet, wie schwer es neue staatliche Regelungen den Veranstaltern von Scheunenfesten und Ähnlichem machen würden. Am Dienstag ruderte unter anderem Wirtschaftsminister Olaf Lies teilweise zurück und verkündete vollmundig Erleichterungen. Die gibt es zwar tatsächlich, aber ob die Veranstalter so erfreut sein werden, bleibt dahin gestellt. Fazit der Recherche von Tobias Rümmele: Es wird günstiger, aber es bleibt kompliziert. Von den verschärften Regeln sind all jene Veranstaltungsorte betroffen, die ansonsten einem anderen Zweck dienen, neben Scheunen etwa auch Schulen. Teure Gutachten wurden fällig - und sind jetzt nicht mehr gefordert. Aber, so heißt es aus dem Kreishaus in Leer: „Die inhaltlichen Auflagen in puncto Sicherheit bestehen aber weiterhin, zum Beispiel, dass bestimmte Flure als Rettungswege freigehalten werden müssen und deshalb als Ausstellungsflächen nicht infrage kommen.“ Hat nicht gerade die Bundesregierung Bürokratie-Vereinfachungen beschlossen?

In manchen Bereichen kann es gar nicht genug Bürokratie geben. Bei der Frage von Leiharbeitsbeschäftigungen zum Beispiel. Vor sechs Wochen hatte Daniel Noglik von einem skrupellosen Unternehmer aus Köln berichtet, der Arbeitnehmer aus Osteuropa ausbeutete, unter anderem als Partner von VW in Emden. Die Firma ist inzwischen insolvent, aber der Typ macht weiter, unter neuem Namen, mit neuen Komplizen. Ein Hase-Igel-Rennen mit den Strafverfolgern. Unfassbar.

Sieh an, im berühmtesten Autohaus Ostfrieslands, jenem im Wiesmoorer Stadtzentrum, das als Cannabisplantage genutzt wurde, wurden tatsächlich auch Autos gewartet. Bis zu 150 Fahrzeuge (und nicht die billigsten) sollen zeitweise unter der Flagge von Christian Rademacher-Jelten (CRJ) gefahren sein. Die notwendigen Autoteile lieferte ein Auricher Logistikpartner. Der stellte Rechnungen an sich selber. Kommt Ihnen das merkwürdig vor? Die Erklärung ist einfach. Auch diese Firma gehörte zum Firmenimperium des CRJ. Daniel Noglik berichtet, der Spezialist für die „Wiesmoor-Connection“.

Die Berliner Koalition tritt auch beim Ausbau der Solarenergie-Nutzung gehörig aufs Gaspedal. Laut Statistik sind die Ostfriesen da sehr aufgeschlossen. In Leer zum Beispiel habe es im vergangenen Jahr mit 124 neuen Anlagen einen Zubau von 25 Prozent gegeben - deutlich mehr als im Bundesschnitt. Jetzt nimmt die Stadt Leer auch die historische Altstadt aufs Korn. Rainer Kleylein-Klein, Stadtbaurat Leers, sagte im Stadtentwicklungsausschuss: „Es ist gut, richtig und wichtig, dass wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ Die Altstadt-Satzung lässt Derartiges durchaus zu, schreibt Michael Kierstein.

Klimaschutz steckt auf Kreuzfahrtschiffen noch in den Kinderschuhen. Die schwimmenden Städte gelten gemeinhin als Dreckschleudern, auch wenn die neuesten von ihnen inzwischen auf LNG als Brennstoff setzen. Die Papenburger Meyer-Werft hat aber schon weitreichende Visionen: Auf der Messe Seatrade Cruise Global in Fort Lauderdale/Florida stellte der Schiffsbauer ein Konzept für Kreuzfahrten im Jahr 2100 vor. Was das Unternehmen aus dem Emsland in den USA präsentiert, sieht ein wenig nach Raumschiff aus. Die Studie sei „äußerlich vom Felsenpinguin inspiriert und damit besonders aerodynamisch“, heißt es von der Meyer-Werft. Urlaub im Pinguin also. Schade, dass ich das Jahr 2100 nicht mehr erleben werde. Martin Alberts zeigt auch ein Foto.

Wie werden wir fit für den Klimawandel? Karina Schaefer hat Klimaschutz jetzt mit der Bildungsreihe „Prima Klima“ bei der Ländlichen Erwachsenenbildung zu ihrer Hauptaufgabe gemacht. Von Aurich aus organisiert sie das erste umfassende Bildungsangebot für Ostfriesland und Umgebung. „Wir wollen verhindern, dass die Menschen im ländlichen Raum von den Folgen des Klimawandels überrascht werden“, sagt Schaefer, die mit ihrer Initiative ganz verschiedene Zielgruppen ansprechen möchte. Nicole Böning stellt die gelernte Chemielaborantin, die internationales Management studiert hat, vor.

Ganz andere Sorgen haben indes jene ostfriesischen Familien, die unbedingt ein Eigenheim bauen möchten. Vor zwei Jahren schreckten hohe Baupreise, jetzt hohe Zinsen. Der Bauboom ist zusammengefallen. Tatjana Gettkowski hat darüber mit Gemeinden gesprochen, die Baugebiete ausgeweisen haben, für die die Nachfrage zusammengebrochen ist, und mit Bankern, die empfehlen, die Finanzierung nochmal ganz genau durchzurechnen.

Ich gebe zu, mit Tiktok kann ich nichts anfangen. Ich verstehe das soziale Netzwerk, das von kurzen Videoclips seiner Nutzer lebt, schlichtweg nicht. Muss ich auch nicht, denn die Hauptzielgruppe sind Teenager, präziser die Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010). Umso interessierter lese ich Geschichten wie die von Claus Hock über die 22-jährige Laetitia Schneider aus Hinte. Sie veröffentlicht mit der Emder Tanzschule, in der sie arbeitet, Tanzvideos und erreicht damit regelmäßig Tausende, Zehntausende, Hunderttausende und sogar Millionen Nutzer auf der ganzen Welt. Wenn Sie wissen wollen, wie so etwas funktioniert, Jasmin Keller von OTV hat mit Laetitia Schneider auch ein Video gedreht. Wir hoffen natürlich, dass das auch von Millionen Menschen angeschaut wird, mindestens. Oder besser noch von Milliarden.

Was heute wichtig wird:

  • Der kultige Buttermilchbrei aus der Molkerei in Detern stand vor dem Aus. Doch seit Februar läuft die Produktion wieder. Tobias Rümmele erklärt, was dahinter steckt.
  • Nach 500 Trauungen hat Elke Müller ein Auge für die Paare, die es schaffen. Nach Hochzeiten in der Kutte, mit dem Brotband geht sie in den Ruhestand. Vera Vogt berichtet.
  • Am Landgericht Aurich wird der Prozess zum Mord an der Popenser Straße in Aurich fortgesetzt: Heute sagen Polizeibeamte und Nachbarn aus. Bettina Keller verfolgt die Verhandlung.
  • n Georgsheil gibt es die älteste von 21 Rinderbesamungsstationen in Deutschland. So mancher Bulle hat sich in einer Weise vervielfältigt, die so manchen Herren blass werden lässt. Nicole Böning berichtet.
  • Im Café Cat in Jever ist das Personal divers: Einige Mitarbeiter haben vier Pfoten und ein dickes Fell. Das brauchen die drei Katzen teilweise auch. Susanne Ullrich gibt Einblick in ein etwas anderes Erlebnis-Café.
  • Die EU hat sich ausführlich zu den Plänen rund um mögliche Fangverbote in der Nordsee geäußert. Claus Hock fasst zusammen, was Brüssel gesagt hat und was das für die Fischer bedeutet.
  • Die traditionsreiche Emder Shanty-Gruppe verabschiedet sich nach mehr als 50 Jahren von der Bühne. Heiko Müller, der den Chor seit mehr als 40 Jahren journalistisch begleitet hat, spricht mit dem Vorsitzenden.
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