Proot doch Platt Kinder in Moormerland sollen Heimatsprache lernen

| | 27.04.2023 14:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Artikel hören:
Plattdeutsch kann am besten im Kindesalter gelernt werden. Das hat ein Modellversuch der Ostfriesischen Landschaft belegt. Foto: Archiv
Plattdeutsch kann am besten im Kindesalter gelernt werden. Das hat ein Modellversuch der Ostfriesischen Landschaft belegt. Foto: Archiv
Artikel teilen:

In einer Mammutsitzung im Rathaus ging es darum, ob in Kindergärten und Schulen mehr Platt gesprochen werden. Wie geht es nun weiter?

Moormerland - Der Ratssaal im Rathaus in Moormerland war gut gefüllt – drei Ausschüsse waren gleichzeitig zusammengekommen, um über Plattdeutsch in Kindertagesstätten und Grundschulen zu beraten. Fast zweieinhalb Stunden wurde diskutiert, in welcher Form die Heimatsprache den Kindern beigebracht werden könnte.

Was und warum

Darum geht es: Mit einem Antrag auf zweisprachigen Unterricht haben sich in Moormerland gleichzeitig der Kultur-, der Sozial- und der Schulausschuss beschäftigt.

Vor allem interessant für: Plattproters und Menschen, die es werden wollen

Deshalb berichten wir: Ich berichte regelmäßig aus der Ratsarbeit in Moormerland und habe als Ostfriesin ein persönliches Interesse an dem Thema

Die Autorin erreichen Sie unter: k.lueppen@zgo.de

Grietje Kammler vom Plattdeutsch-Büro der Ostfriesischen Landschaft sowie die Fachberater für Plattdeutsch, Frauke Müller und Herbert Fuhs, stellten ausführlich vor, welche Möglichkeiten es gibt, Unterricht in Grundschulen auf Platt anzubieten. An einem Modellprojekt hatten von 2012 bis 2019 vier Grundschulen in Ostfriesland – Wymeer, Constantia Emden, Simonswolde und Upgant-Schott – teilgenommen. In einer Klasse eines Jahrgangs wurden von Klasse 1 bis 4 zum Beispiel Mathe, Religion, Kunst oder Sachkunde auf Platt unterrichtet.

Das Gehirn arbeitet besser

Die Ergebnisse waren laut Kammler positiv. Die Zweisprachigkeit habe für Kinder viele Vorteile: So entwickelt sich das Gehirn bei Kindern, die mit zwei Sprachen groß werden, anders als bei nur einer Sprache. „Sie werden auch später leichter Fremdsprachen erlernen“, sagt Kammler, außerdem hätten zweisprachige Menschen insgesamt reichere Wahrnehmungsfähigkeiten.

Grietje Kammler, Leiterin des Plattdeutsch-Büros (am Pult) warb in einer Sitzung in Moormerland für zweisprachigen Unterricht in Platt- und Hochdeutsch. Foto: Lüppen
Grietje Kammler, Leiterin des Plattdeutsch-Büros (am Pult) warb in einer Sitzung in Moormerland für zweisprachigen Unterricht in Platt- und Hochdeutsch. Foto: Lüppen

Für die Schulen sei es nicht unbedingt eine leichte Aufgabe gewesen, sagte Frauke Müller. Andererseits gebe es vom Kultusministerium zusätzliche Unterrichtsstunden für die Grundschulen. Insgesamt sei der Aufwand nicht so groß, wie oft befürchtet, und man habe „een Schlötel to een Schatzkist“, also den Schlüssel zu einer Schatztruhe. Herbert Fuhs, Fachberater für Platt an Berufsschulen unterstrich die Vorteile von Platt in vielen Berufen, etwa in der Pflege oder im Handwerk, wo die Sprache den Zugang zu den Menschen erleichtere.

Gute Erfahrungen mit Platt

In der anschließenden Diskussion berichtete Michelle Hannig von der Focko-Ukena-Schule in Neermoor von guten Erfahrungen mit Platt. Die Schule ist seit gut einem Jahr Modellschule. Es werde versucht, Platt in den Schulalltag zu integrieren. Silke Frerichs vom Kindergarten Warsingsfehn unterstrich die Wichtigkeit, die Sprache zu erhalten. „Es ist ein langer Weg“, sagte sie. Hinzu komme, dass es eine Reihe von Kindern gebe, für die Deutsch bereits die Zweitsprache sei. „Die Bereitschaft von allen Eltern muss da sein“, sagte sie.

Ähnliche Artikel

Das hatte zuvor auch Kammler betont: Plattdeutsch in der Grundschule sei nur möglich, wenn alle Eltern einverstanden seien: „Ist nur ein Elternpaar dagegen, war es das.“ Allerdings gebe es gute Gründe für die Zweisprachigkeit, mit denen man Überzeugungsarbeit leisten könne.

Bruns warnte vor Aussterben der Sprache

Das Thema war auf die Tagesordnung gekommen, weil Torsten Bruns (Moormerländer Wählergemeinschaft) dazu einen Antrag gestellt hatte. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit“, machte er deutlich. Noch gebe es Lehrkräfte, die mit Platt aufgewachsen seien und somit in der Heimatsprache unterrichten könnten. Mit der Pensionierungswelle der sogenannten Boomer-Generation würden diese nicht mehr da sein. Bruns hat wenig Hoffnung, dass die Sprache dann noch gut vermittelt werden könnte. „Stirbt unsere Sprache, dann stirbt auch Ostfriesland“, so Bruns.

Derartige Bedenken zeigten andere Ausschussmitglieder nicht. Ihnen war wichtig, „den Schulen nichts überzustülpen“ oder „von oben reinzureden“, wie Martin Janßen (CDU) es formulierte. „Es kann nur auf freiwilliger Basis laufen“, befand nicht nur Stefan Haseborg (Grüne). Es müsse gar nicht ganzer Unterricht sein, man könne „mit einem plattdeutschen Lied oder einem Theaterstück anfangen“, sagt Eelke Smit (SPD). Sie war zudem der Meinung, es müsse kein Beschluss her, die Schulen und Kitas könnten selbst entscheiden.

Es gab doch einen Beschluss

Dagegen bekannte Kai-Uwe Schoon (CDU), er wäre froh gewesen, wenn es ein solches Angebot in seiner Grundschule gegeben hätte. So habe er nie Plattdeutsch gelernt. Wilhelm Becker (SPD) nannte es schon einen Fortschritt, dass in der Sitzung zu einem großen Teil Platt gesprochen worden sei – etwas, das in den Sitzungen in Moormerland so gut wie gar nicht vorkomme.

Dann wurde aber doch abgestimmt: Bei einer Enthaltung sprachen sich die Mitglieder von Kulturausschuss, Sozialausschuss und Schulausschuss dafür aus, eine Empfehlung an die Grundschulen und Kindertagesstätten auszusprechen, über die Einführung von Plattdeutsch nachzudenken.