Kassenschlager Burggarten Gibt es Kultur nur in der Großstadt?

| | 30.05.2023 18:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Jahr für Jahr kommen Zehntausende zum Burggarten in Stickhausen. Foto: Nording
Jahr für Jahr kommen Zehntausende zum Burggarten in Stickhausen. Foto: Nording
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Auf dem Land gibt es keine Kultur – so lautet das Klischee. Doch stimmt das? Der Kulturkreis Jümme hält seit 25 Jahren dagegen. Der Burggarten am Wochenende ist dafür nur ein Beweis. Eine Analyse.

Jümme - „Sie kommen doch vom Land. Gibt es da überhaupt Kultur?“, das wurde die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann vor einigen Jahren von einem Journalisten aus Berlin gefragt. In einer Rede vor dem deutschen Bundestag zitierte sie diese Frage und räumte ein: „Es gibt bei uns in Ostfriesland kein Konzerthaus, kein Staatstheater. Wir haben Chöre, Theatergruppen, Blaskapellen und Heimatvereine. Ist das Kultur? Natürlich.“ Auch wenn man im Internet Vor- und Nachteile des Landlebens recherchiert, wird meistens das Argument „auf dem Land gibt es keine kulturellen Veranstaltungen“ vorgebracht.

Was und warum

Darum geht es: Kulturelles Angebot gibt es nur in der Stadt? Viele Vereine in Ostfriesland beweisen das Gegenteil. Seit 25 Jahren ist der Kulturkreis Jümme aktiv.

Vor allem interessant für: Kulturell Interessierte und Dorfbewohner

Deshalb berichten wir: Der Kulturkreis feiert sein 25-jähriges Bestehen, außerdem steht der Burggarten am Wochenende an.

Die Autorin erreichen Sie unter: n.nording@zgo.de

Seit 25 Jahren widersetzt sich der Kulturkreis Jümme diesem Klischee für die Samtgemeinde vehement. Mehr noch: Die rund 30 Mitglieder kreieren Jahr für Jahr ein vielseitiges Kulturprogramm fürs Land. „Das machen wir komplett ohne Fördergelder“, sagt Ralf Möhlmann vom Kulturkreis Jümme. Nun steht an diesem Wochenende die größte Veranstaltung des Jahres an: Der Burggarten in Stickhausen, der jedes Jahr Zehntausende Besucher lockt. Am 3. und 4. Juni kann zwischen 11 und 18 Uhr rund um die Burg in Stickhausen gebummelt und Garten-Dekoration gekauft werden.

1998 ging es mit Internetcafé los

Als der Verein 2000 den ersten Burggarten plante, waren die Erwartungen noch bescheiden. „Heute kennt jeder eine Landpartie oder Gartenausstellungen, damals war das etwas ganz Neues“, erinnert sich Möhlmann. Trotzdem sei man der Idee gefolgt und schon die dritte Ausgabe musste auf zwei Tage erweitert werden, weil der Ansturm der Besucher so groß war.

Doch reduziert werden auf den Burggarten möchte der Kulturkreis nicht. 175 Veranstaltungen haben die Kultur-Interessierten schon auf die Beine gestellt. Lesungen, Ausstellungen, Theater – alles holten sie in die Orte der Gemeinde. Mit dabei sind einige Glanzstücke: So habe man zum Beispiel beim Deichkunstfestival an der Kurbelfähre Filsum 2017 unter dem Motto „Urban-Art“ die Autobahnbrücke an der Kurbelfähre sowie Pfeiler auf der Filsumer Seite großflächig künstlerisch gestalten lassen. In Erinnerung blieb auch eine Lesung in der Scheune von Knochenbrecher Tamme Hanken. Das Filsumer Original war gar nicht davon ausgegangen, dass viele Menschen zu einer Lesung mit ihm kommen würden. „Plötzlich war die Scheune voll und die Feuerwehr half mit einem Megafon aus, durch das Tamme dann überall zu hören war“, erzählt Möhlmann. Hinzu käme das jährliche Irish-Spring-Konzert in Filsum.

175 Veranstaltungen haben die Mitglieder des Kulturkreis Jümme schon organisiert. Foto: Nording
175 Veranstaltungen haben die Mitglieder des Kulturkreis Jümme schon organisiert. Foto: Nording

„Kultur eröffnet Raum für Begegnung, schafft Gemeinschaft und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Erfahrung von Gemeinschaft und die Möglichkeit, das eigene Lebensumfeld mitzugestalten, sind Grundbausteine gelebter Demokratie“, das schreibt auch die Bundesregierung auf der Homepage der Staatsministerin für Kultur und Medien. Diese Räume wollte der Kulturkreis in Jümme immer schaffen. Er ist damit nicht alleine: Im Landkreis Leer gibt es viele Kulturvereine, die sich kulturell engagieren, wie der Kulturring und Kunstkreis Rhauderfehn, der Leeraner Zollhaus-Verein oder der Kulturring in Uplengen.

Corona zeigte Kulturbedarf

Begonnen habe in Jümme alles 1998 mit einem Internetcafé. „Das kann sich heute kaum noch einer vorstellen“, so Möhlmann. Gegründet hat sich die Arbeitsgemeinschaft vor 25 Jahren, um Kultur aufs Dorf zu holen. „Eine Gemeinschaft braucht Kultur, das haben wir in der Pandemie gemerkt“, sagt Möhlmann, stellvertretend für die Kulturkreismitglieder. Da stellte der Kulturkreis einen digitalen Adventskalender auf die Beine, der täglich im sozialen Netzwerk Zuschauer und Kulturschaffende zusammenbrachte.

„Wir haben viel mehr Ideen als Zeit für die Umsetzung“, sagt Möhlmann. Bewusst würden auch erfolgreiche Projekte nicht mehrmals durchgeführt. Man wolle immer wieder Raum für Neues schaffen und so die Kulturlandschaft in der Samtgemeinde vielseitig halten. Die Mitglieder engagieren sich in Projektgruppen im Vorfeld für die jeweilige Veranstaltung. Auch wenn die Burg und das Rathaus in Filsum gute Veranstaltungsorte seien, es würden ins Programm alle Ort aufgenommen. Die Kultur solle eben für alle vor der Haustür stattfinden – auch auf dem Land.

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