Deutsche Grundschule gesucht Eine Frau mit deutsch-niederländischer Mission – und Helene Fischer

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Von Vera Vogt
| 21.06.2023 18:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Franzis Pranger-Wiese und Karl haben viele Fans. Foto: Ortgies
Franzis Pranger-Wiese und Karl haben viele Fans. Foto: Ortgies
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Franzis Pranger-Wiese hat ihre Berufung gefunden: Niederländischen Kindern mit Helene Fischer und Böllern Deutsch nahbringen.

Rheiderland/Niederlande - „Ja, das!“, entfuhr ihr, als sie mit ihrer kleinen Tochter Charlotte im Auto unterwegs war. Im Radio hatte Franzis Pranger-Wiese gehört, dass jemand gesucht wurde, der an niederländischen Grundschulen Deutsch unterrichten würde. Das Ganze ist nun schon sechs Jahre her, Charlotte ist nicht mehr so klein, aber hinter der Entscheidung steht Pranger-Wiese noch immer genauso passioniert. Wenn nicht noch passionierter. Wer sie in einer der zwölf Grundschulen im Grenzgebiet sieht, versteht, was sie meint, wenn sie diesen Nebenberuf ihre „Mission“ nennt. Ihre Begeisterung scheint ansteckend. „Es ist eben so etwas wie meine Berufung, genau das, was ich machen will.“ Franzis Pranger-Wiese ist hauptberuflich Moderatorin, Sprecherin und Coach. Auch das macht sie natürlich auf Niederländisch und Deutsch.

Was und warum

Darum geht es: Eine Frau, zwölf Grundschulen und eine Mission: Der Freundschaft zwischen Deutschland und den Niederlanden Aufwind geben.

Vor allem interessant für: diejenigen, die sich fürs Nachbarland interessieren

Deshalb berichten wir: Wir wollten wissen, wie es an niederländischen Grundschulen mit dem Deutschunterricht funktioniert.

Die Autorin erreichen Sie unter: v.vogt@zgo.de

Dass die Arbeit in den Grundschulen „genau das“ ist, was sie machen will, ist dabei wörtlich zu nehmen. „Die Gemeente Oldambt schrieb die Stelle aus, ich bekam sie und dann fing ich bei Null an. Es gab nichts. Kein Programm. Das habe ich erarbeitet“, sagt sie. Das erklärte Ziel: Kinder der Groep 5/6, also so neun bis zehn Jahre alt, für Deutsch begeistern. „In den weiterführenden Schulen wählen immer weniger Schülerinnen und Schüler Deutsch“, weiß sie. Das wusste auch die Gemeinde. „Die Kinder schrecken vor der Sprache zurück, weil sie kaum Bezugspunkte zu ihr haben. Außer vielleicht, dass es nicht einfach ist, sie zu lernen.“ Immer wieder höre man beim Stichwort Deutsch einen tiefen Seufzer und „all diese Fälle und Artikel“, sagt Pranger-Wiese und lacht. „Aber es ist so wichtig für die Kinder und die Region, dass Schülerinnen und Schüler Deutsch lernen. Die Ems-Achse hält viele Arbeitsplätze bereit. So könnten sie im Grenzgebiet arbeiten.“

Franzis Pranger-Wiese und Karl sind ein eingespieltes Team. Foto: Ortgies
Franzis Pranger-Wiese und Karl sind ein eingespieltes Team. Foto: Ortgies

Deutsch? Nein, danke – Aber her mit Helene

Den Kindern sollten also nicht nur die vielen grammatischen Fälle einfallen, wenn sie an Deutsch denken. Und genau das funktioniert. Tritt man mit Pranger-Wiese auf den Grundschulflur der C.B.S. De Lichtboei in Oostwold, rufen die Kinder „Duitse Juf!“, „Deutschlehrerin!“, bedeutet das. Und nicht einer von ihnen ist auch nur nah daran, einen Seufzer auszustoßen. Sie laufen auf zu „ihrer“ Franzis zu mit breitesten Grinsen. Wie macht sie das? Jeder, der einmal eine neue Fremdsprache gelernt hat, weiß: Es gibt schon Hemmungen, einfach loszulegen. „Das war auch bei den Kindern so. Und so kam Karl“, sagt sie. Der Herr mit dem sehr deutschen Namen ist ein verdammt gut gekleideter Dachs. „Er hat 750 Kindern Deutsch nah gebracht“, sagt sie. Besonders beliebt seien seine High-Fives, also sein Abklatschen, wenn die Kinder ihre Aufgaben gut gemacht haben.

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Bei Karls Promi-Status übertreibt sie nicht. Einer Klasse, oder besser Groep, in der sie – vor sage und schreibe einem Jahr – Unterricht gab, statten sie und Karl einen kleinen Spontanbesuch ab. Es wird ein Memorie gespielt, es werden einige bekannte Vokabeln herausgekramt. Zum Abschied heißt es noch einmal: „Holt euch eine High-Five von Karl“, dann gibt es kein Halten mehr. Alle Kinder stürmen los und bilden eine Traube um den adretten Dachs. Seine Plüschhand läuft fast heiß. „Karl hat ein Geheimnis. Er liebt Helene Fischer“, erklärt Pranger-Wiese einen Teil seiner Beliebtheit. Seine Geschichte mit der bekannten Blondine sei jeden Freitag das Ende der Stunde, um die Kinder auch mit einer Woche Pause bei der Stange zu halten, „das funktioniert fantastisch“.

Bratwurst, Bier und Milka

In den Deutsch-Stunden kommt aber nicht nur die Schlagersängerin vor. „Auch die Flippers oder Roland Kaiser“, sagt sie. Die Refrains seien so einfach, die könnten die niederländischen Kinder locker nach einmal hören mitsingen. Und das täten sie auch gern. „Wie Erwachsene auch, nur brauchen die manchmal ein Glas Wein. Aber Schlager transportieren Lebensfreude. Und die Melodien sind eingängig.“ Nicht nur über die Musik versucht die Duitse Juf ihre Schüler abzuholen. „Wir starten immer in der Lebensrealität der Kinder“, sagt sie. Zuerst frage sie sie, was sie mit Deutschland verbinden. „Das sind meist die Erlebnisse beim Einkaufen in der Grenzregion“, sagt sie. Böllerkaufen zum Beispiel.

„Bratwurst, Bier, Milka“ – das sind die Begriffe, die Kindern schnell einfallen, wenn es um Deutsch geht. Irgendwie beruhigend, dass das nicht so weit weg ist von Kibbeling, Kaffee und Stroopwafels auf der anderen Seite. Apropos andere Seite. „Christa und ich sind auf der Suche nach einigen deutschen Grundschulen, die Lust auf eine gemeinsame Exkursion hätten“, sagt Pranger-Wiese. Christa Bentum ist die Schulleiterin der C.B.S. De Lichtboei in Oostwold. „Wir könnten uns vorstellen, dass wir gemeinsam zu einer touristischen Attraktion fahren, dort würde ich eine Schnitzeljagd vorbereiten“, so Pranger-Wiese. Vorher könnten sich die Schülerinnen und Schüler vielleicht online kennenlernen. Und bei einem gemeinsamen Frühstück könne man sich dann persönlich kennenlernen. Ein Mittagessen zum Abschluss dürfe auch nicht fehlen. „Die Unterschiede beim Essen reichen schon für Gespräche, das steht fest“, sagt sie. Da wären wir wieder bei Bratwurst und Kibbeling. Und Helene bekäme man beim Exkurs wahrscheinlich auch noch unter.

  • Bei Interesse an gemeinsamen Projekten ist Franzis Pranger-Wiese Ansprechpartnerin. Kontakt im Internet unter firstfranzis.com.