Pilotprojekt in Großefehn „Wohnen an’t Padd“ – in diesem Heim leben Alt und Jung zusammen

| | 20.07.2023 18:17 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Den Garten nutzen die Heimbewohner gerne. Fotos: Boschbach
Den Garten nutzen die Heimbewohner gerne. Fotos: Boschbach
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Die Awo geht in Großefehn mit dem Pilotprojekt „Wohnen an’t Padd“ neue Wege. Alte Menschen und jüngere mit Handicap sollen voneinander profitieren. Der Anfang ist vielversprechend.

Großefehn - Die Mittagssonne lässt sich nicht aussperren. Sie dringt durch die Spalten der Jalousien und malt ein Streifenmuster auf den Fußboden der Zwei-Zimmer-Wohnung in Großefehn. Fernseher, Küchenzeile, ein kleiner Tisch, ein gemütliches Sofa − Heinz Memenga hat auf 48 Quadratmetern alles, was er zum Leben braucht. Der 80-Jährige ist seit Anfang Juni im Awo-Heim „Wohnen an’t Padd“ zu Hause. Mehrere Monate lang habe er gesucht, sagt er, habe sich Heime im Norden Ostfrieslands angeschaut, unter anderem in Marienhafe. Nichts habe ihn wirklich begeistert, bis er auf das ehemalige Pflegeheim in Großefehn gestoßen sei. Dort hat die Awo vor einigen Wochen ein Pilotprojekt in Betrieb genommen. Es will Senioren ebenso eine Heimat geben wie jüngeren Männern und Frauen, die durchgängig wegen einer körperlichen oder geistigen Einschränkung auf Unterstützung angewiesen sind. Konkret heißt das: Wer einen Pflegegrad zwischen 1 und 4 zugesprochen bekommen hat, kann eine Aufnahme im Heim beantragen.

Hausmeister David Harris (rechts) hat Telefon von Heinz Memenga repariert.
Hausmeister David Harris (rechts) hat Telefon von Heinz Memenga repariert.

Aktuell seien vier der 13 Wohnungen für Nicht-Senioren belegt, drei noch zu vermieten, der Rest sei reserviert, sagt May-Britt Rohden, Fachbereichsleiterin Betreutes Wohnen bei der Awo. Von den zwölf Senioren-Unterkünften seien fünf vermietet. Die Nettokaltmiete im Bereich „Junges Wohnen“ liegt zwischen 306 und 398 Euro im Monat für Ein-Zimmer-Appartements, rund 860 Euro/Monat sind für die Drei-Zimmer-Wohnungen fällig. Wie hoch ist das Interesse? Pro Woche vereinbare man im Schnitt einen Besichtigungstermin, sagt May-Britt Rohden. Bei Gefallen werden sowohl ein konventioneller Mietvertrag sowie zusätzlich ein Servicevertrag abgeschlossen. Dieser umfasst die zusätzlichen Angebote, die Bewohner nutzen können, vornehmlich die Betreuung durch Mirjam Wagner. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, mögliche Barrieren zwischen den Generationen zu überwinden. Sie soll die Menschen, die im „Wohnen an’t Padd“ leben, einander näherbringen. An jedem Werktag gibt es deshalb Angebote im großzügig bemessenen Gemeinschaftssaal. Mal kocht man gemeinsam Erdbeermarmelade ein, mal steht ein Besuch des Wochenmarktes auf dem Programm. Aber auch leichte sportliche Aktivitäten gehen die Männer und Frauen miteinander an.

Nur eine Werkstatt fehlt

Es handele sich dabei um ein unverbindliches Angebot, sagt May-Britt Rohden auf Nachfrage. „Wir freuen uns natürlich, wenn es angenommen wird“, sagt sie. Oft bestehe die Unterstützung aber einfach in der Beratung: „Wir schauen, wie wir jemandem dabei helfen können, so lange wie möglich selbstständig klarzukommen.“ Für Heinz Memenga ist die Lebensform in Großefehn „eine große, große Freiheit“. Er könne zu Fuß Geschäfte erreichen, er könne spazieren gehen. Das Einzige, was ihm fehle, sei der große Garten, den er früher in Simonswolde bewirtschaftet hat. Dorthin ist der Auricher nach dem Tod seiner Ehefrau vor einigen Jahren gezogen. Dann wurde ihm das Haus aber doch zu groß, er wollte sich verkleinern. Welche Wünsche hat er an sein neues Heim? Eine Möglichkeit der Betätigung, vielleicht eine kleine Werkstatt, wäre in seinen Augen nicht schlecht. Früher habe er als Maschinist gearbeitet, viel mit den Händen gearbeitet. Das fehle ihm jetzt.

Spielen fördert die Kommunikation. May-Britt Rohden (links) und Mirjam Wagner erproben das mit Heinz Memenga.
Spielen fördert die Kommunikation. May-Britt Rohden (links) und Mirjam Wagner erproben das mit Heinz Memenga.

Keine Wünsche mehr offen hat Harald Bohlen. Der 52-Jährige lebt seit dem 15. Mai im „Wohnen an’t Padd“ in einem Ein-Raum-Appartement. „Ein schönes, großes Bad und eine Single-Küche gehören auch noch dazu“, ergänzt Anneliese Bohlen. Die Mutter von Harald Bohlen ist sehr froh, dass ihr Sohn nach mehr als zweijähriger Umbauzeit endlich seine Auricher Wohnung verlassen und in Großefehn einziehen konnte. „Wir waren, als wir vor drei Jahren von dem Projekt erfahren haben, quasi fast die Ersten, die sich angemeldet haben“, sagt sie lachend. Mehr oder minder ins Blaue hinein, weil diese Form des betreuten Wohnens sich so attraktiv anhörte. Anneliese Bohlen und ihr Mann leben in Mitte-großefehn. Sie mussten sich, um ihren diabeteskranken Sohn zu unterstützen, immer auf den Weg nach Aurich machen. „Ich werde bald 80 Jahre alt und das wird mir alles ein bisschen viel“, sagt sie. Jetzt müsse sie mit dem Fahrrad nur zwei Kilometer zurücklegen, um ihren Sohn zu sehen.

Diese Skulptur steht vor dem Appartement von Heinz Memenga.
Diese Skulptur steht vor dem Appartement von Heinz Memenga.

Ein weiterer positiver Aspekt: In Aurich habe ihr Sohn, der in Großefehn zur Schule gegangen ist und dort auch eine Ausbildung gemacht habe, sehr isoliert gelebt. Kaum Besuche von Freunden, wenig Kontakte. Bereits während der wenigen Wochen in seiner neuen Heimat habe sich das schlagartig geändert. „Mein Sohn ist ein ganz anderer Mensch geworden“, freut sich Anneliese Bohlen. Und davon profitiere die ganze Familie.

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