Ausfahrt mit Emder Wahrzeichen Wer braucht die Aida, wenn‘s mit dem Feuerschiff auf die Ems geht?

| | 28.08.2023 16:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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In gemütlicher Runde sitzen die Fahrgäste an Deck des Feuerschiffs. Fotos: Hanssen
In gemütlicher Runde sitzen die Fahrgäste an Deck des Feuerschiffs. Fotos: Hanssen
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Am Wochenende konnte das Museumsschiff „Amrumbank/Deutsche Bucht“ das erste Mal seit 2019 wieder mit Gästen ausfahren. Der rote Stahlkoloss wusste zu verzaubern. Eine Reportage.

Emden - Gleichmäßig tuckert der Dieselmotor und treibt die alte Stahl-Dame bei rund sieben Knoten voran durch die Ems. Das sind umgerechnet nur knapp 13 Kilometer pro Stunde. Aber das macht nichts. Bei der Ausfahrt mit dem Emder Museumsschiff „Amrumbank/Deutsche Bucht“ lautet die Devise: „Der Weg ist das Ziel“, sagt Kapitän Gerhard Janßen gut gelaunt. „Es ist ganz ruhig und relaxt.“ Sein größtes Problem an diesem sonnigen Sonntagmittag ist die Musikanlage. Über Bluetooth steuert er diese mit seinem Handy an, doch geht er zu weit ins Stahlschiff, war‘s das wieder mit den Popsongs.

Video
Feuerschiff in Emden: Museumsschiff wieder auf hoher See!
28.08.2023

Was und warum

Darum geht es: das erste Ausfahrtswochenende des Emder Feuerschiffs seit 2019

Vor allem interessant für: Fans des Feuerschiffs, Nostalgie-Begeisterte

Deshalb berichten wir: Wir waren bei der besonderen Ausfahrt dabei und haben mit Leuten an Bord gesprochen.

Die Autorin erreichen Sie unter: m.hanssen@zgo.de

Die Fahrgäste oben an Deck scheint das nicht weiter zu stören. Sie sitzen in bequemen Lounge-Sesseln und recken die Gesichter den Sonnenstrahlen entgegen. Die salzige Seeluft zerzaust das Haar. Es wird gelacht und Kaffee, hier und da sogar ein Aperol Spritz, genossen. Wer braucht schon die Aida oder die MS „Romantika“, wenn es mit einer echten Sehenswürdigkeit auf eine Mini-Kreuzfahrt gehen kann? „Wie Urlaub“, hört man viele Fahrgäste sagen.

Seit 2019 ist es nun das erste Mal wieder mit Fahrgästen auf die Ems rausgegangen.
Seit 2019 ist es nun das erste Mal wieder mit Fahrgästen auf die Ems rausgegangen.
Die Fahrgäste können sich auf dem ganzen Schiff verteilen.
Die Fahrgäste können sich auf dem ganzen Schiff verteilen.

Zu den Schwärmenden gehört auch Irmgard „Inka“ Bison. „Ich finde das so toll“, sagt sie. Seit 1984 lebt sie schon in Emden, aber zum ersten Mal fährt sie auf dem Feuerschiff mit. Ihre Begeisterung ist so groß, dass sie direkt Mitglied im Trägerverein wird. Dem gehören nun 211 Schiffsbegeisterte an.

Kapitän Gerhard Janßen (links) und Vereinsvorsitzender Heinz-Günther Buß begrüßen Neu-Mitglied Irmgard "Inka" Bison.
Kapitän Gerhard Janßen (links) und Vereinsvorsitzender Heinz-Günther Buß begrüßen Neu-Mitglied Irmgard "Inka" Bison.

Sanierung, Pandemie und Sabotage

Zum ersten Mal seit 2019 ist an diesem Wochenende das Emder Feuerschiff auf eine Gäste-Ausfahrt gegangen. In den Jahren ist viel passiert, viele Krisen wurden überwunden, sagt Vereinsvorsitzender Heinz-Günther Buß. Zum einen musste der Verein die große und teure Grundsanierung stemmen. Die Corona-Pandemie machte den Betrieb vom Museum im Schiffsbauch und dem Restaurant an Bord unmöglich. Und dann noch die Sabotage.

Am Sonntag zog es knapp 100 Leute auf das Feuerschiff für eine Ausfahrt.
Am Sonntag zog es knapp 100 Leute auf das Feuerschiff für eine Ausfahrt.
Leinen los und schnell an Bord! Das Feuerschiff sticht in See.
Leinen los und schnell an Bord! Das Feuerschiff sticht in See.

Ein heute 47-jähriger Emder war im Juni vergangenen Jahres in das Feuerschiff eingebrochen und hatte vier Löcher im Maschinenraum durch die Stahlaußenwand gebohrt. Er wollte das Wahrzeichen versenken, um Kritik an der Corona-Politik zu äußern, so seine nebulöse Erklärung vor Gericht. Ein Schaden von rund 126.000 Euro entstand. In zweiter Instanz wurde die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten vor kurzem bekräftigt.

Typisch ostfriesisches Wetter: Ein blauer Himmel und Wolken wechseln sich ab.
Typisch ostfriesisches Wetter: Ein blauer Himmel und Wolken wechseln sich ab.
Die Ausfahrt geht vorbei am Großschiffsliegeplatz. Dort werden Autos in große Frachter verladen.
Die Ausfahrt geht vorbei am Großschiffsliegeplatz. Dort werden Autos in große Frachter verladen.

Die alte Maschine läuft noch gut

Das Feuerschiff ist 1917 in den Dienst gegangen und wurde als schwimmendes Seezeichen unter anderem nahe der Amrumbank und in der Deutschen Bucht eingesetzt. Mit seinem Leuchtfeuer wies es 65 Jahren Schiffen den Weg. Viel Motorkraft hat die „alte Dame“ daher nicht, erklärt Kapitän Gerhard Janßen. Als Seezeichen musste das Schiff nur seine Position halten, nicht schnell irgendwohin fahren. Der Katamaran der AG Ems zieht entsprechend mehrfach wie ein Blitz mit knapp 27 Knoten, also umgerechnet rund 50 Kilometern die Stunde, an dem Museumschiff vorbei.

Das Feuerschiff wurde bereits 1928 mit einem Dieselmotor ausgerüstet, der die ursprüngliche Dampfmaschine ersetzte. Der Sechszylinder-Antrieb, der 330 PS bei 260 Umdrehungen leistet, stellt die älteste, noch funktionierende Feuerschiffsmaschine der Welt dar.
Das Feuerschiff wurde bereits 1928 mit einem Dieselmotor ausgerüstet, der die ursprüngliche Dampfmaschine ersetzte. Der Sechszylinder-Antrieb, der 330 PS bei 260 Umdrehungen leistet, stellt die älteste, noch funktionierende Feuerschiffsmaschine der Welt dar.
Sie kümmern sich um die historische Maschine: Jürgen Lengert (von links), Angelika und Ommo Heyken sowie John Müller (hockend).
Sie kümmern sich um die historische Maschine: Jürgen Lengert (von links), Angelika und Ommo Heyken sowie John Müller (hockend).

Trotz des eher gemächlichen Tempos ist im Maschinenraum einiges los. Der Lärm ist enorm. Der Sechszylinder-Antrieb, der 330 PS bei 260 Umdrehungen leistet, stellt die älteste, noch funktionierende Feuerschiffsmaschine der Welt dar, heißt es auf der Website des Vereins. Wenn nicht nur die Hauptmaschine läuft, so wie bei der Ausfahrt, ist der Krach ohrenbetäubend, sagt Ommo Heyken. Gemeinsam mit seiner Frau Angelika Heyken ist der Berumburer erst seit knapp einem Jahr im Verein und hat schon jetzt den Hut auf in der Maschinen-Crew und ist Sicherheitsbeauftragter. Das Paar hat sich nicht nur in die alte Technik eingearbeitet, sondern auch in die moderne Bürokratie.

Im Innern des Schiffs können Fahrgäste auch verweilen.
Im Innern des Schiffs können Fahrgäste auch verweilen.
Zum Frühstück gibt es belegte Brötchen.
Zum Frühstück gibt es belegte Brötchen.

Viel Aufwand vor der Ausfahrt

Die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr hat dem Feuerschiff-Verein das Sicherheitszeugnis und das Schiffsbesatzungszeugnis erst vor kurzem erteilt. Eine neue Sicherheitsverordnung hat dem Verein vieles abverlangt, um die Ausfahrten wieder zu erlauben. Die Crewmitglieder mussten ihre Seediensttauglichkeit und ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse beweisen, erklärt Jürgen Lengert von der Maschinen-Crew. Dass das ebenso geklappt hat wie die große Übung vor kurzem, ist ein „großer Erfolg“. Und: „Der Motor läuft“, sagt Ommo Heyken. Vor der ersten Tour am Samstag war er deswegen schon aufgeregt.

Jürgen Lengert (links) und Bertold Kremer überprüfen die Schiffstechnik.
Jürgen Lengert (links) und Bertold Kremer überprüfen die Schiffstechnik.
Alle Fahrgäste bekommen eine Bordkarte mit einer von vier Farben, die angibt, wo man sich im Notfall versammeln muss und wer der Gruppenleiter ist.
Alle Fahrgäste bekommen eine Bordkarte mit einer von vier Farben, die angibt, wo man sich im Notfall versammeln muss und wer der Gruppenleiter ist.

Doch im Maschinenraum läuft es genauso gut wie oben an Deck. Da packt unter anderem Bertold Kremer mit an. Er bezeichnet sich selbst humorvoll als Azubi. Vor 15 Jahren hatte der schwimmende Weihnachtsmarkt ihn und seine Frau Annette Kremer von Essen nach Emden gezogen. Sie wurden auf das Feuerschiff aufmerksam und sind seitdem alle zwei Monate mit dem Wohnmobil in der Seehafenstadt. Auf der Brücke schiebt Hermann Fricke den Dienst neben Kapitän Janßen sowie den Lotsen Malte Meinen und Hanno Bach. „Die Technik funktioniert gut“, sagt Fricke. Er hat das Radargerät fest im Blick und schaut, dass immer genug Wasser unter dem Kiel ist.

Die Lotsen Malte Meiners (links) und Hanno Bach halten auf der Brücke die Stellung. Hier sind sie im Gespräch mit Heinz-Günther Buß.
Die Lotsen Malte Meiners (links) und Hanno Bach halten auf der Brücke die Stellung. Hier sind sie im Gespräch mit Heinz-Günther Buß.
Das Feuerschiff fährt einmal bis Eemshaven und dreht dann wieder um.
Das Feuerschiff fährt einmal bis Eemshaven und dreht dann wieder um.

Gäste fahren um 3 Uhr zum Emder Feuerschiff

Während die einen arbeiten, genießen die anderen ihren Kurzurlaub an Deck. Nicole Hedler ist mit ihrem Partner um 3 Uhr morgens in Hagen (Nordrhein-Westfalen) losgefahren, um pünktlich in Emden zu sein. Durch Zufall hat sie von der Ausfahrt erfahren. „Das hier ist meine Heimat“, schwärmt sie. Ihr Großvater ist zur See gefahren. Sie hält mit ihrer Kamera Ausschau nach Seehunden. Bei den beiden Ausfahrten am Wochenende, die insgesamt von mehr als 200 Leuten in Anspruch genommen wurden, waren neben vielen Ostfriesen unter anderem Gäste aus Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg dabei, sagt Heinz-Günther Buß. Viele seien Paare gewesen, die auf dem Schiff geheiratet hätten. Etwa neun Trauungen seien für dieses Jahr noch angemeldet, so Buß.

Nicole Hedler ist um 3 Uhr in Hagen losgefahren, um pünktlich auf dem Feuerschiff zu sein. Sie will Seehunde fotografieren.
Nicole Hedler ist um 3 Uhr in Hagen losgefahren, um pünktlich auf dem Feuerschiff zu sein. Sie will Seehunde fotografieren.

2010 hat sie auf dem Feuerschiff geheiratet, sagt Sonja Renken-Mühlbacher aus Emden. Ihr gefällt die Nostalgie und das Tuckern des Motors bei der Ausfahrt. „Die Erhaltung der Kultur muss man fördern“, findet sie. Kerstin Heitmann, seit Januar Leiterin der Löwen-Apotheke in Emden, zeigt sich auch begeistert von der Ausfahrt. Erst habe sie Sorge gehabt, dass die sieben Stunden an Bord doch etwas lang wären. „Aber es ist toll“, sagt sie.

Düstere Wolken sind in der Ferne zu sehen.
Düstere Wolken sind in der Ferne zu sehen.
Brrr: Zum Ende der Fahrt hin holt der Regen doch ein.
Brrr: Zum Ende der Fahrt hin holt der Regen doch ein.

Am Ende erfüllt sich der Wunsch von Kapitän Janßen nicht ganz, dass ein aufziehendes Unwetter das Feuerschiff nicht einholt. Über Eemshaven blitzt und donnert es. Dort, wo das Unglücksschiff „Freemantle Highway“ gut sichtbar in einer Werft liegt. Regen und Wind fegen schließlich auch über das Feuerschiff. Doch am Ende wird alles gut: Bei der Einfahrt in Emden scheint wieder die Sonne. „Ich bin nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei“, sagt Neu-Mitglied Inka Bison.

Bei Sonnenschein gehen die Fahrgäste in Emden am Middelmantje um 16 Uhr wieder von Bord.
Bei Sonnenschein gehen die Fahrgäste in Emden am Middelmantje um 16 Uhr wieder von Bord.
Nach der Ausfahrt geht es für das Feuerschiff wieder durch die Schleuse in den Delft.
Nach der Ausfahrt geht es für das Feuerschiff wieder durch die Schleuse in den Delft.

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