Umweltschutz So stark verschmutzen Industrieanlagen die Luft in Ostfriesland

| | 20.10.2023 13:57 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Idylle und Industrie – in Ostfriesland kommt beides zusammen. Symbolfoto: Schuldt/DPA
Idylle und Industrie – in Ostfriesland kommt beides zusammen. Symbolfoto: Schuldt/DPA
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Auch im von Luftkurorten gesäumten Ostfriesland gibt es Anlagen, die Schadstoffe in die Luft pusten. EU-Zahlen belegen das – und zeigen, was die Emissionen die Gesellschaft kosten.

Ostfriesland - Ostfriesland ist bekannt für das platte Land, seine vielen Kühe, die Inseln – und die gute Luft an der Küste. Nicht umsonst zählt die Region diverse Luftkurorte, nicht umsonst erfreuen sich die Menschen am Reizklima und werden gar zur Kur in den Nordwesten geschickt. Doch auch hier, wo man am Strand das Meersalz in der Luft förmlich schmecken kann, gibt es Luftverschmutzung. Nicht nur Autos pusten allerlei Schadstoffe in die Luft, auch Industrieanlagen emittieren tagtäglich Stoffe, die weder gut für die Menschen noch für die Natur sind. Das belegen Zahlen der Europäischen Umweltagentur (EUA), die Grundlage dieser Recherche-Kooperation von Correctiv.Lokal, Correctiv.Europe und unserer Redaktion sind.

Was wurde untersucht?

Die EUA veröffentlicht lediglich die Daten der größten Luftverschmutzer in Europa. Das bedeutet, dass kleinere Betriebe, die unter dem Schwellenwert für den jeweils ausgestoßenen Stoff, nicht dokumentiert werden. Heißt: Alle angegebenen Werte zu Industrieanlagen sind nur Mindestangaben, denn es können sich in den jeweiligen Landkreisen noch viele kleine Betriebe befinden, die nicht Teil der EUA-Zahlen sind – und die die Luftverschmutzung noch weiter nach oben treiben könnten.

Wer hat wie viele Schadstoffe ausgestoßen?

Spitzenreiter in Ostfriesland ist die Stadt Emden – mit dem Volkswagen-Werk und dem Biomasseheizkraftwerk. Im Referenzjahr 2017 hat alleine Volkswagen in Emden 301 Tonnen Flüchtige Organische Verbindungen ausgestoßen, das Biomasseheizkraftwerk 264.000 Tonnen Kohlendioxid und 134 Tonnen Stickoxide.

Projekt „Zukunft Nordsee“

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Zukunft Nordsee“ von Ostfriesen-Zeitung, General-Anzeiger, Borkumer Zeitung, Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Deutscher Presse-Agentur (DPA). In dieser Serie beschäftigen wir uns mit Themen, die für die gesamte Küstenregion relevant sind – zum Beispiel mit dem Klimawandel, erneuerbaren Energien, der Entwicklung der Wirtschaft und dem Tourismus.

Für den Landkreis Aurich wird als Großemittent lediglich die Sophienhof Ferkel GmbH in der Hagermarsch gelistet, die seit 2012 bis 2021 jedes Jahr 13 Tonnen Ammoniak ausgestoßen hat.

Im Landkreis Leer gehen als große Emittenten das Kraftwerk von Klingele in Weener, die Schweinemastanlage Domänenstraße in Völlen und die GePo-Hähnchenmast aus den EUA-Zahlen hervor. Das Kraftwerk stieß 2017 221.000 Tonnen Kohlendioxid und 154 Tonnen Stickoxide aus. Die Schweinemast in Völlen schlug mit 14,4 Tonnen Ammoniak zu Buche, die Hähnchenmast in Ostrhauderfehn mit 10,6 Tonnen.

Im Landkreis Wittmund gibt es nach Maßgabe der EUA keinen Emittenten, der über den Schwellenwerten liegt.

Was bedeutet das für die Gesellschaft?

Die EUA hat geschätzt, wie viel Geld der Ausstoß der Schadstoffe die Gesellschaft ungefähr kosten – etwa in Form von Erkrankungen, vorzeitigen Todesfällen, zusätzlichen Belastungen des Gesundheitssystems oder Umweltschäden. „Europas Industrie hat erhebliche Fortschritte bei der Verringerung ihrer Umwelt- und Klimaauswirkungen gemacht. Die gesellschaftlichen Kosten (…), die durch die Luftverschmutzung aus dem Sektor verursacht werden, bleiben jedoch hoch und umfassen Schäden an der menschlichen Gesundheit, den Ökosystemen, der Infrastruktur und dem Klima“, heißt es dazu.

Das lässt sich für Ostfriesland in Zahlen zusammenfassen: So hat 2017 der Ausstoß in Emden die Gesellschaft mindestens 31,05 Millionen Euro gekostet, der im Landkreis Leer 27,07 Millionen und der im Landkreis Aurich 335.370 Euro. Das bedeutet, dass die finanziellen Auswirkungen von Kohlendioxid, Stickoxiden, Flüchtigen Organischen Verbindungen und Ammoniak in Ostfriesland 2017 bei insgesamt mindestens 58,46 Millionen Euro lagen. Doch im Verhältnis ist das noch wenig: Europas Spitzenreiter ist ein Kraftwerk im polnischen Rogowiec mit allein 4,8 Milliarden Euro, gefolgt vom RWE-Kraftwerk in Grevenbroich mit 3,8 Milliarden Euro.

Was hat es mit den Schadstoffen auf sich?

„In der Umwelt vorkommende Stickstoffdioxid-Konzentrationen sind vor allem für Asthmatiker ein Problem, da sich eine Bronchienverengung einstellen kann, die zum Beispiel durch die Wirkungen von Allergenen verstärkt werden kann. Zudem kann eine jahrzehntelange Belastung durch NO2 das Risiko an Herz-Kreislauferkrankungen zu versterben erhöhen“, schreibt das Umweltbundesamt. Kohlendioxid treibt den Klimawandel voran, „Ammoniak gefährdet die menschliche Gesundheit und schädigt Pflanzen und Ökosysteme“. Das Positive: Seit Jahren nimmt die Schadstoffbelastung europaweit ab – doch es gibt einen Haken. Die EUA-Zahlen zeigen, dass es im Fall von Ammoniak nicht bergab geht, sondern die Emissionen teilweise sogar zunehmen. In Ostfriesland herrscht bei dem vor allem in der Landwirtschaft freigesetzten Stoff eine Stagnation.

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation unserer Redaktion mit Correctiv.Europe und Correctiv.Lokal. Beide Projekte fördern den Lokaljournalismus und stärken somit die Demokratie. Mehr unter correctiv.org/lokal.

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