Spenden für Delphin-Therapie Liah-Mara aus Emden braucht noch mehr Glücksmomente


Ein Emder Mädchen mit dem seltenen Gen-Defekt HLH hat sich nach einer Stammzellenspende gut entwickelt. Für einen weiteren Schub nach vorn setzen ihre Eltern auf eine Delphin-Therapie.
Emden - Liah-Mara Boes ist wieder kerngesund. Das hat der Arzt in Hamburg jetzt nach dem Zweijahres-Check der kleinen Emderin gesagt. Und ein bisschen schenkt das bald zehnjährige Mädchen, das seit ihrem sechsten Lebensjahr durch eine medizinische Hölle ging, dem Spezialisten auch Vertrauen. Zumindest isst sie wieder mehr. Aber Tränen kann sie bis heute nicht vergießen. „Ich wünsche mir nichts mehr, als dass Liah-Mara wieder weinen kann“, sagt ihre Mutter.
Dafür setzen Michaela und Reiner Boes auf eine Delphin-Therapie. Sie erhoffen sich dadurch einen kognitiv-emotionalen Schub in der Entwicklung ihrer Tochter. Die Begegnung, die Berührung eines Delphins soll ungeahnte Glücksmomente auslösen, heißt es. Und genau die sollen letztlich auch dafür sorgen, dass Tränen fließen können. Sowohl vor Freude, als eben auch, wenn sich die Kleine einmal irgendwo stößt und es wehtut. Im Moment verzerrt sie nur ihr Gesicht und reißt ihre Augen weit auf. Tränen bleiben aus. Auch andere Gefühle kann Liah-Mara nur schwer ausdrücken.
Schlaganfall mit Hirnblutung
Schuld ist ein seltener Gen-Defekt. 2020 wurde er bei Liah-Mara diagnostiziert, als es eigentlich schon zu spät war. Erst war sie nur müde, unzählige Untersuchungen bei diversen Fachärzten kamen zunächst zu keinem Ergebnis. Dann passierte es bei einem Klinik-Aufenthalt: Liah-Mara erlitt eine schwere Hirnblutung und einen Schlaganfall. Ihre T-Zellen, also Abwehrzellen hatten eine Arterie zersetzt.
Die hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) stellt eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung dar, die durch eine überschießende, aber ineffektive Immunantwort charakterisiert ist, heißt es. Organe und Adern werden angegriffen. Heilung gibt es keine, es sei denn, die Stammzellen werden ausgetauscht.
Plötzliche Wesensveränderung
Liah-Mara hatte noch Glück, eine Stammzellenspenderin wurde gefunden, die Spende war erfolgreich. Aber es lief nicht so glatt, wie es klingt - im Gegenteil. Die Hirnblutung war nach einer Not-Operation gestoppt worden, bei der ihre Schädeldecke zeitweise entfernt werden musste. Fünf Tage Koma nach der OP belasteten auch die Eltern. Sie freuten sich allerdings sehr, dass sich die Kleine dann schnell erholte. „Abends haben wir in der Klinik zusammen Bibi und Tina geguckt“, sagt Reiner Boes.

Sechs Wochen später ging das nicht mehr. Liah-Mara erlitt einen schweren Krampfanfall. „Sie war plötzlich wie ein Roboter“, schildert ihr Vater. „Ihr gesamtes Wesen war verändert.“
Psychosomatische Reaktionen
Belastend in dieser Zeit waren für das Mädchen auch die Therapien. Ihr Immunsystem wurde mit hochdosiertem Cortison in Schach gehalten. außerdem gab es viele Wochen Chemotherapie. In der Klinik entwickelte sie sich sogar zurück, körperlich wie geistig. Liah-Mara wurde leiser. Aus dem einst aufgeweckten Kind wurde eines, das seine Ängste nur noch durch Erbrechen und Durchfälle zum Ausdruck bringen konnte. Und das zu Hause auf gar keinen Fall mehr Bibi und Tina schauen wollte, weil die einst so geliebte Kinder-Serie mit Klinik-Aufenthalten und Schmerzen eng verknüpft war.
Inzwischen redet Liah-Mara wieder. Es sprudelt sogar oft geradezu wie ein Wasserfall aus ihr heraus. Allerdings auch unkontrolliert - und Witze muss sich jeder mehrfach anhören, schildert ihre Mutter. Sie gibt ihr dann Tricks und Ratschläge auf den Schulweg, damit es dort passt. „Liah-Mara spielt seit einer Woche sogar wieder mit anderen Kindern, hat eine Freundin“, sagt Michaela Boes. „Ich hoffe so sehr, dass das so bleibt.“
Nähe und Distanz neu lernen
Die Hirnblutung war kurz nach ihrer Einschulung in die Grundschule Larrelt passiert. An Schule war dann lange Zeit gar nicht mehr zu denken. Zu Hause half eine engagierte Nachhilfelehrerin. Dass Liah-Mara inzwischen lesen, schreiben und rechnen kann, verwunderte wohl auch die Lehrkräfte an der Förderschule, wo sie zunächst seit den Sommerferien eingegliedert war. Seit zwei Wochen lernt Liah-Mara jetzt fast wie ein normales Mädchen an der Wallschule und feiert dort in der zweiten Klasse bei Frau Stüber ihren zehnten Geburtstag.
Liah-Mara wird dabei von einer Schulbegleiterin unterstützt. Denn die Spielregeln im menschlichen Umgang, wann wer spricht und wie lange - all das muss sie wieder erlernen. Die Ausgewogenheit zwischen Nähe und Distanz sind noch ein Problem für die Kleine. Dabei hilft ihr auch das therapeutische Reiten in Ihlow, wo das Kind allein durch die Berührung mit dem Pferd entspannt. Dorthin fährt ihre Mutter sie einmal in der Woche, genauso wie zu den Terminen beim Ergotherapeuten, der Logopädin, dem Osteopathen, zu notwendigen Kontroll-Terminen in Kliniken und zu Fachärzten. „Wir sind montags bis freitags unterwegs“, sagt die Mutter. „Aber es lohnt sich sehr, ich sehe große Erfolge.“
20.000 Euro für die Therapie
Die Delphin-Therapie könnte die Entwicklung nochmals beschleunigen, und sie wäre auch ein Ersatz für eine Reha, die Liah-Mara aufgrund der Krankheitsbekämpfung nach der Not-OP nie antreten konnte. Allerdings zahlt die Krankenkasse einen mehrwöchigen Aufenthalt in Curacao nicht. Die Reise wird rund 20.000 Euro kosten, die der Heizungsbauer und seine Frau nicht aufbringen könnten.
Es gebe weniger weit entfernte Länder, preisgünstigere Angebote, wo eine Begegnung mit Delphinen möglich wäre, räumen die Boes ein. Doch nach intensiver Recherche kommen sie zu dem Schluss, dass nur in Curacao halbwegs tierfreundlich mit den eigentlich wildlebenden Delphinen umgegangen werde. „Dort haben Delphine riesige Areale im Meer“, sagt Michaela Boes. „Anderswo sind sie in kleinen Becken eingesperrt.“
5000 Euro sind schon gesammelt
Anfang des Jahres lernte Heino Ammersken von der Diaconie der fremdlingen Armen das Mädchen kennen und versprach Unterstützung. „Im Vergleich zum Frühjahr ist Liah-Mara nicht wiederzuerkennen“, bestätigt Ammersken. An dem Angebot, durch die eigentlich im Verborgenen agierende Hilfsorganisation Spenden für die noch ausstehende Delphin-Therpie für die Kleine zu generieren, hält er fest. „Es braucht noch den letzten Kick“, sagt er. „Wir sehen ja, dass sich das Kind entwickeln will.“
Wer die Familie unterstützen will, kann sich an Ammersken über die Internetseite der Diaconie der fremdlingen Armen wenden. Die Organisation tritt im Übrigen erst zum zweiten Mal in ihrer über 455-jährigen Geschichte so offensiv bei der Spendensammlung in Erscheinung. Sonst werden satzungsgemäß „verschämte, in Not geratene Menschen“ außerhalb der Öffentlichkeit unbürokratisch unterstützt. „Für Liah-Mara können wir Spendenquittungen ausstellen und die Sammlung organisieren“, sagt Ammersken. 5000 Euro sind so schon zusammengekommen.