Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Ostfriesischen Amerika-Auswanderern auf der Spur

| | 09.03.2024 12:09 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Viele Ostfriesen wollen mehr über ihre Ahnen erfahren. Symbolfoto: pixabay
Viele Ostfriesen wollen mehr über ihre Ahnen erfahren. Symbolfoto: pixabay
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Viele Ostfriesen wanderten im 19. Jahrhundert aus. Familienbande rissen. Heute begeben sich Angehörige oft auf Spurensuche und betreiben Ahnenforschung. Eine Börse kann helfen.

Großefehn/Wilhelmshaven - Unzählige Fehntjer und andere Ostfriesen haben Verwandte in den USA – doch längst nicht jeder kennt den Cousin oder die Tante vierten oder vielleicht fünften Grades. Viele aber wissen davon, dass es da jemanden gegeben haben muss. Sie wollen wissen, wie sich dieser Zweig der Familie entwickelt hat – und ob es dort heute noch jemanden gibt, mit dem er oder sie einen Teil der DNA teilt. Einige begeben sich in Datenbanken im Internet oder in alten Kirchenbüchern auf Spurensuche, betreiben Genealogie. Nicht selten ist dies ein mühsames Unterfangen.

Unterstützung beim Einstieg in die eigene Ahnenforschung oder neue Wege für jene, die bereits erste Schritt gegangen sind, soll es am Sonnabend, 16. März, von 10 bis 16 Uhr auf einer Genealogiebörse geben. Die findet zwar außerhalb von Ostfriesland statt, steht aber unter dem Motto „Genealogie zwischen Ems und Weser“. Im Küstenmuseum in Wilhelmshaven sind diverse Aussteller aus den Reihen genealogischer Vereine sowie Softwarehersteller und kommerzielle Anbieter von Online-Datenbanken vertreten. Es wird auch ein Vortragsprogramm geben. Veranstalter ist die Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Familiengeschichtsforschung im Jeverland. Dabei sein wird unter anderem die Upstalsboom-Gesellschaft für historische Personenforschung und Bevölkerungsgeschichte in Ostfriesland.

Jede Suche ist individuell

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, den eigenen verzweigten Stammbaum sichtbar zu machen und möglicherweise Familiengeheimnisse aufzudecken. Ungeübte könnten schnell den Überblick verlieren, weiß Dr. Wolfgang Grams. Gerade die Suche in Datenbanken ende für viele oft in einem Wirrwarr. Wer es jedoch richtig anstellt, könne unter Umständen schon nach drei Nachmittagen beachtliche Erfolge vorweisen, stellt der Oldenburger Fachmann für Ahnenforschung in Auswandererfamilien in Aussicht. „Die Schwierigkeit ist, dass jede Suche individuell ist.“ Es sei eine spannende Tätigkeit, in die Familiengeschichte einzutauchen. „Ich ermutige die Leute, selbst zu recherchieren.“ Zum Teil wird er jedoch auch von den Suchenden zur Rate gezogen. Vorrangig von Amerikanern, die auf der Suche nach ihren deutschen Wurzeln sind, erläutert er.

Dr. Wolfgang Grams führt Ostfriesen in Reisegruppen nach Amerika. Im Mittleren Westen führt er sie zu den Schauplätzen, an deren sich Fehntjer und andere Ostfriesen einst niederließen. Foto: privat
Dr. Wolfgang Grams führt Ostfriesen in Reisegruppen nach Amerika. Im Mittleren Westen führt er sie zu den Schauplätzen, an deren sich Fehntjer und andere Ostfriesen einst niederließen. Foto: privat

Der 70 Jahre alte studierte Politik- und Literaturwissenschaftler hat sich bereits vor Jahrzehnten der historischen biografischen Forschung zugewandt. „In meinen Arbeiten, Projekten und Recherchen geht es im Schwerpunkt um die Lebensläufe der Auswanderer.“ Grams bringt so auch Menschen zusammen: Ostfriesen kennen ihn vor allem als Reiseveranstalter. Grams organisiert mit „Routes to the Roots – Research and Travel“ Touren. Im Juli bricht er erneut mit einer Reisegruppe in die Vereinigten Staaten auf. Der Name der Reise lautet „2000 Meilen durch den Mittleren Westen – Plattdeutsch in Amerika 2024. Auf den Spuren der Auswanderer aus Ostfriesland und dem Nordwesten“. Es geht von Minneapolis nach Chicago. Einige freie Plätze gibt es noch.

Eine Suche, die Spaß machen kann

Vor zwei Jahren begleitete der Moderator Yared Dibaba für den NDR eine ganz ähnliche Reiseroute. Diesmal sind Etappenziele wie Golden und Flatville im Bundesstaat Illinois eingeplant. Orte, an denen sich einst viele Fehntjer niederließen. Etwa ein Drittel der Mitreisenden, überschlägt Grams, sei motiviert durch die eigene Familiengeschichte. „Niemand kann genau sagen, wie viele Ostfriesen in die USA ausgewandert sind“, sagt der Oldenburger. Schätzungen zufolge sind es 80.000 bis 100.000. „Das können nur Schätzungen sein, weil es keine geschlossene Dokumentation gibt.“

Unbestritten sei, dass es Zehntausende waren: „Das ist für eine kleine Region eine große Zahl.“ Für einige Dörfer gilt, dass bis zu einem Drittel der Bewohner aus der Not im 19. Jahrhundert heraus das Glück in Übersee suchte. Die erste große Welle schwappte in den 1850er Jahren über den Ozean.

Im Jahr 2022 begleitete Moderator Yared Dibaba eine von Wolfgang Grams geführte Reisegruppe in den Mittleren Westen für eine Dokumentation auf dem NDR. Das Bild entstand in Scribner, Nebraska. Foto: privat
Im Jahr 2022 begleitete Moderator Yared Dibaba eine von Wolfgang Grams geführte Reisegruppe in den Mittleren Westen für eine Dokumentation auf dem NDR. Das Bild entstand in Scribner, Nebraska. Foto: privat

Etwa 90 Prozent derer, die nach Übersee gingen, hatten Nordamerika als Ziel, sagt Grams. In ostfriesischen Familien hält er die Möglichkeit, einen Auswanderer in der eigenen Ahnenreihe zu haben, für relativ hoch. Viele wüssten noch einigermaßen sicher von Auswanderern aus den eigenen Reihen – oder es gibt innerhalb der Familie Gerüchte. „Ich hab da mal was gehört“ sei einer der meistgesagten Sätze, wenn es um dieses Thema geht, verrät er und lacht. Viele Ostfriesen haben in zurückliegenden Jahrzehnten genau das zum Anlass genommen, dem auf den Grund zu gehen. Grams ermutigt die Leute dazu, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Er findet, eine solche Suche sei eine spannende Erfahrung. Und er versichert: „Es ist auch eine Sache, die Spaß macht.“

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