Erinnerungen ans Blütenmeer Als im Rheiderland noch riesige Tulpenfelder blühten


Nur 15 Kilometer von Bunde entfernt, kann man im niederländischen Reiderwolderpolder derzeit ein riesiges Blütenmeer bestaunen. Das gab es auch im Rheiderland. Dieter Hunken aus Bunde erinnert sich.
Reiderwolderpolder/Bunde - Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel ist das Leuchten schon von weitem zu sehen. Die Köpfe von Millionen von Tulpen in allen möglichen Farben wiegen sich sanft im Wind, am Himmel trillert eine Feldlerche. Paradiesisch. Das viele Hektar große Blütenmeer in Reiderwolderpolder in der niederländischen Gemeinde Oldambt ist jedes Jahr im Frühling ein Publikumsmagnet. Auch für Rheiderländer. Dabei wissen viele nicht, dass es solche Felder auch in Landschaftspolder und Bunderhammrich (Gemeinde Bunde) gab. Dieter Hunken aus Bunde hat die Blütezeit der Tulpenzwiebelvermehrung als Kind miterlebt und erinnert sich noch gut an die Zeit.

„An den Wochenenden war dort richtig was los“, sagt er. Die Familien kamen meist mit dem Auto. Scharenweise. „Ich selbst bin in Bunde aufgewachsen, aber einige meiner Klassenkameraden aus Landschaftspolder hatten am Montag in der Schule immer ordentlich was zu erzählen.“

Schüler verkauften Blütengirlanden
Die Schüler verkauften nicht nur Tulpensträuße, sondern auch aufgefädelte Blüten als Tulpengirlanden an die Ausflugsgäste. „Die haben ihnen die Besucher abgekauft und vorne ins Auto gelegt.“ Daran habe man immer sofort erkennen können, wer einen Ausflug nach Landschaftspolder gemacht hatte. Doch nicht nur damit hätten seine Mitschüler vom Polder sich ein Taschengeld verdient. „Einige haben beim Säubern der Tulpenzwiebeln geholfen und dafür ein paar Pfennige bekommen.“

Das Interesse der Landwirte galt übrigens nicht den Tulpen als Schnittblumen, sondern der Gewinnung und dem Verkauf ihrer Zwiebeln. Der boomte nämlich Anfang der 1930er Jahre. Anfangs war das Tulpenpflanzen mühsame Handarbeit.

Pflanzpflug als Arbeitserleichterung
„Der Pflanzpflug hat die Arbeit später aber erleichtert“, berichtet Dieter Hunken. Er ist im Rheiderland nicht nur als Müller der Bunder Mühle bekannt. Hunken gehört auch zum Mitarbeiter-Team im Dollart-Museum und kann Besuchern viel Wissenswertes aus erster Hand über die Blütezeit der Tulpenzwiebelgewinnung berichten. Viele Geräte und Maschinen von früher sind dort zu sehen.

Einige hat der damalige Schmiedemeister Hermann Wessels entwickelt – zum Beispiel die Blumenzwiebel-Waschmaschine. In der länglichen Trommel wurden die Tulpenzwiebeln vor dem Trocknen gewaschen und von Resten des hartnäckigen Kleibodens gesäubert.

Tulpenköpfmaschine erleichterte die Arbeit
Dieter Hunken fällt dazu beim Erzählen eine Anekdote ein. Als der Schmiedemeister mit dem Bau der Maschine fertig war, musste sie noch gestrichen werden – auch von innen. „Diese Aufgabe hat damals der Grundschullehrer Eckhard Henning aus Landschaftspolder übernommen“, weiß Dieter Hunken zu berichten. Der Lehrer sei so klein und dünn gewesen, dass er problemlos in die schmale Trommel krabbeln konnte. „Er hat sich darin Stück für Stück vorgearbeitet und sie von innen angepinselt.“

Eine Maschine, die für die Zwiebelgewinnung wichtig war, ist zwar auf Fotos im Museum zu sehen, aber nicht mehr im Original erhalten: die Tulpenköpfmaschine, die ebenfalls vom Schmiedemeister Hermann Wessels entwickelt worden war.

Konkurrenz aus den Niederlanden
„Das war eine enorme Arbeitserleichterung, weil die Blüten bis dahin in Handarbeit abgeschnitten werden mussten.“ Davon existierten laut Hunken nur zwei Stück. Dass eine davon zerstört worden war, sei bekannt gewesen. Der Verbleib der zweiten Maschine war aber unklar – bis zu einer Führung im Dollard-Museum. „Ein Besucher aus den Niederlanden erzählte mir, dass sie dort verschrottet worden ist.“

Heute prägen Mais- oder Getreidefelder das Bild in Landschaftspolder. Ein paar Blühstreifen für Insekten findet man dort noch, aber die Zeit der bunten Tulpenfelder ist Geschichte. Sie endete etwa Mitte der 1970er Jahre, nicht zuletzt, weil die Anbau- und Erntemethoden zu personalintensiv waren und die Konkurrenz aus den Niederlanden groß war.

„Dort hatte man die Anbaumethoden nämlich weiterentwickelt“, erzählt Dieter Hunken. Um einen Eindruck zu bekommen, wie Landschaftspolder einst geleuchtet hat, müssen Rheiderländer im Frühling nicht weit fahren. Von Bunde nach Reiderwolderpolder sind es mit dem Auto nur 15 Kilometer.
