Aktion im Historischen Museum Warum ein Pastorenmord nach 110 Jahren noch Fragen aufwirft

| | 18.05.2024 10:04 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Sie verwandeln Akten in lebendige Geschichte: (von links) Dr. Michael Hermann, Reenste Cornelis und Katja Druivenga. Foto: privat
Sie verwandeln Akten in lebendige Geschichte: (von links) Dr. Michael Hermann, Reenste Cornelis und Katja Druivenga. Foto: privat
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Das Niedersächsische Landesarchiv und die Kulturgesichter machen Pfingstsonntag Geschichte lebendig. Sie tauchen ein in ein schauerliches Gewaltverbrechen im Januar 1914.

Aurich - Nur Christus am Kreuz war Zeuge, als Pastor Wilhelm Loets am 2. Januar 1914 in der Reepsholter Kirche seinen letzten Kampf ausfocht. Er hatte einen Mann dabei ertappt, wie er gerade den Opferstock aufbrechen wollte. Der mit einer Pistole bewaffnete Einbrecher war nicht bereit, seine sicher geglaubte Beute herzugeben. Es kam zu einem Handgemenge, ein Schuss löste sich und traf Wilhelm Loets ins Bein. Die weiteren Schüsse feuerte der Eindringling gezielt ab, der Gottesmann sackte zusammen und verblutete neben dem Opferstock.

110 Jahre später weiß die Nachwelt so viel über dieses Gewaltverbrechen, weil es sehr gut dokumentiert wurde. Es gibt Akten der Staatsanwaltschaft, Zeitungsartikel, Dokumente, Protokolle, ein Telegramm, ja sogar Fotografien. Das Material lagert im Niedersächsischen Landesarchiv in Aurich an der Oldersumer Straße. Dessen Leiter, Dr. Michael Hermann, hat ein vitales Interesse daran, die Öffentlichkeit an Historien-Preziosen wie diesen teilhaben zu lassen. Was ist naheliegender, als aus dem Reepsholter Pastorenmord eine kleine Inszenierung zu machen? Mit dieser Überlegung wandte sich der Wissenschaftler an die als „Kulturgesichter“ bekannten Stadtführerinnen Reenste Cornelis und Katja Druivenga. Gemeinsam haben sie den Stoff so weit aufbereitet, dass daraus eine ebenso lehrreiche wie kurzweilige szenische Lesung geworden ist, die am Sonntag, 19. Mai, im Historischen Museum gezeigt wird.

Fall erregte großes Aufsehen

Dafür schlüpft Michael Hermann in die Rolle des fiktiven Gendarmerie-Wachtmeisters Hartwig, Reenste Cornelis in die der Richterin. Anhand einer verdichteten Fassung des Geschehens und mit Hilfe des Aktenmaterials wollen sie das Geschehen in Reepsholt anschaulich nachzeichnen. „Ich beziehe, wie wir das immer machen, auch das Publikum mit ein“, sagt Reenste Cornelis. Der Fall sei wirklich sehr spannend und habe seinerzeit für sehr großes Aufsehen gesorgt. Der aus Burhafe stammende Täter, der als Putzer arbeitende Christoph Heeren Christoffers, sei Wochen später in einer Jeveraner Gaststätte auffällig geworden. Man habe die Polizei gerufen. Bei der Durchsuchung sei man auf die Pistole gestoßen, die das Tatwerkzeug war.

Kurios: Erst etwas mehr als drei Jahre später wurde dem Täter der Prozess gemacht. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 28. Juli 1914 hat vermutlich zu dieser zeitlichen Verschiebung geführt. Bei der Verhandlung habe man, so Dr. Michael Hermann, den möglichen Hergang der Tat nachgestellt und fotografiert. Die Aufnahmen würden bei der szenischen Lesung dem Publikum auch gezeigt. „Uns ist es wichtig zu vermitteln, dass jeder das Landesarchiv nutzen kann“, sagt der Wissenschaftler. An dem Fall aus Reepsholt lasse sich lebendig veranschaulichen, wie man Dokumente zum Sprechen bringen kann. Die Termine für die Lesungen im Historischen Museum, Burgstraße 24, sind am Sonntag, 19. Mai, jeweils um 11.30 Uhr, 12.30 Uhr, 13.30 Uhr und 14.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Aktion ist Teil des Aktionsprogramms zum Museumstag.

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