Verfassungsschutz AfD gesichert rechtsextremistisch – das sagen ostfriesische Politiker


Seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren ist die AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzes kontinuierlich weiter nach rechts gerückt. Inzwischen sei klar: Die Partei ist extremistisch.
Ostfriesland/Berlin - Die AfD ist „gesichert rechtsextremistisch“. Sie missachte die Menschenwürde und sei als Gesamtpartei extremistisch geprägt. Zu dieser Einschätzung ist das Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen. Die entsprechende Mitteilung wurde am Freitag, 2. Mai 2025, veröffentlicht.
Bislang war die AfD auf Bundesebene als Verdachtsfall eingestuft worden. „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, heißt es in der Mitteilung des Verfassungsschutzes.
Johann Saathoff: Die AfD „steht außerhalb unserer demokratischen Grundordnung“
Ostfrieslands Sozialdemokraten begrüßen die Entscheidung des Bundesverfassungsschutzes. „Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was wir wohl schon alle vermutet hatten“, kommentiert Johann Saathoff auf Nachfrage dieser Zeitung. Der Krummhörner war seit 2021 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin des Innern und für Heimat. Die AfD steht für Saathoff „außerhalb unserer demokratischen Grundordnung – da gibt es spätestens jetzt keine Zweifel mehr“. Im Umgang mit der AfD werde sich für den 57-Jährigen nichts ändern. „Ich wähle keine AfD-Kandidaten und setze mich jederzeit für unsere Demokratie ein“, sagt er. Aber er betont auch: „Wer auch immer glaubte, mit der AfD zusammenarbeiten zu müssen, weil sie ja auf demokratischem Wege gewählt wurde, sollte jetzt nochmal dringend darüber nachdenken. Und auch für AfD-Wähler sollte das ein Weckruf sein, denn zwischen Protest und Rechtsextremismus besteht nun mal ein großer Unterschied.“
Wiard Siebels: „Wer unsere Demokratie angreift, wer ausgrenzt, spaltet und hetzt, hat in Parlamenten nichts verloren“
Auch der Auricher Wiard Siebels, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, begrüßt die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“. „Wer unsere Demokratie angreift, wer ausgrenzt, spaltet und hetzt, hat in Parlamenten nichts verloren“, wird Siebels in einer Mitteilung der Landtagsfraktion zitiert. Man müsse sich entschlossen gegen Verfassungsfeinde stellen – „mit politischer Haltung, rechtsstaatlichen Mitteln und klarer Kante“. Das sei die Position der SPD im Landtag.
Die AfD bezeichnet Verfassungsschutz als „Erfüllungsgehilfen“
Die Reaktionen der ostfriesischen AfD fallen auf Nachfrage erwartbar aus: Martin Sichert, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Friesland-Wilhelmshaven-Wittmund, bezeichnet den Verfassungsschutz als „Erfüllungsgehilfen der Regierung“. Mit der neuen Einstufung zeige der „Inlandsgeheimdienst einmal mehr, dass ihm die Verfolgung der demokratischen Opposition wichtiger ist als der Schutz der Grundrechte“. Ansgar Schledde, Landeschef der AfD in Niedersachsen, sagt gegenüber der DPA, die Einstufung „entbehre jeder Grundlage“. Diese und ähnliche Behauptungen werden von der AfD immer wieder vorgebracht, die Partei hatte auch schon gegen die Einstufung als Verdachtsfall geklagt. „Das Verwaltungsgericht (VG) Köln und später das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) gaben dem Verfassungsschutz Recht: Es gebe zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die AfD gegen zentrale Prinzipien der Verfassung agiere. Die Gerichte ließen jedoch offen, ob aus diesen Anhaltspunkten eine gesicherte Erkenntnis werde“, schreibt dazu das Fachmagazin „Legal Tribune Online“.
Sichert wolle seine „politische Tätigkeit nun mit noch mehr Eifer ausüben“, schreibt er weiter. Der gebürtige Nürnberger wohnt seit einigen Jahren in Zetel im Landkreis Friesland und hat jüngst den Vorsitz der fusionierten Kreisverbände Friesland-Wilhelmshaven und Wittmund übernommen. Neben Sichert ist noch die im Landkreis Leer lebende Anja Arndt für die Partei von Bedeutung. Die Nortmoorerin wurde bei der vergangenen Europawahl ins Europäische Parlament gewählt. Zudem ist sie Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Ostfriesland. Die Anfrage an Arndt blieb bislang unbeantwortet.
CDU: „Die Innenministerkonferenz sollte aber jetzt sorgfältig einen Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung prüfen“
Während eine Antwort hiesiger CDU-Politiker noch aussteht, hat sich die Landtagsfraktion der Christdemokraten per Mitteilung gemeldet. Die Einstufung komme „nicht überraschend“. „Darüber hinaus bestätigt diese Einstufung auch unsere Haltung, mit dieser Partei auf keiner Ebene zusammenzuarbeiten.“ Man sei „zwar weiterhin vorsichtig in Bezug auf ein Verbotsverfahren.“ Aber weiter: „Die Innenministerkonferenz sollte aber jetzt sorgfältig einen Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung prüfen.“
Ulf Thiele, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU Ostfriesland, schickte auf Anfrage eine inhaltlich nahezu gleiche Mitteilung wie die Fraktion. „Politisch werden wir die AfD jedenfalls weiterhin entlarven und bekämpfen“, so Thiele.
Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD in Niedersachsen?
Anders als andere Landesverbände gilt die AfD in Niedersachsen bislang nicht als gesichert rechtsextremistisch. Sie wird vom Landesverfassungsschutz allerdings als Verdachtsobjekt eingestuft. Das bedeutet: Der Niedersächsische Verfassungsschutz hat den Verdacht, dass es sich beim AfD-Landesverband um eine „Extremistische Bestrebung“ handelt, kann dies aber noch nicht gesichert feststellen. Vor rund einem Jahr hieß es dazu in einer Mitteilung unter anderem: „Insgesamt gewinnen die radikalen und extremistischen Kräfte innerhalb der AfD bundesweit an Einfluss. Öffentlich treten die AfD Niedersachsen und ihr Landesvorstand zwar gemäßigt auf, eine Distanzierung gegenüber den extremistischen Kräften innerhalb der Gesamtpartei findet jedoch nicht statt. Vielmehr kann von einem Mittragen, Weiterverbreiten und mitunter aktiven Zugehen auf extremistische Akteure sowie auf die von Ihnen vertretene Ideologie gesprochen werden.“
Das war vor der neuen Einstufung durch das Bundesamt. Wie ist die Situation jetzt? „Auf die Einstufung der AfD Niedersachsen als Verdachtsobjekt des Verfassungsschutzes hat diese Entscheidung zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen“, schreibt das Niedersächsische Innenministerium auf Nachfrage dieser Zeitung. Die aktuelle Beobachtungsphase wurde erst im vergangenen Jahr verlängert und gilt noch rund ein Jahr. „Zum Ende dieser Verdachtsphase muss über eine Höherstufung zum Beobachtungsobjekt oder Ausstufung entschieden werden. Details des Bundesamts für Verfassungsschutz-Gutachtens gilt es jetzt auch für uns, für unser Bewertungs- und Einstufungsverfahren, auszuwerten“, so die Niedersachsen weiter.
Was bedeutet die neue Einstufung?
Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln. So wäre es jetzt für den Verfassungsschutz einfacher, sogenannte V-Leute einzusetzen. Auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen können nun einfacher eingesetzt werden.
Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.
Dieser Artikel wird aktualisiert. Diese Zeitung hat auch unter anderem die CDU um eine Stellungnahme gebeten.
Mit Material der DPA.