Superfans Warum Fans Bindungen zu Stars entwickeln

Shireen Broszies, dpa
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Von Shireen Broszies, dpa
| 15.11.2025 09:31 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Viele Fans von Taylor Swift haben eine besondere Beziehung zu ihrem Star. (Archivbild) Foto: Daniel Bockwoldt
Viele Fans von Taylor Swift haben eine besondere Beziehung zu ihrem Star. (Archivbild) Foto: Daniel Bockwoldt
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„Swifties“, „Stans“ und Co.: Warum können Fans sich Stars so nah fühlen, obwohl sie diese nicht kennen? Welche Effekte solche Bindungen auslösen - und was soziale Medien damit zu tun haben.

Als Kim Niehaus in der Schulzeit Taylor Swift für sich entdeckt, wird sie dafür belächelt. „Wenn du mit einem Taylor-Swift-T-Shirt in den Klassenraum gekommen bist, war das ultra peinlich“, erinnert sie sich. Trotzdem bleibt sie Fan - und schwänzt sogar zwei Stunden Englischunterricht, um rechtzeitig zum Konzert nach Köln zu kommen. 

Heute, Jahre später, spricht die Influencerin darüber, wie stark Fankultur Gemeinschaft stiften kann. Egal ob bei Swift, K-Pop-Stars oder deutschen Bands wie Tokio Hotel: Superfans rücken in letzter Zeit verstärkt ins Bewusstsein. Sie geben Anlass, darüber nachzudenken, was Fan-Sein heute bedeutet. 

Woher der Begriff „Stan“ für einen Superfan kommt 

Extreme Formen der Fankultur werden heute auch mit dem Begriff „Stan“ beschrieben. Der Begriff geht laut Medienberichten aus Eminems gleichnamigem Song von 2000 hervor, der eine Fanfixierung als warnende Geschichte inszeniert: Ein Fan schreibt immer wieder Briefe an Eminem, bis seine Fixierung schließlich fatal endet.

Später soll Eminem erklärt haben, dass der Song von echten Erlebnissen inspiriert wurde. Mittlerweile hat sich „Stan“ (pl. „Stans“) im popkulturellen Sprachgebrauch etabliert und wird neben obsessivem Fanverhalten auch benutzt, um harmlose Begeisterung auszudrücken.

„Parasozialität“: Der Begriff für einseitige Fan-Beziehungen

Psychologen fassen solche Dynamiken auch unter dem Begriff „parasoziale Beziehungen“ zusammen, also einseitige Bindungen zwischen einem Fan und einer Medienpersönlichkeit. „Fankultur ist Parasozialität“, erklärt die Sozialpsychologin Johanna Degen der dpa.  „Diese Beziehungen können, wie im sonstigen Leben, unterschiedlich stark und emotional gefärbt sein: so gibt es freundschaftliche oder romantische Beziehungen, aber auch Hass-Beziehungen“, ergänzt der Medienwissenschaftler Holger Schramm.

Fan-Sein: Mehr als nur Musik

Swiftie Kim Niehaus will das Fan-Dasein entstigmatisieren. Auch, weil sie viel Positives damit verbindet. Über das damalige Konzert sagt sie: „Ich war 16 oder 17, super jung, super unsicher mit mir selbst.“ Taylor Swift habe ihre Fans während einer Rede bestärkt, sie selbst zu sein. „Und dass du mehr bist als eine Meinung, die irgendjemand über dich hat, der dich nicht kennt. Das hat mich berührt.“

Für Niehaus war das Fan-Sein nach diesem Erlebnis mehr als nur Musik. „Ich sah all diese anderen Taylor-Fans, die eine gute Zeit hatten, die das cool gefunden haben, was ich gut finde, ohne Vorurteile zu haben“, erklärt sie. 

On- sowie Offline erlebt sie Fankultur vor allem als verbindendes Element. „Es ist auf jeden Fall super Community-stiftend“, sagt sie. Weil ihr der Austausch in sozialen Medien viel gebe, habe sie auch mit ihren Fanaccounts angefangen. Mittlerweile hat Kim auf Instagram über 30.000 Follower und auf Tiktok über 16.000. „Ich habe nie gedacht, ich bekomme da Tausende an Followern. Mir war es wichtig, andere Leute zu finden, die das gut finden, was ich gut finde, weil ich das in meinem persönlichen Umfeld nicht hatte.“

Was Fans an Stars bindet 

Die Mechanismen hinter der Bewunderung, die Menschen Prominenten schenken, sind so vielfältig wie die Bindung selbst. „Manche Menschen kompensieren dadurch eigene Schwächen und Defizite“, sagt Schramm. Andere sähen in den Stars womöglich ein Vorbild, das als Ansporn dienen könne. Manche suchten Orientierung, manchen fehle eine starke emotionale Bindung. 

„Die meisten kompensieren aber gar nichts, sondern sind einfach nur fasziniert davon, eine emotionale Nähe zu jemandem zu spüren, der „Star“ geworden ist.“

Soziale Medien beeinflussen, wie Fankultur gelebt wird

Diese Nähe zwischen Stars und Publikum sei kein neues Phänomen, erklärt Schramm. Schon Jugendmagazine wie die „Bravo“ hätten über Poster oder Interviews den Eindruck persönlicher Vertrautheit vermittelt. Mit sozialen Medien habe sich diese Form der Ansprache jedoch verändert. „Heutzutage haben sich diese Möglichkeiten durch die sozialen Medien vervielfacht und den Usern wird eine größere Nähe zu den Stars suggeriert.“  Digitale Nähe könne zwar Zugehörigkeit fördern, aber auch zu Abhängigkeiten führen, denn soziale Bedürfnisse verschmelzen auch mit ökonomischen Interessen, erklärt Sozialpsychologin Degen. „Die Ansprache ist gezielt auf Vertrautheit und Exklusivität ausgelegt. Dies führt zu Verbundenheit, Loyalität und Gefühlen, etwas zu schulden, was sich dann effektiv in Klicks und Käufe umwandeln lässt.“

Wie nah diese Dynamiken an reale Grenzüberschreitungen rücken können, zeigte kürzlich die Influencerin Marie Joan in einem Youtube-Video. In diesem schildert sie, dass Fans sie auf offener Straße geküsst hätten, weil sie das Gefühl hatten, ihr Nahezustehen. „Aber ich kenn‘ euch nicht, bitte küsst mich nicht einfach,“ sagt sie. 

Extreme Fans und extremes Verhalten

Solche Dynamiken können für beide Seiten Risiken bergen. „Für Influencer ist es oft unangenehm, wenn Follower/Fans ihnen nah kommen“, sagt Degen. „Für die wiederum fühlt es sich aber natürlich an, da sie viel Zeit mit dem Influencer verbringen und denjenigen quasi zu kennen meinen.“  Extremes Fan-Sein hat mitunter extreme Auswirkungen. Der „Zeit“-Autor Jens Balzer schrieb kürzlich darüber, dass mehrere Journalisten, die das neue Album von Swift kritisierten, online aufs Heftigste bedroht wurden. Der Artikel zeigt, wie sich digitale Loyalitäten aufladen können. Es gehe oft nicht mehr um Musik oder Inhalte, sondern um Zugehörigkeit. „Wenn das Idol angegriffen wird, ist das wie ein Angriff auf einen selbst“, sagt Schramm.

Für Niehaus sind all diese Nuancen ums Fan-Dasein spürbar. „In jeder Fan-Szene gibt es Leute, die ins Extreme gehen, die denken, sie seien mit Künstlern befreundet oder sich verschulden, um Merchandise zu kaufen.“ 

Hinzu komme ein doppelter Maßstab: „Bei einem Fußballfan, der zu jedem Spiel geht - der ist loyal, der brennt für etwas, der hat eine Leidenschaft, und jemand, der vielleicht von einer weiblichen Künstlerin Fan ist, der zu mehreren Konzerten geht, ist direkt übertrieben, hysterisch, oder weiß nicht, mit seinem Geld umzugehen.“

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