Bundestag Linke ebnet Weg zur Verabschiedung des Renten-Pakets

Michael Fischer und Basil Wegener, dpa
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Von Michael Fischer und Basil Wegener, dpa
| 03.12.2025 04:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Die Enthaltung der Linken verändert die Ausgangslage für die Abstimmung am Freitag. Foto: Michael Kappeler
Die Enthaltung der Linken verändert die Ausgangslage für die Abstimmung am Freitag. Foto: Michael Kappeler
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Merz und Spahn kämpfen um jede Unionsstimme für das umstrittene Rentenpaket. Jetzt kommt Hilfe von einer Seite, auf die CDU und CSU nicht angewiesen sein wollen.

Die Linken-Fraktion hat sich auf eine Enthaltung bei der Bundestagsabstimmung über das umstrittene Rentenpaket festgelegt und damit die Verabschiedung des Gesetzes mit den Stimmen der Koalition erheblich erleichtert. Sollten sich tatsächlich alle 64 Linke-Abgeordneten enthalten, würde die erforderliche Mehrheit bei Anwesenheit aller anderen Abgeordneten auf 284 Stimmen schrumpfen. Die Koalition hat 328 Stimmen und hätte damit einen komfortablen Puffer von 44 Stimmen. Bei der für Freitag geplanten Abstimmung dürfte dann aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mehr schiefgehen.

Der Grund dafür ist, dass die Enthaltungen bei der Berechnung einer einfachen Mehrheit im Bundestag nicht mitgezählt werden. Es werden also nur die Ja-Stimmen gegen die Nein-Stimmen aufgerechnet. Die SPD-Fraktionsführung geht von einer geschlossenen Zustimmung der 120 sozialdemokratischen Abgeordneten aus. In der Fraktionssitzung der Union hatte es bei einer Testabstimmung am Dienstag 10 bis 20 Gegenstimmen und etwa eine Handvoll Enthaltungen gegeben. Die wären aber bei einer Enthaltung der Linken zu verkraften.

Union will sich nicht helfen lassen

Trotzdem will die Führung der Unionsfraktion bis zur Abstimmung am Freitagmittag um jede einzelne Stimme kämpfen. „Wir wollen eine eigene Mehrheit sicherstellen und verlassen uns nicht darauf, was die Opposition tut oder nicht tut“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) dem Nachrichtenportal „t-online“. 

Denn von der Linken will man sich nicht helfen lassen. Die CDU hat eine koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der Partei 2018 mit einem Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Bei der letzten Abstimmungskrise der schwarz-roten Koalition im Sommer - bei der Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht - hatte sich die Union geweigert, Gespräche mit der Linken über die Sicherung der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu führen.

Die absolute Mehrheit aller 630 Abgeordneten im Bundestag liegt bei 316 Stimmen. Sie wird auch Kanzlermehrheit genannt, weil sie bei der Kanzlerwahl oder Vertrauensfrage benötigt wird. Ein eindeutiges Zeichen des Zusammenhalts und der Stabilität der Koalition wäre erst bei einem Erreichen dieser Marke gewährleistet, auch wenn deutlich weniger Stimmen zur Verabschiedung des Gesetzes reichen würden.

Reichinnek: „An uns wird es somit nicht scheitern“

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek begründete die geplante Enthaltung ihrer Fraktion in einer schriftlichen Mitteilung. „Wir werden nicht akzeptieren, dass das Rentenniveau noch weiter gedrückt wird, und haben uns als Fraktion deshalb entschlossen, uns bei der voraussichtlich am Freitag anstehenden Abstimmung zum Rentenpaket der Regierung zu enthalten“, erklärte sie. „An uns wird es somit nicht scheitern, dass das Rentenniveau stabilisiert wird.“

Der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht ein Rentenniveau - also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen - von 48 Prozent bis 2031 vor, was in der Koalition unstrittig ist. Außerdem ist aber vorgesehen, dass das Rentenniveau auch ab 2032 höher liegt als ohne dieses Gesetz. Diesen Punkt lehnen die jungen Unionsabgeordneten ab, weil es ihrer Überzeugung nach inakzeptable Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen würde.

Merz warnt Renten-Rebellen: „Alles andere führt ins Elend“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) warnte am Dienstag in der Fraktionssitzung davor, dass das Scheitern der Abstimmung zu einer Destabilisierung Deutschlands und Europas führen könnte. „Ich akzeptiere hier, in unserem Kreis, jede Nein-Stimme und jeden Zweifel. Aber da unten (im Plenum des Bundestags) brauchen wir eine stabile politische Mehrheit. Alles andere führt uns ins Elend“, sagte er nach Angaben aus seinem Umfeld.

Die Fraktionsführung hatte den Abgeordneten, die mit Nein stimmen oder sich enthalten wollen, eine Frist bis Mittwoch um 12.00 Uhr gesetzt, dies zu melden. Die Zahl der Abweichler wurde anschließend aber nicht bekanntgegeben. „Es handelt sich um ein internes Verfahren, aus dem keine Zwischenstände kommuniziert werden“, sagte eine Fraktionssprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. 

Bisher hat sich erst ein Abweichler öffentlich festgelegt

Die Unionsspitze geht davon aus, dass ein Großteil der bis zu 20 Gegenstimmen vom Dienstag lediglich als Zeichen des Unmuts zu werten ist, aber noch nichts über das tatsächliche Abstimmungsverhalten aussagt.

Bisher hat erst ein Abgeordneter öffentlich angekündigt, das Rentenpaket abzulehnen: der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel. Es wird erwartet, dass auch der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Fraktion, Pascal Reddig, den Gesetzentwurf nicht mitträgt. Er will sich aber erst am Freitag öffentlich erklären. 

Von den anderen 16 jungen Abgeordneten aus der Jungen Gruppe haben sich bisher zwei öffentlich auf ein Ja festgelegt. Nach Daniel Kölbl kündigte auch Carl-Philipp Sassenrath (beide CDU) seine Zustimmung an. „Ich habe kein abweichendes Abstimmverhalten gemeldet und werde dem Rentenpaket am Freitag zustimmen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Kein Bundestagsbeschluss über Kompromissangebot

Um die Renten-Rebellen zur Zustimmung zu bewegen, hatten die Koalitionsspitzen vergangene Woche beschlossen, einen „Begleittext“ zum Rentenpaket in den Bundestag einzubringen. Danach soll die längst beschlossene Rentenkommission schon dieses Jahr mit Vorbereitungen für eine große Reform loslegen, bis Mitte 2026 Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der jungen Generation besetzt werden - zum Beispiel aus der Jungen Gruppe der Union. Außerdem soll sie auch Themen behandeln, die für die SPD bisher ein Tabu waren, zum Beispiel ein späteres Renteneintrittsalter als 67.

Anders als ursprünglich geplant, soll dieser Text nun aber nicht mehr vom Parlament beschlossen werden. „Eine Beschlussfassung des Bundestages braucht es dazu nicht“, heißt es aus der Fraktionsführung der Union. „Die Rentenkommission wird noch im Dezember vom Bundeskabinett eingesetzt. Der Auftrag der Kommission wird genau so formuliert, wie es der Koalitionsausschuss am letzten Donnerstag beschlossen hat.“

Formell ist ein Bundestagsbeschluss für die Einsetzung einer Kommission und die Festlegung von Arbeitsaufträgen zwar nicht notwendig. Wenn sich das Parlament mehrheitlich hinter ein Vorhaben stellt, bekommt es damit aber ein besonderes Gewicht.

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