Kolumne „Frau am Freitag“ Ein „Mascherl“ sorgt für Chaos

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Eine Kolumne von Petra Herterich
| 12.12.2025 10:22 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
Das „Mascherl“ – die rote Schleife – sorgt derzeit in Wien für jede Menge Chaos auf der Straßenkreuzung. IMAGO / Wolfgang Simlinger
Das „Mascherl“ – die rote Schleife – sorgt derzeit in Wien für jede Menge Chaos auf der Straßenkreuzung. IMAGO / Wolfgang Simlinger
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Auf der Jagd nach dem spektakulärsten Selfie sterben jährlich Menschen. Vor Weihnachten riskieren besonders viele an einer Straßenkreuzung in Wien ihr Leben.

Wenn in der Adventszeit in den Städten überall die weihnachtlichen Lichter angehen, haben auch die Selfiejäger Hochsaison. Plötzlich ist nämlich die ganze sonst so graue Welt um sie herum insta-tauglich. Jeder will auf Instagram das beste Selfie posten. Das kann aber durchaus tödlich enden. Jedes Jahr sterben Menschen bei dem Versuch, das perfekte Foto von sich selbst zu machen – ob an einer Klippe, am Rand von Gebäuden, zu nahe an Wildtieren oder am Bergrand. Derzeit setzen allerdings besonders viele Menschen an einer Straßenkreuzung in Wien ihr Leben aufs Spiel.

Die Frau am Freitag hat es selbst erlebt. Sie war diesmal sogar mittendrin und nicht nur dabei. Das Objekt der Begierde ist ein riesiges „Mascherl“ – eine rote Schleife aus zahllosen Lichtern am Giebel eines Modegeschäfts. Und der beste Fotowinkel liegt leider mitten auf einer sehr belebten Straßenkreuzung. Waghalsige Influencer und Hobbyfotografen stellen sich auch bei Rot mitten auf die Fahrbahn, um das perfekte Bild mit der leuchtenden Schleife im Hintergrund zu schießen – egal, ob die Autos fahren oder nicht. Das rief jetzt sogar die Polizei auf den Plan, die das Chaos mit Hilfe von Megafons und klaren Ansagen in den Griff bekommen will. Klappt nur so halb. Das perfekte Selfie scheint wichtiger zu sein, als das eigene Leben.

Und es dauert ja schließlich auch, bis man als Frau die richtige Pose gefunden hat: Brust raus, Hintern auch, ein Bein gerade, eines leicht angewinkelt, Fußspitze aufgestellt, Haare (ganz wichtig!) müssen leicht wehen, die Lippen werden noch kurz angefeuchtet, der Kopf leicht geneigt und dann – zartes Lächeln. Das alles braucht Zeit und klappt nicht gleich beim ersten Versuch. Kein Wunder, dass die Autofahrer durchdrehen.

Zugegeben: Die Frau am Freitag hat auch ein Foto von sich und diesem „Mascherl“ gemacht – ein schnelles, auf dem sicheren Bürgersteig. Es ist keines, mit dem sie bei Instagram oder Tiktok punkten könnte. Es ist eher ein Schnappschuss. Aber einer, an dem jetzt schon viele Erinnerungen hängen, während die ganzen schönen Insta-Selfies längst durch neue, noch spektakulärere Fotos ersetzt worden sind. Abgesehen davon: Die schönsten Erinnerungen hat man ohnehin im Kopf und nicht bei Instagram oder in irgendeinem Fotoalbum. Also, einfach mal den Moment genießen und – tapfer bleiben.

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