Anschlag auf Weihnachtsmarkt Zusammenhalt und Trauer – Ein Jahr nach Magdeburg-Anschlag

dpa
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Von dpa
| 20.12.2025 04:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht in der Johanniskirche bei der Gedenkveranstaltung für Betroffene und Hinterbliebene ein Jahr nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Foto: Hendrik Schmidt
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht in der Johanniskirche bei der Gedenkveranstaltung für Betroffene und Hinterbliebene ein Jahr nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Foto: Hendrik Schmidt
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Nur eine Minute und vier Sekunden dauerte die Todesfahrt. Sechs Menschen starben, mehr als 300 wurden verletzt. Beim Gedenken ein Jahr danach wird auch die riesige Hilfsbereitschaft hervorgehoben.

Ein Jahr nach der Todesfahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt ist in der Stadt an die sechs Todesopfer und die vielen Verletzten erinnert worden. Bei einer Gedenkstunde sagte Bundeskanzler Friedrich Merz Hinterbliebenen und Betroffenen die anhaltende Unterstützung der Bundesregierung zu. „Wir sind ein Land, das nichts höher stellt als den Menschen, jeden Einzelnen, als das Leben eines Menschen“, betonte der CDU-Politiker.

Merz zeigte zugleich Verständnis für die Gefühle der Angehörigen: „Auch Wut und Zorn dürfen sein im Auge von grausamen Verbrechen, wie dieses eines war.“

Der Kanzler kam zum Gedenken nach Magdeburg. Foto: Hendrik Schmidt
Der Kanzler kam zum Gedenken nach Magdeburg. Foto: Hendrik Schmidt

Haseloff: „Wir kapitulieren nicht vor dem Terror“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Wir haben Verletzlichkeit erfahren, aber wir dürfen nicht Verletzte bleiben. Darum ist es ein wichtiges Zeichen, dass der Weihnachtsmarkt in Magdeburg nur wenige Meter von hier auch in diesem Jahr stattfindet. Wir kapitulieren nicht vor dem Terror, wir leben unser Leben und unsere Traditionen.“

Genau ein Jahr nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt drehte sich am Samstag aber kein Karussell, es wurde kein Glühwein ausgeschenkt. Der Markt blieb für diesen Tag geschlossen. Am Abend gab es eine lange Lichterkette rund um den Tatort. Um 19.02 Uhr, zur Tatzeit vor einem Jahr, läuteten die Kirchenglocken der Stadt.

Der Angriff vor einem Jahr habe in der Stadt tiefe Wunden hinterlassen, sichtbare, unsichtbare, persönliche, familiäre und gesellschaftliche, sagte Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos). Den Betroffenen und Angehörigen sagte sie: „Sie tragen Lasten, die man nicht ablegen kann.“ Aber niemand solle mit seinem Schmerz allein bleiben.

Der Gottesdienst war der Auftakt für den Gedenktag ein Jahr nach dem Anschlag. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Der Gottesdienst war der Auftakt für den Gedenktag ein Jahr nach dem Anschlag. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft nach dem Anschlag

Beim Gedenken kamen Helfer zu Wort und berichteten vom beispiellosen Einsatz, Hinterbliebene und Opfer sprachen über die schweren Folgen bis heute. Sie hoben den Zusammenhalt und die große Hilfsbereitschaft an dem Anschlagsabend hervor. Die Betroffene sagte: „Eins hat es uns gezeigt: Wir sind füreinander da, wir halten zusammen und stehen für uns ein. Wir lassen uns trotz der schrecklichen Tat unsere Weihnachten nicht nehmen.“

Der Magdeburger Weihnachtsmarkt blieb für einen Tag geschlossen. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Der Magdeburger Weihnachtsmarkt blieb für einen Tag geschlossen. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Binnen einer Minute und vier Sekunden habe sich alles geändert. Gerade noch hätten bunte Lichter, Karusselle, leuchtende Kinderaugen, Sorglosigkeit und Düfte von Glühwein und Gebäck das friedliche Bild bestimmt. Dann wurden durch das Täterfahrzeug Menschen herumgeschleudert, ein Chaos brach aus. „Die Schreie sind bis heute in den Köpfen“, sagte die Betroffene.

Die Stadt habe das Glück gehabt, dass viele Menschen vor Ort gewesen seien, die nicht gezögert hätten, zu helfen: Passanten, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Pflegekräfte und Ärzte. „Mein persönlicher Dank geht an alle Retter.“

Sechs Tote und mehr als 300 Verletzte

Am 20. Dezember 2024 war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Mietwagen mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren. Ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren kamen ums Leben. Mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt. Gegen den Todesfahrer läuft derzeit der Strafprozess am Landgericht Magdeburg. Der Mann hat die Tat gestanden.

Am Landgericht Magdeburg findet der Prozess gegen den Todesfahrer statt. (Archivbild) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Am Landgericht Magdeburg findet der Prozess gegen den Todesfahrer statt. (Archivbild) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Aufarbeitung des Anschlags läuft vor Gericht und im Landtag

Der Todesfahrer hatte im vergangenen Jahr eine breite Lücke zwischen Absperrungen genutzt, um auf den Weihnachtsmarkt zu fahren. Für dieses Jahr wurden die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verstärkt. Nach Diskussionen entschied sich die Stadt, den Weihnachtsmarkt wieder am selben Ort stattfinden zu lassen.

Zur Aufarbeitung des Geschehens hat der Landtag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich unter anderem mit Genehmigungen und Zuständigkeiten befasst hat. Thema ist auch der Lebenslauf des Täters, der sich selbst als Aktivist für die Rechte saudischer Frauen sieht und vielfach in Konflikt mit Behörden geriet. Bis zum Anschlag arbeitete er als Psychiater im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter in Bernburg.

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