Was Sie heute wissen müssen

Wahlsieger | Wahlbetrug | Wahlversäumnis

Joachim Braun
|
Eine Kolumne von Joachim Braun
| 28.09.2021 06:26 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Artikel hören:
Artikel teilen:

Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Man wird ja wohl träumen dürfen: Wird Ostfriesland das neue Saarland? Das Bundesland, das oft als Maßstab für Winzigkeit herhält („Wie groß? Dreimal so groß wie das Saarland“), ist in der aktuellen Bundesregierung mit drei Ministern (AKK, Altmaier, Maas) völlig überrepräsentiert, demnächst könnte Ostfriesland so weit sein. Bisher wurde die Region von vier Abgeordneten vertreten (das entspricht ungefähr dem Bevölkerungsanteil), künftig sind es sieben.

Ministeriabel wären zumindest drei (je nach künftiger Koalition): Unter Olaf Scholz wäre der gesamtdeutsche Stimmenkrösus Johann Saathoff sicher ministrabel, aber auch Siemtje Möller, Chefin des Seeheimer Kreises, könnte Chancen haben. Und unter Armin Laschet könnte Gitta Connemann mehr Chancen haben als dereinst bei Angela Merkel. Nun, man weiß es nicht. Zum einen ist CDU-Senkrechtstarterin Silvia Breher auch aus dem Nordwesten, zum anderen gilt die Heselerin Connemann parteiintern nicht unbedingt als Teamplayerin. Warten wir ab, was kommt.

Die drei genannten Abgeordneten haben alle ihr Direktmandat wiedergewonnen, über die Landeslisten via Zweitstimme kamen vier weitere Kandidaten ins Parlament: Anja Troff-Schaffarzyk (SPD) und Julian Pahlke (Grüne) im Wahlkreis Unterems und Anne Janssen (CDU) und Joachim Wundrak (AfD) im Wahlkreis Wittmund - Friesland - Wilhelmshaven. Warum Ostfriesland künftig auch zwei zusätzliche Landtagsabgeordnete stellt, erläutert Ostfriesland-Reporter Andreas Ellinger.

Fakt ist, dass Armin Laschet nicht, wie noch am Sonntag behauptet, einen Auftrag zur Regierungsbildung bekommen hat. Den hat Olaf Scholz als Wahlsieger. Das spräche für die „Ampel“ mit Rot-Gelb-Grün und nicht für „Jamaika“, Schwarz-Gelb-Grün. Wie sieht man das an der Basis der Parteien? Emden-Reporter Gordon Päschel hat sich gestern in der Stadt umgehört.

Unstreitig ist jedenfalls, dass die SPD auch in Ostfriesland der große Wahlsieger ist. Bis auf drei Kommunen (Juist, Baltrum, Uplengen) ist die Karte komplett rot gefärbt. Über die „SPD in Sektlaune“ im Landkreis Aurich mit Stimmenkönig Saathoff berichtet die Auricher Lokalchefin Marion Luppen. 14, man lasse sich das auf der Zunge zergehen: 14 Kommunen hat die SPD der CDU abgejagt. Zu diesem Debakel befragte Ostfriesland-Reporter Daniel Noglik gestern Ostfrieslands CDU-Primus Ulf Thiele und die SPD-Chefin Johanne Modder. Sie zeiht Laschet mit seiner Aussage vom Regierungsbildungsauftrag des „Wahlbetrugs“ und spricht auch nicht von einer „Ampel“-Koalition, sondern von „Rot-Grün + FDP“. Mal sehen.

Mit Armin Laschets Rolle befasste sich gestern auch Politik-Chef Martin Teschke: „Kanzlerkandidat Armin Laschet hat die Wahl verloren. Trotzdem will er Kanzler werden. Darf er das überhaupt?“

Als Wahlsieger darf sich zurecht auch Thomas Erdwiens fühlen. Der Freie Wähler eroberte am Sonntag in der Stichwahl das Rathaus von Südbrookmerland in Victorbur. Auf ihn kommen jetzt große Herausforderungen zu. Eine davon nennt CDU-Fraktionschef Hilko Geerdes, nämlich „wieder Ordnung ins Rathaus bringen“. Eine der wichtigsten Aufgaben für die Bürger hatte Erdwiens schon am Sonntagabend zur „Chefsache“ erklärt: Ein Entwässerungskonzept, das Moordorf und andere Ortsteile vor Überschwemmungen durch Starkregen schützt. Lokalreporterin Gabi Boschbach berichtet.

Noch wesentlich knapper als in Südbrookmerland fiel das Ergebnis der Stichwahl in der Samtgemeinde Brookmerland aus. Ida Bienhoff-Topp unterlag Amtsinhaber Gerhard Ihmels mit lediglich 68 Stimmen. Zweieinhalb Mal soviel Stimmen, genau 159, waren für ungültig erklärt worden. Sie werden jetzt von Amts wegen überprüft. Ob es eine Wiederholung der Gesamtauszählung geben wird, wie Bienhoff-Topp sie fordert, muss der Gemeinderat entscheiden. Auch an Bürgermeister Ihmels ging das knappe Ergebnis nicht spurlos vorbei, wie Lokalreporter Claus Hock berichtet.

Zum Schluss dieses Wahlthemas muss ich mich noch für drei Fehler entschuldigen: Den Einen (nicht Jümme wählte schwarz, sondern Uplengen) aus dem gestrigen Newsletter, habe ich selber bemerkt (und die Leser offenbar nicht wahrgenommen). Den Zweiten mokierte ein Leser gestern Früh mit dem Hinweis, das Niveau der OZ entspreche dem der Kanzlerkandidaten: In meinem Kommentar schrieb ich nur von der CDU und nicht von der CDU/CSU (was unterbewusst daran liegen mag, dass ich nach 30 Jahren Journalismus in Bayern diese Partei vergessen möchte).

Und ein weiterer Leser kritisierte meinen Satz von vorigem Freitag: „... wählen Sie richtig!“ Das fand er übergriffig, zu Recht. Ich wollte sagen: Wählen Sie nicht die Extremisten. Das war aber gar nicht nötig. So schlau waren die ostfriesischen Wähler selber. Reiner Osbild, von Beruf Professor und einer meiner größten Fans, schrieb gestern auf der OZ-Webseite: „Ihre Hetze gegen die AfD trägt keine Frucht, weil Ihre Leser bedeutend intelligenter sind als Sie.“ Dem kann ich nichts hinzuzufügen.

Was heute wichtig wird:

  • Es geht ums Fehntjer Tief – schon wieder. Den Beschluss des Kreistags zur Einteilung von Natur- und Landschaftsschutzgebiet hob das Land Niedersachsen wieder auf. Heute wird erneut im Kreistag debattiert, Nikola Nording ist dabei.
  • Noch lächeln sie: Die Wahlplakate müssen so langsam von den Laternen verschwinden. Worauf ist dabei zu achten, und was passiert mit den Plakaten eigentlich? Katja Mielcarek hat nachgefragt.
  • Die Straßenmanagementbehörde in Hannover vermeldet alle Sperrungen, Staus und Verkehrsmeldungen im Land - auch Sperrungen in Ochtelbur. Allerdings leitet die App der Behörde den Verkehr auf Nebenstraßen, die nicht befahrbar sind. Nicole Böning berichtet.
  • Alle Gruppen und Fraktionen im Wittmunder Stadtrat wollen noch einmal die Weichen für ein grüneres Wittmund stellen. Im Fokus: Bäume und deren Schutz. Susanne Ullrich will wissen: Wird es 2000 neue Bäume in Wittmund geben?
  • Vor sechs Jahren ist ein junger Mann aus Syrien geflüchtet – und in Ostfriesland gelandet. Inzwischen hat er sich selbstständig gemacht und als Gastronom große Pläne. Claus Hock stellt sie vor.
  • In der kommenden Woche startet das Emder Filmfest. Stephanie Tomé wirft einen Blick auf den Drehbuchpreis: Zur Wahl stehen ein Drama, ein politisches Porträt und eine skurrile Familienkomödie.

Wenn Sie diesen Nachrichtenüberblick jeden Morgen bequem per E-Mail zugestellt bekommen möchten, dann abonnieren Sie doch einfach unseren Newsletter.

Ähnliche Artikel