Was Sie heute wissen müssen

Corona-Wurmkur | Früh-Booster | No-Wunderline

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 19.11.2021 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Nun ist das beschlossen, was in der aktuellen Situation notwendig ist, aber was vermutlich vermeidbar gewesen wäre, wenn die Politik eher reagiert hätte. Impfverweigerer werden in Niedersachsen aus dem öffentlichen Leben weitgehend entfernt. In der Gastronomie, auf dem Weihnachtsmarkt, bei den meisten Freizeitaktivitäten wird die 2G-Regel eingeführt, am Arbeitsplatz und im Personenverkehr 3G - das heißt, dass sich Nichtgeimpfte regelmäßig freitesten müssen. Ministerpräsident Stephan Weil, der bekanntlich mit seiner Ablehnung für Impfverweigerer nicht hinterm Berg hält, erläuterte gestern nach der Bund-Länder-Konferenz die Grundzüge der neuen Landesverordnung. Hannover-Korrespondent Lars Laue berichtet.

Den Weg frei gemacht für die Landesverordnung, die ab kommenden Dienstag gilt, hatte gestern Morgen der Bundestag, der zum 25. November das Ende der „Epidemischen Lage nationaler Tragweite“ erklärte und ein ganzes Maßnahmenpaket verabschiedete. Dazu gehören die Wiedereinführung der Pflicht zum Home-Office, eine Test-Pflicht in Pflegeheimen, aber auch der Verzicht auf Lockdowns und Schulschließungen. Nicht zuletzt sollen Fälscher von Impfpässen hart bestraft werden, und die Ministerpräsidenten beschlossen zusammen mit der alten Bundesregierung, dass es eine Impfpflicht geben soll für Beschäftigte in Pflegeheimen, Krankenhäusern und bei Pflegediensten. Dass die künftige Ampelkoalition die nationale Einschätzung der Pandemie aufhob, hält mein Kollege Andreas Ellinger für „absurd“.

Weniger juristisch als praktisch betrachtet, finde ich die meisten Entscheidungen von gestern ganz vernünftig, auch wenn sie angesichts der exponentiellen Ausbreitung des Virus ein paar Wochen zu spät kommen. Auch die Ausgrenzung der Impfverweigerer finde ich in der aktuellen Situation angemessen. Ein Leser dieses Newsletters wird innerlich kochen, wenn er diese Zeilen liest. Denn er hatte mir vorgeworfen, ich betriebe „Meinungsjournalismus“ und verbreite „Verschwörungstheorien“, weil ich vor ein paar Tagen schrieb, dass sich Ungeimpfte wahrscheinlich in den nächsten Monaten anstecken werden. Der Kernsatz seines Briefs: „Wer versucht, sein Leben zu schützen, z. B. gegen genetisches Material in den Impfstoffen, handelt nicht verantwortungslos.“ Doch, tut er! Denn eigentlich zählt nur eins: Das Risiko einer schweren Erkrankung (und auch das, viele andere zu infizieren) ist bei Ungeimpften erheblich größer als das Risiko von Impfschäden bei Geimpften. Außer natürlich, man ist überzeugt, dass Bill Gates die Weltherrschaft anstrebt und uns mittels eines über den Impfstoff eingeschleusten Mikrochips zu willenlosen Dienern macht.

Schön ist auch, wenn man versucht, sich mit einer Wurmkur, die eigentlich Pferde von den Schädlingen befreien soll, vor Corona zu schützen. So geschehen in den USA, wo eine Frau daran starb, und in Österreich, wo das Tierpräparat in einigen Apotheken bereits ausverkauft ist. Auslöser dieses Schwachsinns war der ehemalige Innenminister und jetzige Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, der das Präparat als Heilmittel gegen Corona bewarb. Dumm nur, dass der Impfskeptiker nun selbst mit dem Virus infiziert ist. Dass es keinen Nachweis der Wirksamkeit von „Ivermectin“ gibt, sei nur am Rande bemerkt. Sicher ist aber, dass das Präparat für Menschen giftig ist. Erinnern Sie sich noch an den jetzt in Florida lebenden Rentner Donald T., der einst den Genuss von Desinfektionsmitteln als Schutz vor Corona empfahl, worauf auch einige Menschen starben. Julia Jacobs berichtet.

Einer interessanten Theorie ist in den vergangenen Tagen Andreas Ellinger nachgegangen. Als im Sommer eine Mitarbeiterin des Impfzentrums des Landkreises Friesland in Schortens einige Impflinge nicht mit Biontech, sondern mit einer Kochsalzlösung versorgt hatte, wurden mehr als 10.000 Menschen nachgeimpft. Für die meisten von ihnen war es eine vorweggenommene dritte Impfung, zu einem Zeitpunkt, als überhaupt nicht klar war, ob „Boostern“ richtig oder falsch ist. Gerade Ellinger hatte das Verhalten der Behörden damals stark kritisiert. So aber haben viele, vor allem ältere Menschen frühzeitig die dritte oder gar vierte Dosis erhalten, was erklären könnte, warum in Friesland so wenig ältere Menschen mit Corona infiziert sind.

Im Zusammenhang mit der kaputten Friesenbrücke wird ja immer wieder kolportiert, die Niederländer lästerten über die lange Projektdauer bei uns. Damit hätten sie zwar Recht, aber auch im Nachbarland glänzt nicht alles gülden, wie gestern bei einer Videokonferenz zur geplanten „Wunderline“, der schnellen Bahnverbindung zwischen Bremen und Amsterdam über Leer und Groningen, deutlich wurde. Beispiele für Probleme auf der niederländischen Seite der Bahntrasse seien die fehlende Elektrifizierung oder Sicherheitsfragen, wie etwa zu weiche Böden, schreibt Tobias Rümmele. Und zu ergänzen wäre, dass die Niederländer die für den Bahnausbau vorgesehenen 85 Millionen Euro längst in den Ausbau des Innenstadtrings von Groningen umgeleitet haben und jetzt erst mal schauen müssen, wo neues Geld herkommt.

Die Papierknappheit, die auch uns als Herausgeber der OZ gerade schwer trifft (siehe meine Kolumne), hat auch Auswirkungen aufs weihnachtliche Buchgeschäft. Bestseller wie der neue Schmöker von Ken Follett werden wohl nicht knapp werden, andere nicht so nachgefragte Bücher schon. Die Verlage können nämlich vielfach nicht nachdrucken. Kein Problem mit steigenden Papierpreisen und Papiermangel haben indes die Verwaltungen. Dort wird Druckerpapier langfristig und in großen Mengen gekauft. Gabi Boschbach erklärt die Hintergründe eines aus den Fugen geratenen Markts, der auf Verpackungen statt auf das gedruckte Wort setzt.

Was heute wichtig wird:

  • 60 Jahre ist die Bundeswehr nun schon in Leer. Oberstarzt Dr. Jens-Peter Evers, Kommandeur der Evenburg-Kaserne, spricht im Interview mit Nikola Nording darüber, worauf sich die Truppe in Zukunft vorbereiten muss.
  • Die Straße Im Brink in Hesel ist eine Anliegerstraße und wird teuer saniert. Das ärgert die Leute dort. Am meisten profitierten von dem Projekt nicht sie, sondern die Supermärkte. Mit dem Ausbau wurde dennoch jetzt begonnen. Christine Schneider-Berents berichtet.
  • Wie wirkt sich die tiefe Spaltung der Südbrookmerlander SPD auf die Zusammensetzung und die künftige Zusammenarbeit des Rates aus? Gabriele Boschbach war bei der konstituierenden Ratssitzung dabei.
  • Das Wiesmoorer Unternehmen Traba baut eine weitere Niederlassung in Moorburg. Traba ist ein Hersteller von Fenster, Türen, Wintergärten und mehr. Ole Cordsen hat sich in Moorburg schon einmal umgesehen.
  • Es steht schlecht um das Königreich Norddea. Eine Seuche greift um sich. Was wird der König tun, um sich und seine Untertanen zu schützen? Das hat Claus Hock herausgefunden, als er mehrere sogenannte Live-Rollenspieler bei ihrem Spiel begleitet hat.
  • Lachen über Antisemitismus: Darf man das? Die jüdische Verlegerin Myriam Halberstam beantwortet diese Frage mit einem klaren „Ja“ und sieht darin Möglichkeiten neuen Zugangs zu dem Thema. Stephanie Tomé hat mit ihr gesprochen.

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