Was Sie heute wissen müssen Wasserstoff ist Zukunft | Henri Nannen ist Gegenwart | EWE-Raubritter sind Vergangenheit, oder auch nicht

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 16.05.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

„Eigentlich sind wir hier im Norden der Ruhrpott von morgen, nur in sauber.“ Ein schöner Satz, nicht wahr? EWE-Chef Stefan Dohler hat ihn neulich gesagt und beschreibt damit die wirtschaftlichen Perspektiven, die unter anderem Ostfriesland durch die Energiewende und die weiteren Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise haben kann. Oder sollen wir sagen: wird? Der Energieversorger EWE hat beim Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff viel vor. So sollen Elektrolyseure gebaut werden, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen, mit Hilfe von umweltfreundlicher Windenergie, und in Nüttermoor können bisherige Gaskavernen genutzt werden, um den Energieträger Wasserstoff zu speichern. Mindestens 500 Millionen Euro will EWE investieren. Martin Teschke erläutert die Technik und fasst den Stand der Planungen zusammen, für unsere neue Serie „Unser Klima“.

Ohne staatliche Förderung wird der Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft aber nicht gelingen. Wegen des Henne-Ei-Dilemmas: Solange es nicht in großem Maßstab Abnehmer für die grüne Energie gibt, lohnt sich der Bau von Elektrolyseuren nicht. Elektrolyseure können aber nicht gebaut werden, ohne dass der Wasserstoff auch genutzt werden kann. Dieses Dilemma will der Bund mit Steuergeld aufheben. Derzeit ringen die Wirtschaftsminister von Bund und Land darüber, wer wie viel zuschießt. Martin Teschke hat recherchiert. In Niedersachsen ist die Haltung zum Energieträger Wasserstoff und dessen wirtschaftlichen Perspektiven jedenfalls selten einheitlich. „Dieses Vorhaben hat eine nationale Dimension“, sagt zum Beispiel der hiesige CDU-Abgeordnete Ulf Thiele.

Wenn wir bei „Unser Klima“ bleiben, gestatten Sie mir bitte noch einen Hinweis. Seit gut einer Woche haben wir eine Umfrage online, in der wir wissen möchten, wie die Ostfriesen zum Thema Klimawandel stehen und wie Sie sich im Kleinen beteiligen möchten, die Energiewende zu schaffen. Wenn Sie mitmachen möchten, klicken Sie bitte hier. Sie brauchen nicht länger als fünf Minuten, versprochen. Und wenn Sie’s kurz und leicht wollen, mit der Frage, ob „Ostfriesland irgendwann untergeht“, befassen sich unsere Kollegen Jasmin Keller und Robert Mohr von Ostfriesen-TV in der zweiten Folge der neuen Videoserie „Klima-Checker“. Schauen Sie mal rein!

Politik ist immer die Kunst des Machbaren. Was machbar ist und was nicht, hängt von vielen äußeren Faktoren ab. Einer dieser Faktoren, die viel verändert haben, ist Putins Feldzug gegen die Ukraine. Plötzlich ist die beantragte Erdgasförderung vor Borkum wieder salonfähig geworden. Andreas Ellinger hat sich intensiv mit dem umstrittenen Großprojekt befasst. „Wird der Umweltschutz dem Wirtschaftsministerium überlassen?“ ist eine Frage, die er nach seinen Recherchen stellt. Die andere lautet: „Für wie wenig Gas soll die Nordsee bei Borkum gefährdet werden?“ Offensichtlich geht es nämlich gar nicht um 60 Milliarden Kubikmeter Erdgas, von denen das Wirtschaftsministerium spricht, sondern nur um ein gutes Drittel dieser Menge.

Im weitesten Sinne auch eine Klimafrage ist die Diskussion, die vergangene Woche ein Videobeitrag des ARD/ZDF-Jugendprojekts „Funk“ angestoßen hat. Es geht um antisemitische Propagandaschriften, die der 1996 verstorbene Emder Ehrenbürger Henri Nannen im Zweiten Weltkrieg verfasst hatte. Das Thema ist nicht neu, eine wirkliche Enthüllung steckt nicht dahinter, aber die Veröffentlichung könnte auch Anlass sein, in Emden zu einem neuen Umgang mit dem Thema zu kommen, meint Gordon Päschel und schreibt in einem lesenswerten Text: „Es geht nicht um die Vergangenheit. Es geht um die Gegenwart.“

Bleiben wir in Emden. Dort gab es gestern auch positive Neuigkeiten: Mit einem klaren 4:0-Erfolg bei FT Braunschweig ist Kickers Emden in die Aufstiegsrunde gestürmt. Damit haben sich Ostfrieslands beste Fußballer für die Aufstiegsrunde zur Regionalliga qualifiziert und bekommen es mit drei Teams aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen zu tun. Niklas Homes war Zeuge der Fußball-Gala in Braunschweig, die in einer großen Party mit den mehr als 100 mitgereisten Fans endete.

So lobenswert der Einstieg der EWE in Zukunftsenergie sein mag, so bedauernswert kläglich ist der Umgang des Regionalversorgers mit den eigenen Kunden. Seit Wochen schon schlägt sich Andreas Ellinger mit unglaublichen Beschwerden herum. Wie in seinem neuesten Fall: Einer Leeraner Firma wurde einfach der Gas-Vertrag gekündigt. Seither kämpft sie mit dem Beschwerde-Management der EWE. Interne Mails bieten einen Einblick in die Zustände bei den Oldenburgern, die das betroffene Unternehmen mit „Raubrittertum“ beschreibt. Wer einmal in die Fänge des „Kundenservice“ gelangt ist, kommt kaum wieder raus, auch das eine Erfahrung, die viele Leute gemacht haben. Welche Möglichkeiten es gibt, hat Andreas Ellinger in diesem Text zusammengetragen.

Das Beste kommt bekanntlich immer zum Schluss: Eine „liebenswerte Zimtzicke“ sucht über unsere Zeitung einen Partner fürs Leben. Obwohl sie sich als „unattraktiv, dumm, faul, frech, langweilig, humorlos und verlogen“ bezeichnete, meldete sich ein „netter Zausel“. Doch es gibt Probleme. Welche, das hat Heiko Müller im Gespräch mit der Frau erfahren.

Was heute wichtig wird:

  • Immer wieder gab es Pannen, am Dienstag soll es endlich soweit sein: Die lange Zeit heftig umstrittene Ampelregelung der Bummert-Kreuzung in Leer wird in Betrieb genommen. Michael Kierstein berichtet von den jüngsten Entwicklungen.
  • Seit Jahren fordert der Kreissportbund-Vorsitzende einen Sportentwicklungsplan, bisher vergeblich. Jetzt bekommt er Unterstützung von der CDU, die es ebenfalls wichtig findet, sich Gedanken zu machen, wie, wo und mit wem in Leer Sport getrieben werden soll.
  • Die Fockenbollwerkstraße in Aurich soll in fast anderthalb Jahre grundlegend saniert werden. Die zuständige Landesbehörde informiert morgen darüber, mit welchen Einschränkungen Passanten, Auto- und Radfahrer rechnen müssen. Wie sollen Geschäfte und Einrichtungen erreichbar sein? Gabriele Boschbach hört sich die Planungen an.
  • Wie funktionieren eigentlich Transfergesellschaften? Alle reden darüber, aber niemand weiß so richtig, welches Prinzip dahintersteckt. Das will Ole Cordsen am Beispiel von Linde und Wiemann ergründen, die in Georgsheil vor Kurzem abgewickelt worden sind.
  • Zehntausende Aale wurden am Wochenende in Ostfriesland ausgesetzt. Warum das wichtig ist und was die Aktion mit Deichen und Sielen zu tun hat, hat Claus Hock in Erfahrung gebracht.
  • Liia Abdoullina ist 2014 aus Donezk geflohen und arbeitet heute als Ärztin im Emder Krankenhaus. Sie berichtet von einem Freund, der zur russlandtreuen Separatistenarmee im Donbas zählt. „Ist er jetzt mein Feind?“ Gordon Päschel hat mit ihr gesprochen.
  • Erneuerbare Energie aus der Region wird immer wichtiger. Wie viele Windkraftanlagen in der Krummhörn noch gebaut werden könnten, wird vorerst nicht untersucht. Warum, das hat Mona Hanssen herausgefunden.
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