Was Sie heute wissen müssen Warum ausgerechnet Wiesmoor? | Funkstille bei der EWE | Warum ein Auricher Ehepaar ausziehen muss

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 03.06.2022 06:26 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Warum ausgerechnet Wiesmoor? Warum scheint ausgerechnet dieses kleine, beschauliche ostfriesische Städtchen das Zentrum eines mafiösen Gauner-Netzwerkes zu sein? Die Antwort erscheint mir ziemlich einfach. Weil gerade dort niemand so etwas erwarten würde, am wenigsten die Wiesmoorer selber, die bis jetzt offenbar sprachlos sind. Umso unglaublicher erscheinen die Ereignisse der vergangenen Tage: Erst die Großrazzia in Wiesmoor und an mehr als 20 weiteren potenziellen Tatorten, dann die unerwartete Entdeckung der Haschischplantage mitten in der Stadt und nun die Festnahme des mutmaßlichen Drahtziehers Christian Rademacher-Jelten. Was folgt noch in diesem Kriminalstück um einen Steuerfachgehilfen, Kaufmann, Fußballfan, Multi-Unternehmer und ehemaligen Bürgermeisterkandidaten?

Gestern erließ das Amtsgericht Aurich Haftbefehle gegen Rademacher-Jelten und drei Komplizen, die am Mittwoch nach dem Cannabis-Fund festgenommen worden waren. Sie bleiben also vorerst im Gefängnis, weil der Haftrichter überzeugt ist, dass die vorliegenden Beweise für eine Verurteilung ausreichen werden. Bis zu sechs Monate darf die U-Haft dauern, wenig Zeit angesichts der Vielzahl der beschlagnahmten Beweismittel und der Komplexität des Rademacher-Jelten’schen Firmenkonstrukts, dessen Verzweigungen nach Daniel Nogliks Recherchen bis zu den Hells Angels reichen, was die Ermittlungsbehörden offiziell noch gar nicht untersuchen. Die neuesten Entwicklungen lesen Sie hier.

Als Zeitung sind wir Anwalt der Leser. In diesem Sinne berichtet Andreas Ellinger seit Wochen über Unzulänglichkeiten beim Kundenservice des Oldenburger Energieversorgers EWE. Manchmal geht es um viel Geld (bis zu 277.000 Euro), manchmal um wenig, aber stets ist viel Ärger im Spiel. Eine Geschichte ist skurriler als die andere, aber immer sind die Kunden, die Gelackmeierten, selbst welche, die eigentlich gar nicht bei der EWE unterschrieben haben (In einem Themendossier haben wir die Geschichten zusammengefasst.). Angesichts der Service-Pannen haben Unternehmensführung und Pressestelle inzwischen die Kommunikation mit uns eingestellt und beantworten die Anfragen nicht mehr (souverän ist das ja nicht gerade). Das gilt auch für das jüngste Thema von Andreas Ellinger: Er wollte wissen, wie es eigentlich jenen Mitarbeitern der EWE geht, die all den Ärger der Kunden abbekommen, obwohl sie für die Probleme nichts können. Was der Betriebsrat dazu sagt, der Aufsichtsrat und all die anderen bei der EWE, das ist eine spannende Geschichte.

Erfolgreicher (und auskunftsfreudiger) ist die EWE auf einem anderen Gebiet: der Zukunftsenergie Wasserstoff. Der Konzern kann sich berechtigte Hoffnungen auf eine Hunderte Millionen Euro starke Finanzspritze des Landes Niedersachsen und des Bundes machen. Über eine halbe Milliarde Euro plant die EWE zu investieren, unter anderem um die Gaskavernen in Nüttermoor zum Wasserstoffspeicher umzubauen. Das Vorhaben ist Teil eines größeren Plans: Um ihre Ideen auf eine breitere Basis zu stellen, hatte sich EWE im November mit Gasunie, Tennet, Thyssengas, ArcelorMittal, SWB und Faun zusammengetan. Ziel ist es, die niedersächsische Küstenregion bis 2026 zum ersten Wasserstoffnetzwerk Europas zu machen. Martin Teschke berichtet und hat eine klare Meinung zu Sinn und Unsinn der Bohrungen.

Bleiben wir beim Thema Energie. Dass dem Erdgas die Gegenwart gehört, ist unstreitig, die Zukunft gehört dem fossilen Brennstoff aber hoffentlich nicht. Gleichwohl genehmigte nach dem niedersächsischen Bergbauamt gestern auch die niederländische Regierung die gemeinsam mit Deutschland geplante Förderung von Erdgas in der Nordsee vor Borkum - allen örtlichen Protesten und der Energiewende zum Trotz. Nach Angaben des Den Haager Wirtschaftsministeriums wurden die möglichen Effekte auf die Umwelt untersucht. Die vorgelegten Pläne erfüllten alle Vorbedingungen, schreibt Martin Teschke. Dennoch seien die Auflagen wegen der Bedenken von Umweltschützern verschärft worden. So soll die Plattform niedriger und weiter von einem Austern-Projekt entfernt errichtet werden. Auch soll Abfallwasser extra gefiltert werden.

Wenn von steigenden Immobilienpreisen in Ostfriesland die Rede ist, dann werden als eine der Ursachen gerne vermögende Landsleute aus anderen Regionen genannt, die bereit sind höhere Preise zu zahlen. Auch unsere Nachbarn interessieren sich verstärkt dafür, sich diesseits der Grenze anzusiedeln. Für Niederländer sind Immobilien in Ostfriesland preislich attraktiv. Im Gespräch mit Tatjana Gettkowski sagt eine ältere Dame: „In den Niederlanden müsste ich für 100 Quadratmeter Wohnfläche knapp 2000 Euro an Miete zahlen. Weil die Wohnung hier nur die Hälfte kostet, haben wir mehr Geld zum Leben, zumal auch das Einkaufen hier billiger ist.“ Das ist der Preis dafür, in einer so lebens- und liebenswerten Region wie Ostfriesland zuhause zu sein.

In einer viel beachteten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht gestern entschieden, dass Vorgaben für Hartz-IV-Empfänger zur maximalen Größe von Wohneigentum zulässig sind. Betroffen von dem Urteil ist ein Ehepaar aus Aurich, von dem das Jobcenter verlangte, nach dem Auszug der Kinder ihr Haus zu verkaufen. Das Sozialgericht Aurich hielt diese Praxis für verfassungswidrig und rief Karlsruhe an. Gerade für Ostfriesland sei das eine wichtige Entscheidung, sagte Gerichtssprecher Oliver Garrels im Gespräch mit Marion Luppen. „In einer Großstadt werden Sie es nicht erleben, dass ein Leistungsempfänger ein Haus hat.“ Doch in ländlichen Regionen sei Wohneigentum auch bei Hartz-IV-Empfängern nichts Ungewöhnliches.

In der Stunde des Triumphs schlägt den glücklichen Kicker-Fans keine Stunde: Nach dem Aufstiegssieg gegen Hamburger feierten mehr als 50 Fans, Vereinsangestellte und Vorstandsmitglieder ihre Helden, als sie gegen 1.30 Uhr mit dem Bus am Ostfrieslandstadion ankamen. Niklas Homes war dabei und wirft schon mal einen Blick voraus - in die vierte Liga.

Was heute wichtig wird:

  • Werner Graf von der Schulenburg aus Leer lernte als Protokollchef im Auswärtigen Amt auch die Queen kennen und durfte sogar im Buckingham Palace schlafen. Nikola Nording hat mit ihm anlässlich des Thronjubiläums dieses Wochenende gesprochen.
  • Das Pfingstwochenende steht vor der Tür: Katja Mielcarek schaut sich einmal im Zug nach Leer und am Bahnhof um, ob und wie viele Menschen die Kombination aus 9-Euro-Ticket und langem Wochenende für einen Trip nach Ostfriesland nutzen.
  • Gabriele Boschbach geht der Frage nach: Warum gibt es zu wenig Personal in den Geschäften? Zahlreiche Stellen sind nicht besetzt. Manche Einzelhändler suchen schon seit Monaten. Wenn sie dann Personal finden, ist es nicht geeignet. Woran liegt das?
  • Die Urlaubszeit geht langsam los, und viele Haustierhalter machen sich Gedanken, wohin mit ihren Tieren. Kann man Tiere bedenkenlos mit ins Wohnmobil oder Flugzeug nehmen? Vertragen Hunde das besser als Katzen? Rieke Heinig berichtet.
  • 19 Jugendliche aus Turek in Polen sind für sechs Tage in Wiesmoor. Begleitet von 23 Jugendlichen aus Wiesmoor lernen sie ostfriesische Kultur und Landschaft in einem bunten und vor allem sportlichen Programm kennen. Jens Schönig traf die Jugendlichen.
  • Der Holocaust-Überlebende Leon Schwarzenbaum, der als Zeitzeuge an Schulen und in Betrieben gewirkt hat, war 2018 mit dem Dokumentarfilm „Der letzte Jolly Boy“ Ehrengast des Filmfestes. Stephanie Tomé zeigt, welche Beziehungen er zu Emden hat.
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