Was Sie heute wissen müssen Hilfen für Geringverdiener | Landkreis contra Stadt | Polizist erlebt Hilfsbereitschaft

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 10.08.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Wochenlang nur schlechte Nachrichten: Erdgas wird teurer, Benzin ebenfalls und von den Lebensmitteln ganz zu schweigen, selbst die Zeitungsproduktion ächzt wegen des energieintensiven Rohstoffs Papier unter steigenden Preisen. Und was hörten wir vom Staat? Neun-Euro-Ticket, 300 € einmaliger Energiezuschuss und viele, viele vage Ankündigungen, was noch zugunsten finanziell schlechter gestellter Mitbürger passieren solle. Nichts Konkretes. Bis gestern. Das von den beiden Koalitionären Stephan Weil (SPD) und Bernd Althusmann (CDU) vorgestellte Hilfsprogramm verrät wenigstens eins: Hier haben sich Fachleute Gedanken gemacht, wie man wirklich Bedürftigen helfen kann. Ob’s reicht? Abwarten.

Das Land wolle dazu beitragen, dass Menschen nicht in soziale Not gerieten, sagte Weil. Energiepreissteigerungen von 50 Prozent und mehr seien für Gut- und Besserverdienende zwar ein Ärgernis, gingen aber gleichzeitig für viele Menschen mit geringem Einkommen mit ernsten Sorgen einher. „Wir müssen alles dafür tun, damit aus dieser Energiekrise keine soziale Krise wird.“ Wirtschaftsminister Althusmann sprach von einem „gesellschaftlichen Kraftakt“. Es gelte einerseits, die Menschen mit wenig Geld im Blick zu behalten und andererseits aber auch sicherzustellen, dass die Wirtschaft in Niedersachsen handlungsfähig bleibe. Welche Maßnahmen geplant sind, hat Hannover-Korrespondent Lars Laue zusammengeschrieben.

Althusmann zielte in seiner Bemerkung vermutlich nicht explizit auf Biomärkte und Hofläden ab, bei denen die Preissteigerungen für Lebensmittel schon längst deutlich auf den Absatz durchschlagen, wie Nicole Böning recherchiert hat. „Gefühlt ist mit den Preissteigerungen bei den Verbrauchern auch die Bereitschaft zurückgegangen, ökologisch produzierte Lebensmittel im Bioladen zu kaufen“, sagt Thomas Baier, Inhaber eines Biomarkts in Aurich. Dabei geht es nicht nur um Bio. Auch bei den Hofläden konventionell wirtschaftender Landwirte ist die Kaufzurückhaltung angekommen. „Wir sind uns noch nicht klar darüber, ob die Urlaubszeit oder der Sparzwang die Kunden zurückhält“, sagt Udo Haßbargen, dessen Familie die Milchtankstelle samt Hofladen in Kirchdorf betreibt.

Bleiben wir in Aurich: Dort tobt hinter den Kulissen ein heftiger Streit zwischen Stadt und Landkreis die ehemalige Blücher-Kaserne betreffend. Während der Landkreis die leerstehenden Gebäude als Flüchtlingsunterkunft benutzen möchte, wie kürzlich bekannt wurde, plant die Stadt schon längere Zeit mit einem Investor, der ein neues Stadtquartier errichten will. Und beides geht nicht. Die bundeseigene Immobiliengesellschaft Bima, Eigentümerin des Geländes, entschied vorige Woche zugunsten der Stadt, jetzt aber geht Landrat Olaf Meinen aufs Ganze und packt die große Keule aus: Eine Beschwerde ganz oben in Berlin. Er spreche mit dem Vorstand der Bima, also mit der obersten Chefetage. „Ich hoffe, dass wir da noch eine Lösung hinbekommen.“ Wäre ich Auricher Bürgermeister, wäre ich darüber ziemlich sauer. Andererseits: Not kennt kein Gebot. Als Alternative zur Kaserne müssten Turnhallen als Flüchtlingsunterkünfte herhalten. Auch nicht gut. Marion Luppen stellt das Dilemma dar.

Für großes Entsetzen sorgte am Wochenende der Tod von Marco Memenga. Der 38-jährige Fußballer des FC Brookmerland war am Freitagabend während eines Spiels bei BW Filsum völlig unerwartet zusammen gebrochen und noch auf dem Sportplatz verstorben. „Ganz Ostfriesland trauert“, schrieb Maren Stritzke gestern in einem Nachdreh-Artikel. Ehemalige Mitspieler, Nachbarvereine und zig andere Klubs aus der Region sprachen dem Verein ihr Mitgefühl aus. „Mein Telefon stand die vergangenen Tage nicht still. Die Anteilnahme ist riesig“, sagte Brookmerlands erster Vorsitzender Sven Pahlow. Sein Verein hat am Montagvormittag ein Spendenkonto eröffnet, um die hinterbliebene Familie – der Fußballer hinterlässt Ehefrau und zwei Kinder – zu unterstützen.

Das jüngste Regionalliga-Spiel von Kickers Emden, die bittere 0:3-Niederlage in Lübeck, leitete ein interessanter Typ. Denys Shurman. Der ukrainische Schiedsrichter, 35 Jahre alt, war mit Frau und krankem Sohn (seinetwegen durfte er auch das Land verlassen) aus der Ukraine geflüchtet. Der Fußball ist ihm eine wichtige Stütze, auch wenn er hier nicht wie in der Ukraine die erste Liga pfeifen kann. „Ich bin unheimlich dankbar, dass ich durch eine großartige Unterstützung in Deutschland weiterhin die Möglichkeit habe, als Schiedsrichter aktiv zu sein.“ Matthias Herzog hat mit dem Schiri über seine Situation hier, über die Heimat und die Rückkehr in die Ukraine gesprochen.

Voller Dankbarkeit ist auch Bernd Grübner. Der 55-Jährige ist Polizeioberkommissar in der Dienststelle Uplengen. Am 15. Juli verfolgte er gemeinsam mit einem Kollegen in Detern zu Fuß mehrere flüchtige Verbrecher, als er mit dem rechten Fuß ungünstig auf dem Bordstein aufkam. Dabei riss seine Achillessehne. Er alarmierte den Notarzt. Doch statt alleine auf dem Gehweg zu liegen und auf den Notarzt zu warten, erfuhr er große Hilfsbereitschaft von Passanten und gefühlt der gesamten Nachbarschaft. Grübner: „In Berlin wären die Leute vermutlich eher vorbeigelaufen. Hier in Ostfriesland ist der Zusammenhalt ein anderer. Die Ostfriesen helfen ihren Mitmenschen noch mehr.“ Rieke Heinig erzählt eine Geschichte, wie ich sie gerne öfter lesen würde. .

Dass Rechtsanwälte selber vor Gericht stehen, kommt nicht so oft vor. In Ostfriesland aber häuft sich das zurzeit. Erst der „Maskenrebell von Norderney“, Hayo Moroni, der eine starke Abneigung gegen Mund-Nase-Masken hat, dann der wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilte Advokat, gegen den demnächst erneut verhandelt wird. Und nun noch jener Notar aus dem Landkreis Leer, der bei der Beurkundung einer Grundstücksübertragung absichtlich einen falschen Wert angegeben haben soll, deshalb verurteilt wurde und nun in Berufung gegangen ist. Schlimmer als die verhängte Geldstrafe ist für den Mann sicherlich das Disziplinarverfahren, das ihn das lukrative Amt des Notars kosten kann. Daniel Noglik berichtet.

Apropos Noglik. Was macht der junge Kollege eigentlich in Sachen Klimaschutz. Einen Podcast („Die Gradwanderer“) zu betreiben und alle zwei Wochen Experten aus Ostfriesland zu interviewen - das alleine kann’s ja nicht sein. Und so haben Daniel und seine Podcast-Partnerin Kristina Groeneveld für die fünfte Folge des Podcasts keinen Gast eingeladen, sondern sich gegenseitig nach ihren Beiträgen fürs Klima gefragt. Und tatsächlich, Kristina kommt doch einige Male ins Staunen: „Wirklich, echt jetzt?“

Was heute wichtig wird:

  • Ein neues Angebot startet in Weener. Kinder und Erwachsene können dort die deutsche Sprache lernen. Kann so Integration funktionieren? Vera Vogt hört sich um.
  • Meinerdine Hülsebus aus Moormerland betreut seit mehr als 25 Jahren ausländische Schüler in Gastfamilien in ganz Ostfriesland. Nikola Nording erzählt sie, was sie in dieser Zeit alles erlebt und gelernt hat.
  • Wie ist das nun eigentlich: Ich schließe einen Vertrag über Ökostrom ab - und dann kommt auch tatsächlich grüner Strom aus meiner Steckdose? Nicht ganz. Nicole Böning erklärt den richtigen Weg zum Ökostrom.
  • „Da traf mich glatt der Schlag“ - Mitglieder der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Großefehn erzählen Jens Schönig, wie sie ihren Schlaganfall erlebt haben und erklären Warnzeichen und Risikofaktoren.
  • Rewe kauft andernorts einen Supermarkt nach dem nächsten auf. Auch in Ostfriesland hat die Unternehmensgruppe nun Fuß gefasst. Mona Hanssen hat sich umgehört, was als Nächstes kommen könnte.
  • Am Hinter Kirchgang müssen die Archäologen ran, bevor etwa 20 neue Wohnungen sowie Geschäfte entstehen können. Kann mich das auch als privater Hausbauer treffen? Michael Hillebrand hat nachgefragt.
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