Was Sie heute wissen müssen Laute Verdi-Streikende | Leise Krabbenfischer | Laute Rathaus-Eminenz

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 17.03.2023 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Steirer sind anders, ganz anders, als Ostfriesen. Das Leben in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, ist beschaulicher als bei uns. Alles ist üppiger als bei uns, von der Architektur (die Habsburger lassen grüßen) bis zum Essen: „Weltklasse“ sei der Schweinsbraten gewesen, sagte mein Kollege Hubert Patterer von der „Kleinen Zeitung“ unserer darüber mehr als geschmeichelten Gastgeberin ein ums andere Mal. Aber Carmen Leonhard und ich hatten uns ja nicht des Essens wegen auf den strapaziösen Kurztrip ins Nachbarland begeben, sondern zum Austausch mit Kollegen aus Deutschland und Großbritannien. Der Verdi-Streik am Bremer Flughafen hatte die Anreise über Gebühr verlängert. Wenig tröstlich war da die Feststellung des tunesischen Taxifahrers: „Bei uns in Österreich wird ja zum Glück selten gestreikt.“

In Leer umso mehr - man beachte diesen Reim. 1500 Demonstranten aus dem Gebiet Weser-Ems hatte die Gewerkschaft Verdi gestern nach Leer karren lassen - und dabei weniger Verkehrschaos in der ohnehin gebeutelten Stadt verursacht als befürchtet. Die Forderungen der Gewerkschaft sind bekannt, die Unterstützung der streikenden Mitglieder groß. Und auch der auf dem von Trillerpfeifen begleiteten Protestzug skandierte Schlachtruf war sicher schon im vorigen Jahrhundert gerne verwendet: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Kohle klaut!“ Und selbst die Bewohner eines Seniorenheims hatten ihren Spaß, wie Katja Mielcarek und Jan Rodeck berichten.

Demonstriert wurde auch in Neuharlingersiel. Hier ging es aber nicht um Lohnerhöhung und Inflationsausgleich, sondern tatsächlich um die Existenz eines ganzen Berufsstands. Den rund 60 Krabbenfischern, die es in Ostfriesland noch gibt, ginge es an den Kragen, wenn eine von der EU im Entwurf vorgelegte Verordnung beschlossen würde, die ein Verbot von Grundschleppnetzen beinhaltet. Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne), derentwegen die Fischer in Neuharlingersiel waren, blieb von dem Protest jedenfalls nicht unbeeindruckt. Der Aktionsplan der EU scheine wohl ein Schnellschuss zu sein, sagte sie. Und: „Es ist notwendig, dass nachhaltige Fangmethoden weiterhin gefördert werden – das ist nicht die Frage. Ein pauschales Verbot von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten kann aber nicht die Lösung sein.“ Und offenbar auch nicht die Rettung des Wattenmeers. Immerhin haben die betroffenen Kutterfischer das MSC-Gütesiegel für nachhaltige Fischerei. Manfred Hochmann berichtet.

Da sollte doch die EU im Sinne der Umwelt besser dafür sorgen, dass illegale Müllkippen auch tatsächlich abgeräumt werden. Am Naturschutzgebiet Stapeler Moor in Uplengen liegt seit Jahren tonnenweise Müll, wir haben zuletzt öfter darüber berichtet. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Emden behauptet, dass von der Altlast keine Gefahr für die Umwelt ausgeht und will deshalb von einer (teuren) Räumung nichts wissen. Ist diese Haltung in Ordnung? Darüber hat Daniel Noglik mit Benjamin Schwan, Umweltingenieur am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der Technischen Universität (TU) Dresden, gesprochen.

Drei Viertel der Menschen haben Vertrauen in Handwerker und damit auch in Friseure. Das sind doppelt so viele, wie Vertrauen in Journalisten haben (und vier Mal so viele wie bei Politikern). Kein Wunder, dass ein in Lüneburg gestartetes Projekt, Friseure bei der Betrugsvorbeugung einzusetzen, so große Beachtung findet. Die Idee: Während sich die Kunden die Haare schneiden lassen, klären die Friseure über die Maschen, die derzeit im Umlauf sind, auf und geben Verhaltenstipps. Ist das auch ein Ansatz für Ostfriesland? Was Friseure und die Polizei dazu sagen, hat Nikola Nording erfragt.

Bleiben wir beim Handwerk: Auch wenn heutzutage immer mehr Menschen auf elektronische Uhren vertrauen, mit Akku und ohne Uhrwerk, sind Uhrmacher immer noch gefragte Spezialisten. Wie Heinz-Werner Müller in Moordorf. Sein Auftragsbuch ist voll. „Eine Uhr geht raus, fünf neue kommen rein.“ Müller lebt seinen Beruf mit Begeisterung und hat doch große Sorgen. In acht Jahren will er in Rente gehen und sucht bis jetzt vergeblich nach einem Nachfolger. Auch Nachwuchs ist rar. Nora Kraft hat den Handwerker besucht.

Um einen Nachfolger muss er sich nicht kümmern. Sie ist schon längst ausgesucht, heißt Laura Rothe und ist halb so alt wie er. Harald Kuiper (64) geht nach 16 Jahren als Erster Stadtrat im Auricher Rathaus in den Ruhestand. Heute ist sein letzter Arbeitstag, weshalb Marion Luppen ihn porträtiert. Kuiper steht symbolhaft für Aufstieg und Fall der Stadt. Parallel zum Wachsen des größten Gewerbesteuerzahlers Enercon entwickelten sich auch die Gewerbesteuereinnahmen und der politische Größenwahn, das Geld in Prestigeobjekte zu stecken, als ob es kein Morgen geben würde. Bis 2018 ging das gut. Als Enercon die Luft ausging - Kuiper nennt es „Riesenknall“ - und die Gewerbesteuer ins Bodenlose fiel. Kuiper war als Verwaltungschef und damit heimlicher Herr im Rathaus auch das Gesicht der Krise und verlor deshalb überraschend die Bürgermeisterwahl gegen seinen Verwaltungskollegen Horst Feddermann. Wie Kuiper sein Wirken in Aurich bewertet und was er künftig macht, lesen Sie hier.

Wenn sich ein großes, erfolgreiches Unternehmen einen neuen Namen gibt, dann lässt das aufhorchen. Was steckt dahinter? Warum wird ein solcher Aufwand betrieben, der in jedem Fall alles in allem ein paar Hunderttausend Euro kostet? Aus dem Einrichtungshaus „Möbel Buss“ in Wiesmoor, das auch in Oldenburg eine große Filiale unterhält, wurde in den vergangenen Monat „buss“ - klein geschrieben und ohne Möbel. Ole Cordsen hat mit den Verantwortlichen in dem Familienunternehmen gesprochen, um nachzuvollziehen, warum der alte Markenauftritt nicht mehr ausreichend erschien und unter anderem 80 Monteure neu eingekleidet werden mussten.

Erst seit vorigen September ist „Engelke“ in Emden im Einsatz, aber so harmlos, wie der Name vermuten lässt, ist das Engelchen nicht. Im Gegenteil, das teilmobile Blitzgerät ist der Alptraum vieler Emder. Im dichten Stadtverkehr, zwischen parkenden Autos, ist es für Autofahrer, die die Tempolimits zu ihren Gunsten auslegen, kaum zu entdecken - und erwischte deshalb schon in den ersten Einsatzwochen mehr als 2500 Autofahrer, die versehentlich ein Verkehrsschild übersehen hatten. Aber Engelke hat seine Grenzen. Zum Beispiel an Landstraßen wie zwischen Petkum und Gandersum ist die Effizienz des hoch technisierten Anhängers eingeschränkt. Wie Mona Hanssen berichtet, arbeitet die Stadt Emden bereits an Abhilfe. Demnächst wird wieder ein mobiler Blitzer in Betrieb genommen. Bye bye, Bleifuß.

Was heute wichtig wird:

  • Jutta Fröse war 16 Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Leer. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Was hat sie erreicht und was ist noch zu tun? Karin Lüppen hat mit ihr gesprochen.
  • Im Jemgumer Bauausschuss stellte Bürgermeister Hans-Peter Heikens ein nagelneues Projekt für das ehemalige Geländer der Ziegelei Reins vor: den Campus. Tatjana Gettkowski ist dabei und berichtet.
  • Vor dem Landgericht Aurich beginnt der Prozess gegen einen 27-Jährigen. Die Anklage: Mord. Er soll seine damalige Lebensgefährtin im September 2022 in Aurich erwürgt haben. Marion Luppen berichtet.
  • Ein Anbieter von Tiernahrung, ein Hotel, eine Drogerie - am Pferdemarkt in Aurich soll ein Mega-Center entstehen. Das sehen einige im Rat kritisch, wegen der Infrastruktur. Gabriele Boschbach berichtet.
  • Ärger über laute Saatkrähen kennen viele Orte, jetzt startet die Brutsaison. In Jever begegnet man dem Ärger mit intimen Einblicken in das Leben der Tiere, per Livestream. Imke Oltmanns sah ihn sich an.
  • Das Busfahren in Emden soll einfacher und attraktiver werden: 30-Minuten-Takt auf den Hauptlinien. Der Borkum-Kai wird besser angebunden. Mona Hanssen über das neue Nahverkehrskonzept.
  • Die Nachfrage nach Industrie- und Gewerbeflächen im Emder Hafen ist enorm, sagt Niedersachsen Ports und plant ein 82,5 Hektar großes Industriegebiet. Heiko Müller kennt weitere Einzelheiten.
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