Wochenglosse Nichts überstürzen – gute Ideen lässt man besser reifen

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Eine Kolumne von Karin Lüppen
| 20.05.2023 07:06 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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Ein paar Jahre im Fass lassen sogar aus billigem Schnaps ein edles Getränk reifen. Diesen Effekt sollte man in der Politik für sich nutzen. Eine Glosse.

In der Ruhe liegt die Kraft – erst recht, wenn etwas lange in einem Fass geruht hat. Das wusste schon Diogenes: Der alte Grieche lebte vor 2300 Jahren in der Holztonne, und noch heute sind Taschenbücher, die unter seinem Namen verkauft werden, teurer als andere. Fassreife, das ist das Zauberwort. Damit lässt sich alles unters Volk bringen. Schnöder Kräuterlikör für fünf Jahre in ein Eichenfass gekippt, dann wird aus Hörnerwhisky ein nobles Getränk.

Nach dieser Verkaufstaktik wird schon der richtige Whisky veredelt, ebenso Doppelkorn aus allen Landesteilen. Bier erhält im Sherryfass besondere Reife, genau wie Weißwein oder Aquavit. Schon gibt es „barrel aged“ Feta-Käse, in der nächsten Ausbaustufe wird es fassgereiften Apfelsaft oder Cola geben.

Was gut ist, muss auch teuer sein

Könnte man so nicht mit unausgegorenen Projekten aus der Politik verfahren? Es dauert doch sowieso alles viele Jahre, warum nicht die Planung für die neue Brücke oder das Rathaus in ein altes Eichenfass stecken, es im Heizungskeller oder auf dem Dachboden deponieren, nach fünf bis acht Jahren öffnen und begeistert sein, was für hervorragende Ideen man hatte. Selbstverständlich kann man dann für dieselbe Sache locker 60 Prozent mehr Geld verlangen – ist fassgereift! Natürlich wird es die Sache nicht beschleunigen, den 30 Jahre alten Single-Malt trinkt man ja auch nicht auf Ex.

Die Autorin erreichen Sie unter k.lueppen@zgo.de

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