Gesundheitsversorgung in Ostfriesland In eigener Sache

| 16.08.2025 08:00 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Das Klinikum Emden. Foto: Klaus Ortgies
Das Klinikum Emden. Foto: Klaus Ortgies
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So einen Schulterschluss gibt es nicht oft. Vier in Ostfriesland erscheinende Tageszeitungen, Emder Zeitung, Ostfriesische Nachrichten, Ostfriesischer Kurier und Ostfriesen-Zeitung, reagieren gemeinsam mit einem öffentlichen Brief auf Vorwürfe des Geschäftsführers der Trägergesellschaft Kliniken Aurich-Emden-Norden mbH, Dirk Balster.

Weil Balster eine aus seiner Sicht kritische Anfrage zur Klinik in Emden erhielt, teilte er in einer öffentlichen Stellungnahme gegen die gesamte Lokalpresse in Ostfriesland aus. Die Lokalzeitungen würden Unsicherheit in der Bevölkerung schüren, so der Vorwurf. Die Berichterstattung sei tendenziös und fahrlässig und solle von den Zeitungen überdacht werden.

„Wir sind weder das Sprachrohr von Institutionen noch von Unternehmen, sondern der kritische Beobachter und Vermittler zwischen Bürgern und Verantwortlichen“, antworten die ostfriesischen Zeitungen. Es ist nicht das erste Mal, dass Balster gegen die Presse austeilt. Schon vor einem Jahr beschwerte er sich über die aus seiner Sicht tendenziöse Berichterstattung.

Die Stellungnahme der Trägergesellschaft

Der Geschäftsführer der Trägergesellschaft Kliniken Aurich-Emden-Norden mbH, Dirk Balster, nutzte Ende Juli eine aktuelle journalistische Anfrage, um grundsätzliche Kritik an der Berichterstattung der Lokalzeitungen in Ostfriesland zu üben.

Er wirft der Lokalpresse vor, immer wieder die Versorgungsqualität der Krankenhäuser infrage zu stellen und dabei aus dem Zusammenhang gerissene Einzelfälle zu nutzen, um strukturelle Qualitätsmängel zu suggerieren. Diese Berichterstattung enthalte „nicht gesicherte und selektive Schuldzuweisungen“ und schüre „erhebliche Unsicherheit in der Bevölkerung“.

Balster äußert Zweifel daran, dass die Antworten des Krankenhauses von den Zeitungen „vollständig und nicht sinnentstellend berücksichtigt“ werden. Aus diesem Grund habe man sich entschieden, die Antworten öffentlich zu machen – ein Vorgehen, das im journalistischen Alltag ungewöhnlich ist.

Er kritisiert weiter, dass aus der Darstellung einzelner Fälle „ein grundsätzlicher Qualitätsmangel abgeleitet“ werde. Dies erscheine ihm vielmehr als ein Prinzip der Zeitungen, dem Klinikum Emden stets und bewusst schaden zu wollen.

Balster unterstellt den Lokalredaktionen eine „überwiegend tendenziöse und fahrlässige Berichterstattung“ und appelliert, auch im Namen aller Mitarbeiter, diese zu überdenken und zu modifizieren. Er stellt zudem die Behauptung auf, die Lokalredaktionen würden aus wirtschaftlichem Eigeninteresse auf sachliche Aufklärung verzichten.

Seine Stellungnahme endet mit dem Absatz: „Wir werden die Öffentlichkeit wie bisher umfassend über das Leistungsspektrum und die ausgewiesene medizinische Qualität des Klinikums Emden sowie die dynamische Entwicklung der Zentralklinik Ostfriesische Meere informieren. Hierbei werden wir noch mehr als bisher auf die hohe Reichweite unserer eigenen Social-Media-Kanäle setzen. Patientenfürsprecher und Beschwerdemanagement sind selbstverständlich weiterhin über die veröffentlichten Kontaktwege für jeden Patienten zu erreichen und wir sind dankbar für jeden Hinweis, der uns ermöglicht, unsere Arbeit zu verbessern.“

Die komplette Stellungnahme im Wortlaut kann hier nachgelesen werden.

Stellungnahme der in Ostfriesland erscheinenden Tageszeitungen

Sehr geehrter Herr Balster,

mit großem Erstaunen und ebenso großem Befremden haben wir leitende Redakteurinnen und Redakteure der in Ostfriesland erscheinenden Tageszeitungen Ihr Schreiben zur Kenntnis genommen, in dem Sie die Berichterstattung der Lokalpresse über die Krankenhäuser in Emden und Aurich pauschal als tendenziös, fahrlässig und bewusst schädigend bezeichnen. Sie unterstellen der lokalen Presse, gezielt Unsicherheit in der Bevölkerung zu schüren, Antworten zu verkürzen oder gar zu verfälschen und einzig aus wirtschaftlichen Motiven zu berichten. Diese Vorwürfe weisen wir in aller Deutlichkeit und mit Nachdruck zurück.

Es ist die originäre und unverzichtbare Aufgabe einer unabhängigen Tageszeitung, Missstände und Kritikpunkte im öffentlichen Interesse zu recherchieren, zu hinterfragen und transparent zu machen – gerade auch im sensiblen Bereich der Gesundheitsversorgung. Wir sind weder das Sprachrohr von Institutionen noch von Unternehmen, sondern der kritische Beobachter und Vermittler zwischen Bürgern und Verantwortlichen. Lokalzeitungen nehmen die Sorgen und Hinweise von Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Mitarbeitenden sehr ernst und prüfen diese sorgfältig, bevor sie sie veröffentlichen. Die journalistische Sorgfaltspflicht und die Verpflichtung zur Ausgewogenheit sind für die Lokalpresse oberstes Gebot.

Ihre pauschale Unterstellung, die in Ostfriesland erscheinenden Tageszeitungen würden Antworten absichtlich verkürzen, sinnentstellen oder gar verfälschen, ist falsch. Das weisen wir in aller Form zurück. Wir dokumentieren und veröffentlichen Stellungnahmen und Antworten stets im notwendigen Umfang und im korrekten Zusammenhang. Sollte es im Einzelfall zu Missverständnissen kommen, stehen wir jederzeit für eine sachliche Klärung zur Verfügung. Die von Ihnen gewählte Form der pauschalen Diskreditierung unserer Arbeit ist jedoch inakzeptabel und für einen konstruktiven Dialog ungeeignet.

Wir appellieren an Sie, die Rolle einer freien, unabhängigen und kritischen Presse als Grundpfeiler unserer Demokratie zu respektieren. Es ist nicht die Aufgabe einer Zeitung, PR für ein Krankenhaus zu machen, sondern die Öffentlichkeit umfassend, kritisch und unabhängig zu informieren – auch und gerade dann, wenn es unbequem ist. Die Pressefreiheit ist ein Grundrecht, das wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger verteidigen und ausüben.

Das Klinikum Emden ist im Sinne des Niedersächsischen Pressegesetzes eine Behörde. Diese Behörde hat eine gesetzlich vorgeschriebene Auskunftspflicht. Die Trägergesellschaft kann nicht nach Gutdünken antworten. Sie schlagen immer wieder einen Ton an, den man sonst aus demokratie- und presseverachtenden Kreisen kannte. Dabei nutzen Sie die Mittel Ihrer Pressestelle. Das ist für den Chef einer aus dem öffentlichen Haushalt bezahlten Verwaltung nicht zu akzeptieren. Offensichtlich liegt Ihnen aber nichts an einem echten Dialog. Gesprächsangebote blieben unbeantwortet. Sonst würden Sie, ebenfalls wiederholt, die Medien nicht versuchen zu diskreditieren. Wir zitieren aus Ihrer Stellungnahme: „Geringe Reichweite dieser Publikationen“, „verzweifelt um Auflage und Existenz kämpfende Redaktionen“.

Wir werden weiterhin Missstände benennen, Fragen stellen und Verantwortliche benennen – sachlich, fair und unabhängig. Wir fordern Sie auf, zu einer sachlichen und respektvollen Kommunikation zurückzukehren und die berechtigte Kritik der Öffentlichkeit ernst zu nehmen, anstatt die Presse, zum wiederholten Male, pauschal zu diffamieren.

Mit großem Unverständnis nehmen wir zudem zur Kenntnis, dass Sie gezielte und im Rahmen der journalistischen Recherche gestellte Presseanfragen kurzerhand öffentlich machen und die Antworten darauf ebenfalls öffentlich verbreiten. Dieses Vorgehen ist höchst ungewöhnlich und widerspricht dem üblichen und respektvollen Umgang zwischen Institutionen und Medien. Presseanfragen dienen dem Zweck, Sachverhalte zu klären und eine faire, ausgewogene Berichterstattung zu ermöglichen. Sie sind kein Instrument der öffentlichen Selbstdarstellung oder der Diskreditierung journalistischer Arbeit. Ihr Verhalten erschwert einen professionellen Austausch und ist aus unserer Sicht ein weiterer Beleg für Ihr gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Presse und zum kritischen Journalismus.

Wir möchten Sie zudem darüber informieren, dass wir diesen Brief auch allen relevanten politischen Entscheidungsträgern zur Kenntnis geben. Wir sind überzeugt, dass gerade die politisch Verantwortlichen den Wert einer unabhängigen Berichterstattung und einer kritischen Öffentlichkeit zu schätzen wissen.

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