Hinter den Kulissen Die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser
Wie entstehen unsere Geschichten? Wir geben Einblicke und erzählen Hintergründe aus dem Redaktionsalltag. Dieses Mal geht es um Bedürfniskategorien.
In den vergangenen Monaten hat die Ostfriesen-Zeitung ihre Berichterstattung konsequent an den Bedürfniskategorien der Leserinnen und Leser ausgerichtet – und die Ergebnisse sprechen für sich. Statt wie früher vor allem nach Ressorts oder Themen zu planen, fragen wir uns heute bei jeder Geschichte: Welches Bedürfnis unserer Leserschaft erfüllen wir damit? Diese Umstellung hat sich in vielerlei Hinsicht gelohnt.
Besonders erfolgreich sind dabei die Kategorien „Berühre mich“ und „Erkläre es mir“. Geschichten, die emotional bewegen, Anteilnahme wecken oder inspirieren, werden deutlich häufiger gelesen und geteilt. Ebenso gefragt sind Beiträge, die komplexe Zusammenhänge verständlich machen und Hintergründe liefern. Gerade in einer immer komplizierteren Welt schätzen es unsere Leserinnen und Leser, wenn wir Entwicklungen einordnen und erklären. Lokalpatrioten gibt es natürlich auch. Die Kategorie „Wir sind Ostfriesland“ ist ebenfalls wichtig.
Bedürfniskategorien beleuchten die Geschichten vielfältiger
Ein häufiger Einwand gegen diese neue Herangehensweise lautet: Leidet darunter nicht die Aktualität? Unsere Erfahrung zeigt: Im Gegenteil! Aktualität bleibt das A und O. Wenn zum Beispiel ein Bürgermeister zurücktritt, berichten wir das weiterhin sofort und schnell – als klassische Nachricht. Diese Kategorie heißt dann „Bring mich auf den aktuellen Stand“. Doch damit endet unsere Arbeit nicht. Im nächsten Schritt überlegen wir, welches Bedürfnis hinter der Geschichte steckt: Müssen wir die Hintergründe erklären? Oder berührt der Rücktritt die Menschen in der Region besonders? So entstehen aus einer aktuellen Nachricht oft mehrere Beiträge, die verschiedene Bedürfnisse bedienen.
Die Auswirkungen sind messbar: Die Lesezeit unserer Artikel ist massiv gestiegen. Das können wir messen. Auch wenn wir nur die digitalen Artikel messen, haben Untersuchungen gezeigt, dass diese Ergebnisse deckungsgleich mit Artikeln sind, die Sie gedruckt in der Ostfriesen-Zeitung lesen.
Leserinnen und Leser verbringen mehr Zeit mit unseren Inhalten, weil sie sich besser abgeholt fühlen. Die Qualität der Berichte hat sich spürbar verbessert, denn der Fokus liegt nun beim Leser – und nicht mehr bei den Vorlieben einzelner Redakteure. Wir schreiben nicht mehr nur das, was uns selbst interessiert, sondern das, was für unsere Zielgruppe relevant ist.
Natürlich hat diese Entwicklung auch eine Kehrseite: Viele Geschichten sind länger geworden. Die Welt ist komplexer, die Zusammenhänge vielschichtiger. Um zu erklären, was passiert, müssen wir tiefer einsteigen und mehr Kontext liefern. Das erfordert mehr Recherche und Sorgfalt – aber es lohnt sich. Denn am Ende profitieren alle: Unsere Leserinnen und Leser bekommen besseren Journalismus, und wir als Redaktion gewinnen an Relevanz und Vertrauen.