Urteil

Versuchter Mord: Gericht sieht ausländerfeindliche Gesinnung

Bettina Keller
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Von Bettina Keller
| 10.03.2021 18:27 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Wegen versuchten Mordes ist ein 29 Jahre alter Mann zu einer Haftstrafe von neuneinhalb Jahren verurteilt worden. Das Gericht gab an, eine ausländerfeindliche Gesinnung als Triebfeder für die Tat zu erkennen.

Aurich - Es war ein gezielter Schuss aus der Hüfte und kein tragisches Unglück, worauf sich der Angeklagte berufen hat. Zu dieser Überzeugung kam die Auricher Schwurgerichtskammer am Ende eines „ungewöhnlichen“ Verfahrens, wie es der Vorsitzende Richter Stefan Büürma nannte.

Ungewöhnlich deshalb, weil das Gericht „die Wahrheit in mühsamer Kleinarbeit“ freigelegt habe. Am Mittwoch verhängte es gegen den Esenser, von Beruf Zerspanungsmechaniker, wegen versuchten Mordes und weiterer Delikte eine Gesamtfreiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren.

Opfer überlebte dank Notoperation

Am 18. Juli gegen Mitternacht hat er einen 30-Jährigen mit dunkler Hautfarbe aus zwanzig Meter Entfernung mit seinem leistungsgesteigerten CO2-Gewehr in die rechte Brust geschossen. Der Afrikaner und seine beiden Freunde waren ungebeten auf der Party des Angeklagten erschienen. Es kam zum Streit, der sich schließlich aufgelöst hat. Dann erst fiel der Schuss. Das Opfer sackte auf dem Gehweg zusammen. Es überlebte den Lungendurchschuss dank einer Notoperation.

Die Kammer ging von einem Tötungsvorsatz aus. Zusätzlich erkannte sie die Mordmerkmale Heimtücke und niedere Beweggründe. „Wir sind überzeugt, dass Ihre ausländerfeindliche Gesinnung die Triebfeder der Tat war“, sagte Büürma, wobei er sich auf die vielen rassistischen und rechtsradikalen Sprachnachrichten in dessen WhatsApp-Chats bezog: „Sie wollten ein Exempel statuieren und haben geschossen. Ihnen war egal, ob der Mann stirbt.“ Er empfahl dem Angeklagten, sich mit Geschichte zu befassen und ein Konzentrationslager zu besuchen.

Beschuldigter wollte Freundin imponieren

Aus Sicht der Kammer bestand keine Notwehrsituation. Stattdessen habe der Beschuldigte seiner Freundin imponieren wollen. Dass sich aus dem Gewehr unbeabsichtigt ein Schuss lösen konnte, schloss sie aus. Aktive Rettungsbemühungen habe der 29-Jährige nicht eingeleitet.

Jetzt schlummere in ihm, so der Richter, ein gewaltiges Maß an Selbstmitleid. Während der eineinhalbstündigen Urteilsbegründung schüttelte der schmale Esenser im blauen Pullover mehrfach empört den Kopf. Wiederholt schnäuzte er sich mit zitternden Händen. Einmal setzte er zu Widerworten an.

Urteil blieb unter Strafantrag

Zugunsten des Beschuldigten wertete das Gericht unter anderem das ansatzweise Geständnis und die Summe von 7500 Euro, die er als Anzahlung auf das Schmerzensgeld geleistet hat. Gegen ihn sprächen die Vorstrafen, aber auch die Lungenschäden und die psychischen Folgen beim Opfer sowie das Nachtatverhalten – die Beeinflussung von Zeugen.

Als weitere Delikte sind der unerlaubte Handel mit 500 Gramm Amphetamin und der unerlaubte Besitz explosionsgefährlicher Stoffe in das Urteil eingeflossen. Sie schlugen mit sechs Monaten zu Buche.

Das Urteil blieb unter dem Strafantrag über elf Jahre von Staatsanwalt Frank Lohmann. Die drei Verteidiger hatten indes auf eine Bewährungsstrafe infolge fahrlässiger Körper- verletzung plädiert. Gegen die Entscheidung kann der Angeklagte nun binnen einer Woche Revision einlegen.

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