Serie „Unser Aurich“ Extum wächst und verschmilzt mit den Nachbarn

| | 27.09.2023 18:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Die alte Schule ist heute das Vereinsheim der Boßler, Tennisspieler und Pfadfinder und beherbergt den Kindergarten Drachenstube. Gegenüber liegt das Gebäude des Schützenvereins. Im Gespräch (von links): Jörg Redenuis vom Boßelverein Freesenmoot, Ortsbürgermeisterin Antje Harms, Matthes Müller von Tennisverein, Ur-Extumer Peter Raveling und Friedrich Siebolds. Foto: Böning
Die alte Schule ist heute das Vereinsheim der Boßler, Tennisspieler und Pfadfinder und beherbergt den Kindergarten Drachenstube. Gegenüber liegt das Gebäude des Schützenvereins. Im Gespräch (von links): Jörg Redenuis vom Boßelverein Freesenmoot, Ortsbürgermeisterin Antje Harms, Matthes Müller von Tennisverein, Ur-Extumer Peter Raveling und Friedrich Siebolds. Foto: Böning
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Früher wurde in Extum vor allem im Boßelsport die Konkurrenz zu den Nachbarn gepflegt. Inzwischen wächst der Ortsteil vor allem in Richtung Haxtum und die Grenzen verschwimmen immer mehr.

Extum - Man trifft sich beim Bäcker am Kreisel. Wo denn auch sonst? Von den Kneipen, die früher einmal ein Treffpunkt Extums waren, gibt es keine mehr. Ortsbürgermeisterin Antje Harms (SPD) hat sie zusammengetrommelt: Menschen, die etwas über Extum sagen können – was es einmal war und was es heute ist. Gesucht wird nicht weniger als die Essenz eines Ortsteils, zusammengetragen im geschäftigen Treiben des örtlichen Bäckers bei belegten Brötchen und Kaffee am Morgen.

Extum

Einwohner: 2276

Größe: 4,17 Quadratkilometer

Ärzte: eine Zahnarztpraxis, ein Gastroenterologe, eine Hausärztin, zwei Hautärzte, ein Physiotherapeut

Bildungseinrichtungen: Integrierte Gesamtschule Aurich-West (IGS), Förderschule am Extumer Weg, Kindertagesstätte Tiddeltop, Kindergarten Drachenstube

Nahversorgung: großes Industriegebiet an der Emder Straße unter anderem mit einem Edeka-Center, einem Elektrofachmarkt, einem Baumarkt und verschiedenen Discountern

Kirchen: keine

Sonstiges: Extum bekommt mit dem Edeka-Umbau endlich eine Apotheke.

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“Unser Aurich”: Extum - Wo man zwischen Tee und Kluntje wohnt
27.09.2023

Wer wissen möchte, was Extum einmal war, für den hat Peter Raveling ein gutes Beispiel. „In den 60er Jahren hatte Extum etwa so viele Häuser, wie im Neubaugebiet „Im Timp“ insgesamt entstehen werden“, sagt er. Der 81-Jährige weiß, wovon er spricht, er war schließlich dabei. Er ist in Extum geboren und hier geblieben. Aus Überzeugung. Zu seinem Vergleich: Im neuen Baugebiet an der Grenze zwischen Extum und Haxtum sind 159 Einfamilienhäuser, 51 Reihenhäuser und 54 Mehrfamilienhäuser geplant.

Extum wächst weiter

Die Zusammenfassung der Ostfriesischen Landschaft über Extum nennt für das Jahr 1961 eine Zahl von 696 Einwohnern. 173 Häuser habe es damals gegeben, erinnert sich Raveling. Es sind also sogar noch weniger, als das neue Baugebiet bereithält. Für den Ortsteil an der Grenze zur Kernstadt kein Problem. Denn wenn Extum eines seit den 60er Jahren perfektioniert hat, ist es das Wachsen.

In Richtung Upstalsboom sind noch alte Höfe zu finden und Extum zeigt sich von seiner ländlichen Seite. Foto: Böning
In Richtung Upstalsboom sind noch alte Höfe zu finden und Extum zeigt sich von seiner ländlichen Seite. Foto: Böning

Mittlerweile können sich 2276 Menschen als Extumer bezeichnen. Der Kreisel vor der Tür des Bäckers ist so etwas wie der Nabel des Ortsteils. Von hier führen die Wege in alle Teile des heute vielfältigen Extums. Von hier aus geht es in das alte Extum, in dem noch einige der alten Bauernhäuser und Wallhecken stehen und von dem aus es nur noch ein Katzensprung zum Upstalsboom ist, dem Versammlungsort der Friesen im benachbarten Rahe.

Ein Kreisverkehr als Nabel des Stadtteils

Es geht in das neue Extum, mit seinen Siedlungen und Neubauten – vor allem Einfamilienhäuser, so vielfältig wie seine Einwohner. Und es geht in das geschäftige Extum im Norden. Dort liegt das große Industriegebiet mit seinem Edeka-Supermarkt, dem Elektro- und dem Baumarkt sowie den Möbel-, Tierfutter- und Lebensmitteldiscountern. Extum wächst und verschmilzt dabei besonders mit seinem Nachbarn Haxtum. „Dorthin führte früher gerade einmal ein Trampelpfad“, erinnert sich Peter Raveling. Über den kamen die Extumer zum Haxtumer Hof, das reichte ihnen. Inzwischen wird es immer schwerer, genau zu sagen, wo genau die Grenze zwischen den beiden Ortsteilen verläuft.

Der heute eingedeichte Fluss Ehe ist teilweise eine natürliche Grenze zu Nachbar Walle. Foto: Böning
Der heute eingedeichte Fluss Ehe ist teilweise eine natürliche Grenze zu Nachbar Walle. Foto: Böning

Wohin gehört zum Beispiel die Integrierte Gesamtschule? Schließlich ist sie zugänglich von der Extumer Seite. Die Haxtumer aber sind der Meinung, ein großer Teil der Gebäude läge auf Haxtumer Grund. Jörg Redenuis schmunzelt. Man müsse ja nicht drüber schreiben, aber traditionell gebe es schon eine gewisse Konkurrenz zwischen den Extumern und den umliegenden Ortsteilen, sagt der 59-Jährige, der sich seit 1986 im Vorstand des Boßelvereins Freesenmoot engagiert. Gerade in Boßelwettkämpfen seien diese immer wieder deutlich geworden.

Gemeinsam feiern statt konkurrieren

„Diese Zeit ist aber lange vorbei“, sagt Antje Harms. „Heute machen sie eher aus jedem Wettkampf einen Grund, gemeinsam zu feiern.“ Trotzdem: Wo man hingehört, machten die Einwohner der beiden Ortsteile noch immer per Autokennzeichen deutlich. „HX“ nach dem verbindenden AUR für Haxtum und „EX“ für Extum. Friedrich Siebolds, mit 86 Jahren der älteste aktive Boßler Extums, geht die Grenzfrage ganz pragmatisch an. Er ist 1972 von Sandhorst nach Extum gezogen. „Ich fühle mich als Auricher“, sagt er selbstbewusst. Die kurze Stille am Tisch überspielt der ehemalige Polizist mit dem Hinweis, dass es in Extum früher einmal einen Puff gegeben habe.

Der Heiratsweg (links) war früher ein Feldweg, zudem eine Sackgasse und damit ein beliebter Treffpunkt für junge Paare. Nicht selten sollen ihre Aktivitäten dort später zu einer Hochzeit geführt haben. Heute ist der Weg vom Wachstum des Ortsteils geprägt. Foto: Böning
Der Heiratsweg (links) war früher ein Feldweg, zudem eine Sackgasse und damit ein beliebter Treffpunkt für junge Paare. Nicht selten sollen ihre Aktivitäten dort später zu einer Hochzeit geführt haben. Heute ist der Weg vom Wachstum des Ortsteils geprägt. Foto: Böning

Extum. Haxtum. Jetzt verschluckt das Baugebiet „Im Timp“ die zwischen den Ortsteilen liegenden Weiden und Wiesen und schafft fünf neue Quartiere im Grenzgebiet zwischen beiden Stadtteilen. Was gehört wozu und ist das überhaupt noch wichtig? „Im Prinzip sind Extum, Rahe und Haxtum eins“, sagt Harms vermittelnd. Der Hintergrund: Die Ortschaften hatten sich mit der Gemeinde Kirchdorf schon vor der Gebietsreform 1972 zur Samtgemeinde Upstalsboom zusammengeschlossen – auch ein Grund dafür, warum Harms für alle vier Auricher Ortsteile Ortsbürgermeisterin ist.

Auch Matthes Müller ist ein Grenzgänger zwischen beiden Ortsteilen. Früher lebte er in Haxtum. Nach seinem Studium in Bremen wechselte der 32-Jährige zwecks Familiengründung und Nestbau auf die andere Straßenseite der Oldersumer Straße. Für Familien biete Extum alles, was sie bräuchten, findet er – außer eines Kinderarztes. Daran könne man aber noch arbeiten. Was für ihn zählt: „Hier erreicht man die wichtigsten Orte sogar mit dem Fahrrad schon in 15 Minuten“, sagt Müller. Klare Grenzen zwischen den Ortsteilen zieht der Vorsitzende des Tennisvereins nicht. Als Mitglied des Ortsrats Upstalsboom für die CDU muss er sich wie Antje Harms eh um die Belange von vier Auricher Ortsteilen kümmern.

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