Serie „So lebt Ostfriesland“ So lebt es sich in einer der ältesten Häuptlingsburgen Ostfrieslands

| | 06.12.2023 17:55 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Kai Nilson (links) und Franz Scheid haben sich im Steinhaus Nesse ihren Wohntraum verwirklicht. Oben ist die Decke aus dem Mittelalter zu sehen, die im Originalzustand erhalten ist. Foto: Ortgies
Kai Nilson (links) und Franz Scheid haben sich im Steinhaus Nesse ihren Wohntraum verwirklicht. Oben ist die Decke aus dem Mittelalter zu sehen, die im Originalzustand erhalten ist. Foto: Ortgies
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Kai Nilson und Franz Scheid haben sich ihren Wohntraum im Steinhaus Nesse verwirklicht. Die alte Burg in der Gemeinde Dornum war zuvor lange in Vergessenheit geraten.

Nesse - „Manchmal suchen sich die Häuser ihre Besitzer“, sagt Kai Nilson. Der Architekt und Baudenkmalpfleger wohnt mit seinem Mann Franz Scheid in dem historischen Steinhaus in Nesse (Gemeinde Dornum). Das Haus ist eine kleine Sensation. Denn erst 2021 verrieten seine dicken Mauern nach dem Kauf und der Sanierung durch das Ehepaar die mehr als 700 Jahre umfassende Geschichte. Das Steinhaus aus dem 14. Jahrhundert war unter anderem eine Häuptlingsburg und gilt heute als eines der ältesten Baudenkmäler Ostfrieslands. Kai Nilson und Franz Scheid haben sich darin ihren Wohntraum erfüllt.

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So lebt man in einer Burg | So lebt Ostfriesland
05.12.2023

Das Steinhaus in Nesse stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das genaue Datum des Baus ist nicht bekannt. Foto: Ortgies
Das Steinhaus in Nesse stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das genaue Datum des Baus ist nicht bekannt. Foto: Ortgies

„Bevor wir das Haus gekauft haben, war es 25 Jahre die Rumpelkammer der Kirche“, sagt Kai Nilson. Man könnte fast den Eindruck haben, es sei sogar komplett in Vergessenheit geraten. Denn obwohl es in unmittelbarer Nähe zur historischen Kirche steht und allein optisch verraten könnte, dass es sich nicht um eine normale Pastorei handelt, hatten 2020 nicht einmal die Denkmalschützer oder die Ostfriesische Landschaft die Burg auf dem Schirm. Für die Kirche war das Gebäude im Laufe der Zeit zur Last geworden. Zu viel Raum für eine zu kleine Gemeinde, so der Tenor. Also entschloss man sich, das Haus in gute Hände abzugeben.

Teilweise wurde das historische Mauerwerk freigelegt. Foto: Ortgies
Teilweise wurde das historische Mauerwerk freigelegt. Foto: Ortgies

Von der Großstadt nach Ostfriesland

Nilson und sein Mann hatten zuvor bereits zwei Landarbeiterhäuser in Nesse saniert und kannten daher das Dorf und die Leute. „Das ist im Ort ganz gut angekommen, was wir gemacht haben“, sagt Nilson. Daher sei die Kirche auch froh gewesen, mit dem Ehepaar offenbar genau die richtigen für das außergewöhnliche Haus gefunden zu haben.

Das Ehepaar kombiniert moderne und historische Einrichtungsgegenstände. Foto: Ortgies
Das Ehepaar kombiniert moderne und historische Einrichtungsgegenstände. Foto: Ortgies

Nilson und Scheid hatten zuvor mehr als 30 Jahre in einem denkmalgeschützten Haus mitten in Köln gewohnt. „Wir haben gesagt, wir ziehen nur um, wenn wir in Ostfriesland einen wirklich adäquaten Ersatz gefunden haben“, sagt Franz Scheid. Für den gebürtigen Rheinländer sei es nie ein Problem gewesen, mit seinem Mann zurück in den Norden zu ziehen, zumal sie zuvor bereits beruflich viel in Ostfriesland unterwegs waren.

Hier kann man sehen, wie dick die Mauern sind. Foto: Ortgies
Hier kann man sehen, wie dick die Mauern sind. Foto: Ortgies

Schon die Vorfahren lebten in der Burg

Und: Wie es der Zufall so will, haben schon Vorfahren von Kai Nilson in dem Steinhaus in Nesse gewohnt. Darauf hätte ihn als Kind regelmäßig seine Großmutter hingewiesen, wenn sie mit dem Bus an Nesse vorbeigefahren seien. „Es ist manchmal schon verrückt“, sagt der gebürtige Ostfriese. „So, als würde das Haus uns seine Geschichte erzählen wollen.“ Andere historische Häuser wie zum Beispiel Gulfhöfe seien für das Ehepaar wegen der Größe nicht in Frage gekommen.

Dackel August fühlt sich in der Burg seiner Herrchen wohl. Foto: Ortgies
Dackel August fühlt sich in der Burg seiner Herrchen wohl. Foto: Ortgies

Bei der ersten Besichtigung des Steinhauses war ihnen direkt klar, dass sie das Haus gern kaufen würden. 2021 machten sie Nägel mit Köpfen. Durch seine Arbeit als Baudenkmalpfleger und Architekt habe er schnell gemerkt, was für einen Schatz er da erworben hatte. Wenige Monate nach dem Kauf wurde das Gebäude auch unter Denkmalschutz gestellt. Auch die Ostfriesische Landschaft sei von der vergessenen Burg begeistert gewesen.

Das Steinhaus bietet 120 Quadratmeter Wohnfläche. Foto: Ortgies
Das Steinhaus bietet 120 Quadratmeter Wohnfläche. Foto: Ortgies

400 Jahre alte Deckenbalken entdeckt

Mit viel Hingabe zum Detail hat das Ehepaar das Steinhaus in nur sieben Monaten saniert, restauriert und den eigenen Vorstellungen entsprechend ausgebaut. „Da waren natürlich alle denkbaren Baubehörden dabei, die es so gibt“, sagt Kai Nilson. Immer mehr Details zur Geschichte wurden bekannt. Eines der Highlights: die mittelalterliche Decke im Obergeschoss. „Die war 400 Jahre lang zugenagelt“, sagt Nilson. Schicht für Schicht legten er und sein Mann sie frei, bis die rot angestrichenen Eichenbalken zum Vorschein kamen. Unbeschadet und im Originalzustand. „Da mussten wir lediglich einmal mit einer Bürste und ein bisschen Wasser drüber gehen“, sagt der Fachmann.

Moderne Accessoires wie diese Lampe fügen sich dem historischen Ambiente. Foto: Ortgies
Moderne Accessoires wie diese Lampe fügen sich dem historischen Ambiente. Foto: Ortgies

Heute zieren die Balken das Wohnzimmer der beiden Männer. Die Wände haben sie in einem Grünton gestrichen, dazu sowohl modernes als auch historisches Mobiliar gewählt. Generell haben sich Kai Nilson und Franz Scheid für einen Mix aus Moderne und Tradition entschieden. Einige Möbel kommen aus der Familie oder waren beim Kauf schon im Haus vorhanden. „Einiges hatten wir auch schon“, sagt Franz Scheid. Die schlicht gehaltene Inneneinrichtung wird ergänzt durch bewusst freigelegte Mauerteile und die sichtbaren Deckenbalken. Eigentlich gibt es an jeder Wand und in jeder Ecke des Hauses ein Stück Geschichte zu entdecken.

In den Räumen wurden die historischen Deckenbalken freigelegt. Foto: Ortgies
In den Räumen wurden die historischen Deckenbalken freigelegt. Foto: Ortgies

120 Quadratmeter und Blick aufs Meer

Insgesamt 120 Quadratmeter Wohnfläche hat die Burg, zwei Bäder gibt es – eines davon mit direktem Blick in Richtung Meer. „Bei gutem Wetter kann man Baltrum erkennen“, sagt Scheid, der neben der Nähe zum Meer und der guten Luft auch den Garten schätzt. Bei schlechterem Wetter fällt der Blick auf die umliegenden Hofanlagen – und wird eingerahmt vom freigelegten historischen Mauerwerk und den Burgfenstern.

Einige Gegenstände wie diese Uhr sind schon seit Jahrhunderten in der Häuptlingsburg. Foto: Ortgies
Einige Gegenstände wie diese Uhr sind schon seit Jahrhunderten in der Häuptlingsburg. Foto: Ortgies

Die Türen zu ihrem Haus öffnen die beiden immer wieder gern. „Wir haben beim Kauf versprochen, das Haus zu öffnen“, sagt Kai Nilson. So finden regelmäßig Lesungen oder Konzerte in der Küche des Ehepaars statt - Hausführung inklusive. „Das Interesse ist groß.“ Auch im nächsten Jahr wollen Scheid und Nilson wieder am Tag des offenen Denkmals oder des offenen Gartens teilnehmen und auch wieder Konzerte und Lesungen veranstalten. So wollen die beiden auch zeigen, wie viel man aus alten Häusern herausholen kann und dass es eben nicht immer ein Neubau sein muss.

Kai Nilson (links) und Ehemann Franz Scheid fühlen sich wohl in ihrer Häuptlingsburg. Foto: Ortgies
Kai Nilson (links) und Ehemann Franz Scheid fühlen sich wohl in ihrer Häuptlingsburg. Foto: Ortgies

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