Weihnachtsaktion 2023 Erlebniskiste – Chefredakteur und Volontär auf Tuchfühlung mit dem Blindsein

| | 25.11.2023 06:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Chefredakteur Lars Reckermann und sein Kollege Lukas Münch kamen sich schon auf einer kurzen Strecke ins Gehege. Foto: Ortgies
Chefredakteur Lars Reckermann und sein Kollege Lukas Münch kamen sich schon auf einer kurzen Strecke ins Gehege. Foto: Ortgies
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An Bord eines unscheinbaren Autoanhängers können Interessierte erfahren, wie es ist, blind zu sein. Die Erlebniskiste des Blindenverbands tourt durch Ostfriesland. Das Ziel: Bewusstsein schaffen.

Ostfriesland - Ein unscheinbarer Autoanhänger steht auf dem Parkplatz des Altenheims Pro Senis, Hauptstraße 70. in Leer. Er könnte von seiner Dimension her auch glatt als neumodischer Food-Truck wahrgenommen werden. Küchenutensilien befinden sich in dem Anhänger zwar auch, doch sie sind für einen ganz anderen Zweck dort. Andrea Sweers vom Blindenverband (BVN) begrüßt dort Besucher und lässt sie erfahren, wie es ist, blind zu sein.

Normalerweise ist es genau andersrum: In der Kammer ist es stockduster und man kann ohne Augenbinde hinein. Für das Foto mit Andrea Sweers wurde das einfach umgedreht. Foto: Ortgies
Normalerweise ist es genau andersrum: In der Kammer ist es stockduster und man kann ohne Augenbinde hinein. Für das Foto mit Andrea Sweers wurde das einfach umgedreht. Foto: Ortgies

Am Eingang des Anhängers hängen zwei schwere schwarze Vorhänge. Schiebt man sie beiseite, offenbart sich so ziemlich nichts. Es ist nämlich stockduster in dem Anhänger. Und darauf ist Hannelore Folkerts, Vorsitzende der Niederlassung des BVN in Ostfriesland, sehr stolz.

„Ordnung ist das halbe Leben“

„Wir haben das schon einmal für ein dunkles Café mit Teichfolie probiert.“ Das habe aber gar nicht gut geklappt, sagt sie. Nach einiger Zeit konnten sehende Menschen durch den geringen Lichteinfall dennoch genug erkennen – überhaupt nicht der Sinn der Sache. Ein authentisches Gefühl von totaler Blindheit ist so unmöglich. Das hat sie geärgert und deshalb kümmerte sie sich selbst um die Dunkelheit in der Erlebniskiste, obwohl sie selbst nichts sehen kann, damit ein jeder ihre eigene Blindheit nachempfinden kann. Ist man im stockdunklen Anhänger, sieht man wortwörtlich nicht mal mehr die Hand vor Augen – für den Moment ist man vollständig erblindet. An der Wand hängen diverse Gegenstände: Von Fernbedienungen über Bratpfannen bis hin zum Dusch-Abzieher findet man so ziemlich alles, was man auch so im Haushalt hat.

Andrea Sweers vom BVN (mitte) erklärt OZ- und GA-Chefredakteur Lars Reckermann (links) und seinem Kollegen Lukas Münch, worauf man zu achten hat, wenn man sich mit Blindenstock orientiert. Foto: Ortgies
Andrea Sweers vom BVN (mitte) erklärt OZ- und GA-Chefredakteur Lars Reckermann (links) und seinem Kollegen Lukas Münch, worauf man zu achten hat, wenn man sich mit Blindenstock orientiert. Foto: Ortgies

Der Knackpunkt ist: Man muss die Dinge blind ertasten, erkennen und auch benutzen. Schnell wird einem klar: Die Dinge zu erkennen ist die eine Schwierigkeit. Die ist aber noch händelbar – auch für Laien beziehungsweise sehende Personen. Die andere Schwierigkeit ist, die Dinge im eigenen Haushalt auch wirklich wiederzufinden. „Bitte stellt alles wieder da hin, wo ihr es herhabt“, scherzt Andrea Sweers, die sich darüber bewusst ist, wie schwer allein das schon sein kann. Im Haushalt eines blinden Menschen müssen die Dinge im Optimalfall immer an der gleichen Stelle liegen, sonst entstehe schnell ein unbeherrschbares Chaos. „Ordnung ist das halbe Leben“, weiß sie. Die Gefahr bei Gegenständen, die spitz oder scharf sind, ist nicht zu vernachlässigen. Deshalb werden eine gehörige Portion Disziplin und vor allen Dingen ein stets wacher Kopf benötigt. Denn ein Fehler oder eine Unkonzentriertheit im Alltag kann buchstäblich wehtun.

OZ+GA-Weihnachtsaktion 2023

Spendenzeitraum: Ab dem 22.11.2023 bis Anfang 2024

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Die Verwaltungskosten werden von der Zeitungsgruppe Ostfriesland getragen.

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Erlebniskiste tourt für mehr Aufmerksamkeit

Umso wichtiger ist die Arbeit, die Andrea Sweers und ihre Kolleginnen und Kollegen in der Erlebniskiste des BVN Menschen allen Alters vermitteln. „Mit der Erlebniskiste touren wir auch durch Ostfriesland und steuern unterschiedlichste Einrichtungen an“, sagt sie. Das trage auch dazu bei, den Verband bekannt zu machen und aus der Nische zu holen. „Wir haben noch nicht die Aufmerksamkeit für das Thema, wie wir sie uns wünschen und brauchen“, sagt sie.

Normalerweise ist es genau andersrum: In der Kammer ist es stockduster und man kann ohne Augenbinde hinein. Für das Foto mit Andrea Sweers wurde das einfach umgedreht. Foto: Ortgies
Normalerweise ist es genau andersrum: In der Kammer ist es stockduster und man kann ohne Augenbinde hinein. Für das Foto mit Andrea Sweers wurde das einfach umgedreht. Foto: Ortgies

Man sei deshalb darauf angewiesen, gesehen zu werden, da der Unterhalt von Einrichtungen wie etwa die Erlebniskiste ins Geld gehen. Man habe es auch mit vielen sehr wohlwollenden Menschen zu tun, die Leistungen kostenlos zur Verfügung stellen. „Fahrschulen haben für uns schon auf abgesperrten Plätzen ein Fahrtraining angeboten“, sagt Andrea Sweers.

Mit Augenbinden und Stöcken blind sein

Im nächsten Schritt verteilt Andrea Sweers Augenmasken, um den totalen Verlust des Augenlichts in der Öffentlichkeit zu simulieren. Die Probanden bekommen einen Langstock gereicht – die bekannte Blindenhilfe zum Orientieren. Tapsig und irgendwie unbeholfen stolpert man sich dann den Weg nach vorne und wird dabei fachkundig aufgeklärt: „Rillen auf dem Blindenleitstreifen heißen so viel wie ‚Hier kannst du weitergehen!‘, gepunktete Flächen zeigen einen Stopp-Punkt an“, erklärt Sozialarbeiterin Sweers.

Da trennt sich offenbar schon die Spreu vom Weizen, denn der Redakteur konnte den Unterschied nicht erkennen, er wäre einfach weitergegangen. Das kann unter Umständen fatale Folgen haben. Man könnte etwa auf befahrene Straßen oder Bahngleise laufen oder fallen.

Unüberwindbare Hindernisse sind für blinde Menschen an der Tagesordnung. Foto: Ortgies
Unüberwindbare Hindernisse sind für blinde Menschen an der Tagesordnung. Foto: Ortgies

Nach dem Besuch der Erlebniskiste fällt einem sofort auf, wie und wo etwa Blindenstreifen installiert sind – und das nach nur einer kurzen Zeit in der Einrichtung.

Video
Erlebniskiste: Auf Tuchfühlung mit dem Blindsein | Audio-Version des Artikels von OZ und GA
23.11.2023
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