Was Sie heute wissen müssen

Billige Lebensmittel | Leere Regale | Leise Donnerzüge

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Eine Kolumne von Carmen Leonhard
| 25.10.2021 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Gehört das auch zu Ihren Wochenendritualen - die Prospekte aus der Sonntagszeitung auf interessante Angebote durchzugucken? Mit „Hammerpreisen“ wird da wieder geworben. Bei Lidl kostet Schweinegeschnetzeltes im 500-Gramm-Pack 3,39 Euro - der Hinweis auf 15 Prozent Ersparnis darf nicht fehlen, es sind 60 Cent, die man laut Prospekt weniger zahlen muss als sonst. Netto trumpft mit 1,89 Euro fürs gemischte Hack, ebenfalls 500 Gramm, auf. Hier könne der Kunde 36 Prozent gegenüber dem Normalpreis sparen. Und Aldi hat Rinderrouladen im Angebot - 500 Gramm für 4,29 Euro, 21 Prozent Ersparnis. Nein, das wird jetzt nicht Carmens kleiner Einkaufsführer. Es soll nur verdeutlichen, dass mit den Preisen für Lebensmittel bei uns im Land etwas nicht stimmt. Niedrigpreise beim Discounter, während die Landwirte ächzen: Die Erzeugerpreise decken bei Weitem nicht die Kosten, die ihnen entstehen. Jetzt steigen auch noch die Energiekosten, die Preise für Kunstdünger explodieren regelrecht, bei all dem soll in den nächsten Jahren noch der Umbau der Tierhaltung gestemmt werden. Viele Landwirte auch bei uns in Ostfriesland sehen keine Perspektive für die Zukunft mehr und denken über die Aufgabe ihrer Höfe nach. „Wenn bekannt wird, dass 30.000 Jobs bei Volkswagen in Gefahr sein könnten, dann schrecken Politik und Gesellschaft angesichts der Dimension auf.“ Das Zitat stammt aus einem Interview, das Dirk Fisser mit Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast geführt hat. Vielen scheine die Bedeutung der Agrarwirtschaft für Niedersachsen nicht klar zu sein, so die Ministerin: „Durch die aktuelle Krisensituation sind auch hier Tausende Jobs in Gefahr.“ Das gilt nicht nur für die Bauern: Die Ministerin verweist auf Schlachthöfe, aber auch auf die Menschen, die Ställe bauen oder Traktoren verkaufen. „Lebensmittel müssen bezahlbar bleiben“, so Otte-Kinast. „Aber: Die Zeiten billiger Lebensmittel sind vorbei.“ Was die Politik aus ihrer Sicht tun müsste, um den Landwirten zu helfen, was sie von einer Ausstiegsprämie für Schweinehalter hält und auf wen sie als neuen Landwirtschaftsminister in der künftigen Bundesregierung tippt: Das lesen Sie alles in dem Interview. Und bis die Politik aus dem Quark kommt, können Sie und ich als Verbraucher versuchen, wenigstens einen klitzekleinen Teil zur Verbesserung der Lage unserer Landwirte beizutragen und bewusst einzukaufen. 

Auf eine Krise steuert offenbar auch eine andere Branche zu. Nicht nur in Großbritannien fehlt es an Lkw-Fahrern, auch in Deutschland sind derzeit bis zu 80.000 Stellen für Berufskraftfahrer unbesetzt. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung hat angesichts dieser Zahlen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Handeln aufgerufen, „um englische Verhältnisse in Deutschland und einen drohenden Versorgungskollaps zu verhindern“. Mit diesen Worten zitiert mein Kollege Andreas Ellinger den Verband. Der Spediteur Folkert Lüpsen aus Filsum wird deutlich: „Es wird kein Jahr mehr dauern, dann werden Teile unseres Fuhrparks aufgrund Fahrermangels stehen.“ Er rechnet damit, dass wir in etwa zwei Jahren auch vor teilweise leeren Regalen in den Supermärkten stehen, weil wegen des Personalmangels in der Logistikbranche die Lieferketten gestört sind. Von mehr Stellen als Bewerbern berichtet auch Roland Dupák von der Agentur für Arbeit Emden-Leer. Wie die Experten derzeit die Lage in Ostfriesland einschätzen und wie die Branche gegensteuern will, lesen Sie hier.

Vor einer ungewissen Zukunft stehen auch viele Einzelhändler in Zeiten der boomenden Internetkonkurrenz. Meine Kollegin Gabriele Boschbach hat am Beispiel der Osterstraße in Aurich den Niedergang einer einst florierenden Einkaufsstraße beleuchtet. Sie skizziert in ihrem Artikel, welche Läden in den 60er Jahren dort für Vielfalt sorgten, und lässt jene Inhaber zu Wort kommen, die heute dort die Stellung halten. Wie sie das schaffen, welche Probleme sie sehen und was die Stadt unternehmen will, erfahren Sie hier. 

Meine Kollegin Katja Mielcarek durfte zwar nicht dabei sein, als die Deutsche Bahn dieser Tage den Anwohnern der Bahnstrecke in Leer das Ergebnis ihrer Vibrationsmessungen vorstellte. Sie berichtet trotzdem. Grund für die Messungen waren die immer lauter werdenden Beschwerden der Anlieger, die von ungewöhnlich starken Erschütterungen durch bis zu 400 Tonnen schwere Güterzüge und davon hervorgerufenen Schäden berichteten. Einige der Frauen und Männer wohnen schon seit Jahrzehnten an der Strecke und hatten damit nie Probleme - bis im Frühjahr die „Donnerzüge“ auftauchten. Für die Betroffenen war es schon ein Kampf, die DB überhaupt zu Messungen zu bewegen. Das erhoffte Ergebnis brachten diese aus Sicht der Anwohner nicht: Es wurde offenbar ausgerechnet in der Woche gemessen, als wegen des Bahnstreiks weniger Züge unterwegs waren. Und diese seien auch langsamer gefahren als sonst, heißt es. Mehr zur Kritik der Anwohner und zur Position der Bahn lesen Sie im Artikel der Kollegin, die weiter an dem Fall dranbleiben wird. 

Eine Bekannte geht mir schon seit Monaten aus dem Weg. Mit fortschreitender Pandemie hat sie sich immer absurderen Verschwörungstheorien in Sachen Corona hingegeben und will auch andere dazu bekehren. Mich nicht, auf Gegenwind hat sie nach eigenem Bekunden Freunden gegenüber keine Lust. In ihrem Bestreben, Familie und Freunde von einer Impfung abzuhalten, steht sie allerdings auf verlorenem Posten. Bleibt zu hoffen, dass mit Ausbleiben all der Untergangsszenarien ihrer neuen Propheten sich auch bei ihr wieder der gesunde Menschenverstand durchsetzen kann. Das ist übrigens eine Tendenz, die der Medienpädagoge Andreas Mertin beobachtet hat. Die Mehrzahl der Verschwörungstheoretiker verliere mit abflauender Pandemie in den sozialen Netzwerken an Publikum. Meine Kollegin Marion Luppen hat mit dem Wissenschaftler gesprochen, der am 14. November für das Seminar „Kompetent gegen rechte Sprüche“ nach Aurich kommt. Weitere Infos dazu gibt es hier. Wer aus Mertins Sicht besonders gefährdet ist für Verschwörungstheorien, wie man an Menschen herankommt, die ihnen verfallen sind, und welche Rolle Schulen spielen sollten, lesen Sie hier im Interview der Kollegin.

Bei Facebook bin ich vor einigen Tagen über den Aufruf einer Ostfriesin gestolpert, die nach den Leuten suchte, die ihr die Ferienwohnung ausgeräumt haben sollen. Sie nennt Namen und Autokennzeichen und bittet um Hinweise auf den Verbleib ihrer Sachen. Mein Kollege Michael Hillebrand hat sich des Falls angenommen. Haben Vermieter von Ferienwohnungen in Ostfriesland häufig mit solchen Diebstählen zu tun - und was sagt die Polizei zu derartigen Suchaufrufen? Das steht diesem Beitrag. 

Was heute wichtig wird:

  • Im Sommer mussten Brauer bundesweit Bier wegkippen, weil sie es wegen des Lockdowns nicht losgeworden sind. Wie ist die Saison seit den Regellockerungen für Ostfriesenbräu in Bagband gelaufen? Ole Cordsen fragt nach.
  • Die Leeraner Stadtverwaltung wollte sie straffen, die Politik will sie vergrößern. Statt 11 sollen künftig 13 Ratsmitglieder in den städtischen Ausschüssen sitzen. Katja Mielcarek berichtet, was das für Konsequenzen hat.
  • Das Neue Theater in Emden wird zum Festspielhaus am Wall. Wie gehen dort die Arbeiten voran? Das bringt Mona Hanssen in Erfahrung.
  • Der Verein Open Dören, der in Bunde ein Behindertenwohnheim betreibt, plant ein millionenschweres Neubauprojekt auf einem Nachbargrundstück. Tatjana Gettkowski stellt es vor.
  • Ilona Kühnel aus Aurich ist Knigge-Trainerin. Marion Luppen spricht mit ihr über ihre Arbeit, über die Bedeutung guten Benehmens und über Fallstricke.
  • Den Gemeinden Krummhörn und Hinte fehlt es an großen und ganzjährig nutzbaren Veranstaltungsstätten. Deshalb muss die Ländliche Akademie Krummhörn-Hinte jetzt auf andere Städte und Gemeinden ausweichen. Michael Hillebrand berichtet.

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