Was Sie heute wissen müssen Ein Richter, der Mitgefühl zeigt | Ein Richter, der abrechnet | Ein Autofahrer, der Flüchtlinge aussetzt

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Eine Kolumne von Carmen Leonhard
| 13.05.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Zu 15 Jahren Haft wegen Totschlags und versuchten Mordes wurde jetzt der Mann verurteilt, der im Dezember in Brake einer 26-jährigen Frau aus Bunde das Leben genommen und eine andere Frau schwer verletzt hatte. Mein Kollege Daniel Noglik war in der vergangenen Woche beim Prozessauftakt am Landgericht Oldenburg dabei - und gestern bei der Urteilsverkündung. Der 34-jährige Angeklagte habe mit der 26-Jährigen gemeinsam Kokain konsumiert und sie dann erstickt, so das Gericht. Kurz nach der Tat griff der Mann dann eine Nachbarin an und fügte ihr mit einem Messer Verletzungen unter anderem an der Kehle zu. Von emotionalen Plädoyers der Opferanwälte berichtet Daniel in einem zweiten Text zu der Verhandlung, von einem Richter, der feinfühlig mit dem überlebenden Opfer und der Mutter der getöteten Frau umging, von der Frage nach dem Warum, die ungeklärt bleibt.

Ein weiterer Prozess, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte, fand gestern seinen Abschluss: Das ehemalige „Wunderkind der Windenergie“, wie das Handelsblatt den 32 Jahre alten Hendrik Holt bezeichnete, muss wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sieben Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Auch der frühere Finanzdirektor der Holt-Gruppe, Heinz L., sowie die Mutter, die Schwester und der Bruder des Emsländers wurden zu Haftstrafen verurteilt. Nina Kallmeier und Dirk Fisser berichten die Details. Die Angeklagten haben internationale Energiekonzerne mit erfundenen Windparkprojekten betrogen. Der wirtschaftliche Schaden wird auf mehr als zehn Millionen Euro beziffert. Der Richter am Landgericht Osnabrück verurteilte nicht nur das Handeln der Holts. Er rechnete auch mit einem System ab, in dem ein Betrug dieser Dimension überhaupt erst gedeihen konnte, er sprach von der „Gier der Konzerne“ und der Nachlässigkeit ihrer hochdotierten Prüfer. Und auch der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dem Holt einen Deal mit Desinfektionsmitteln andrehen wollte, bekam sein Fett ab. Hier lesen Sie mehr.

Die Idee der Tafeln war es früher einmal, Lebensmittel aus dem Handel vor dem Verderben zu retten. Heute gehe es darum, Menschen zu retten, so Stefanie Holle vom Caritasverband Ostfriesland. Der Andrang bedürftiger Menschen bei den Einrichtungen in der Region ist inzwischen so groß, dass er für die Helfer kaum noch zu bewältigen ist. In Emden hat man die Notbremse gezogen und einen Aufnahmestopp verhängt. Auch andernorts gibt es Einschränkungen, wie Reporterin Katja Mielcarek berichtet. Der große Andrang ist nicht das einzige Problem, mit dem die Tafeln zu kämpfen haben. 

Für Menschen, die knapp bei Kasse sind oder die sich gegen die Lebensmittelverschwendung engagieren wollen, hat meine Kollegin Stephanie Tomé nützliche Tipps zusammengetragen. Sie stellt in der neuen Folge unserer Serie „Leckerst un Best“ unter anderem die App „To good to go“ vor. Bäckereien, Supermärkte, Tankstellen, Cafés, Restaurants und Kantinen nutzen die Plattform, um überschüssige Lebensmittel zu einem reduzierten Preis anzubieten. Das Angebot in der Region wächst, immer mehr Betriebe machen mit. Ich habe die App auch auf dem Smartphone und schon so manche Überraschungstüte beim Bäcker vor der Abfalltonne bewahrt. Mehr zu dem Thema gibt es hier.

Mein Bruder und seine Frau haben eine junge Ukrainerin mit ihrer Tochter bei sich aufgenommen. Ich bewundere sehr, wie sie sich dieser Herausforderung stellen und den beiden helfen, hier anzukommen. Bemerkenswert finde ich, dass das kleine Mädchen nach wie vor von seinen Lehrern unterrichtet wird - auf digitalem Wege. Die Lehrkräfte sind noch in Kiew oder inzwischen ebenfalls in andere Länder geflüchtet. Homeschooling macht es möglich, dass sie ihre Schüler weiterhin begleiten. Die Achtjährige besucht jetzt auch eine Grundschule bei uns im Dorf. Wie kann man das mit dem Unterricht in der virtuellen Heimatklasse in Einklang bringen? Nur eine Frage, mit der sich auch die Schulen in Ostfriesland derzeit auseinandersetzen müssen. In Emden war das jetzt Thema im Schulausschuss. Eine Beratungslehrerin berichtete dort von ihrer Arbeit. Ihre Schilderungen waren so bewegend, dass es am Ende dafür Beifall gab. Lesen Sie hier den Artikel von Heiko Müller.

Wer trägt die Schuld daran, wenn Flüchtlinge aus der Ukraine in Bruchbuden unterkommen und überhöhte Mieten zahlen? Meine Kollegin Marion Luppen war gestern im Sozialausschuss des Landkreises Aurich, um die Diskussion über diese Frage zu verfolgen. Anlass waren die entsprechenden Vorwürfe gegen einen Bauunternehmer aus Leezdorf. Ordungsamtsleiter Marcel Schäfer erklärte, warum dem Kreis die Hände gebunden sind: Die Flüchtlinge seien eigenständig eingereist und hätten die Wohnungen auf eigene Faust gemietet. Schäfer betonte aber auch, dass man die Menschen bei Problemen mit privaten Vermietern nicht im Regen stehen lasse: „Natürlich helfen wir den Leuten.“ Er berichtete im Ausschuss aber auch von Einheimischen, die nach der Aufnahme von geflüchteten Ukrainern bei der Kreisverwaltung Hilfe suchen. Weil man miteinander doch nicht so gut auskommt oder es Probleme mit den gestiegenen Kosten gibt. Schäfer schilderte aber auch einen Fall aus dem Kreis Aurich, der mich sprachlos macht: So habe ein Autofahrer eine ukrainische Familie ausgesetzt wie einen Hund. Lesen Sie hier mehr. 

Heute ist wieder Ossiloop: Die beliebte Aurich-Etappe steht an. Meine Kollegen aus der Sportredaktion und von Ostfriesen.tv werden wieder in einem Live-Blog von der Strecke berichten. Sie bekommen diesmal Verstärkung von Imke Müntinga. Die junge Frau steht kurz vor dem Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung bei uns im Verlag und lernt in diesen Tagen die Arbeit in der Redaktion kennen. Und damit das nicht nur dröge Theorie bleibt, darf sie heute selber ran. Ich bin gespannt, welche Eindrücke vom Ossiloop Imke einfängt - nachzulesen ab etwa 18.30 Uhr auf unserer Internetseite. Ich wünsche ihr dabei viel Spaß - und freue mich aufs Lesen.  

Was heute wichtig wird:

  • Ab dem 1. Juni sollen Benzin und Diesel günstiger werden. Doch kommt die Logistik hinterher? Das bezweifelt ein Tankwart aus Greetsiel. Claus Hock hat mit ihm und den Tankstellenverbänden gesprochen.
  • Der Stadtring in Leer bleibt bis Ende Juli gesperrt. Schuld an der Verlängerung sind Schäden an zwei Brücken. Jetzt gibt es eine erste Einschätzung zur Schwere der Schäden. Michael Kierstein berichtet.
  • In der Pandemie haben sich viele Menschen ein Wohnmobil zugelegt. Inzwischen ist man aber beim Reisen nicht mehr nur auf Deutschland beschränkt. Wirkt sich das auf die Campingplätze in Ostfriesland aus? Dorothee Hoppe und Vera Vogt fragen nach.
  • Wie funktioniert die neue Wolf-Warn-App? Gabriele Boschbach erklärt die Technik - und bringt in Erfahrung, was Wolfsberater davon halten.
  • Die Zentralklinik in Uthwerdum soll auf einem Grundstück entstehen, das von Entwässerungsgräben durchzogen ist. Das stellt die Planer vor Herausforderungen. Nun befassen sich der Umwelt- und der Bauausschuss Südbrookmerland mit dem Thema. Marion Luppen berichtet.
  • Die Jägerschaft Aurich will in einem fünfjährigen Projekt den Steinkauz wieder im Kreisgebiet ansiedeln. Was wurde gemacht, wie geht es weiter und wofür werden 750.000 Euro benötigt? Oliver Bär stellt das Projekt vor.
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